"NieR: Automata" im Test: Unsere Freunde, die Androiden

NieR Automata A01
NieR Automata A01 Bild: © Square Enix 2017

Trotz Schwächen und durchwachsener Kritiken erkämpfte sich das Action-Rollenspiel "NieR" (PS3, X360) eine treue Fanbasis. Das tolle Design und der hypnotische Soundtrack überzeugten, und so ist es wahr geworden: Sieben Jahre später gibt es einen Nachfolger. "NieR: Automata" nimmt die Stärken des Vorgängers wieder auf – und macht den Rest besser.

Von Michael Schock

In ferner Zukunft ist die Menschheit nach einem Alien-Angriff nahezu ausgerottet. Die letzten verbliebenen Menschen flohen auf den Mond. Hier rüsteten sie sich für einen Gegenschlag, während auf der Erde die Roboter regierten und die Städte langsam zerfielen.

"NieR: Automata: Die Story

Nun ist es so weit, eine Einheit hochmoderner Kampfandroiden kehrt für die Menschen zurück auf die Erde und will Boden gut machen. Mit den eigenen Waffen schlagen ist die ausgewiesene Strategie, obwohl die Androiden der Menschen, die Yorha, alles andere als seelenlose Maschinen sind. Sie besitzen Emotionen und kümmern sich trotz starrer Hierarchien umeinander. Das darf aber niemand so genau wissen, denn die namenlosen Kämpfer sollen einen Widerstand aufbauen, sodass die Menschen wieder zurück auf die Erde können. Für Gefühle keine Zeit.

Im Zentrum der "NieR: Automata"-Geschichte steht die Einheit 2B, ein weiblicher Kampfandroide im hübschen Kleidchen mit gekonnter Schwerttechnik und einer schießwütigen Schutzeinheit im Schlepptau. Gemeinsam werden sie auf die Erde geschickt, um den Eindringlingen die Stirn zu bieten.

Du bist ein Roboter, ich bin ein normaler Mensch!

Schon im Intro fällt ein besonderes Charakteristikum des Spieles auf: Ein einfaches RPG oder hundertprozentiges Action-Adventure ist "NieR: Automata" nicht. Vielmehr beginnen wir mit einer klassischen, scrollenden Raumschiff-Shooter-Episode. Die weibliche Kampfeinheit 2B kann und muss nämlich auch in einem Mecha-artigen Anzug über die Oberfläche der Erde fliegen und die Abwehrdrohnen der Gegner dezimieren. Diese schießen mit violetten Kugeln, denen es auszuweichen gilt. Diese kleinen Intermezzi lockern das Spiel immer wieder auf. Auf der Erde angekommen stellen sich der mechanischen Heldin meist eher putzig wirkende Mülltonnengegner entgegen, die wild um sich schlagen oder weiterhin mit Kügelchen feuern. Hier wird "NieR: Automata" dann zum Hack-and-Slay: Mit einfachen oder starken Attacken werden die Gegner zerhackt und in ihre Einzelteile zerlegt. Ab und an wird es dann aber doch bedrohlicher, so wie bereits im Intro des Spiels: Die erste Mission wird durch eine gigantische, zu dämonischem Leben erweckte Ölbohrplattform erschwert. Hier muss 2B einen klassischen Bosskampf in mehreren Etappen bestreiten.

"NieR: Automata": Stilvolle Grafik. fullscreen
"NieR: Automata": Stilvolle Grafik. Bild: © Square Enix 2017
Anspruchsvolle Bosskämpfe nach klassischem Muster. fullscreen
Anspruchsvolle Bosskämpfe nach klassischem Muster. Bild: © Square Enix 2017
Das Kampfsystem verspricht viel Action. fullscreen
Das Kampfsystem verspricht viel Action. Bild: © Square Enix 2017
Lediglich das Gegner-Design könnte etwas abwechslungsreicher sein. fullscreen
Lediglich das Gegner-Design könnte etwas abwechslungsreicher sein. Bild: © Square Enix 2017
"NieR: Automata": Stilvolle Grafik.
Anspruchsvolle Bosskämpfe nach klassischem Muster.
Das Kampfsystem verspricht viel Action.
Lediglich das Gegner-Design könnte etwas abwechslungsreicher sein.

Gut, dass sie nicht allein ist, denn meist steht ihr der männliche Aufklärerandroide 9S zur Seite. Der jugendliche Bursche hilft im Kampf und macht früh auf einen Fakt aufmerksam, der schnell mal vergessen wird: Auch die Guten sind hier Maschinen und jederzeit ersetzbar. Als letzte Möglichkeit können sie ihre Speicherdaten hochladen zur Basis in der Erdumlaufbahn und mit ihren verbliebenen Körpern eine verheerende Explosion auslösen. Ebenso beim Ableben des Spielers: Kehrt man zum Platz des Todes mit dem neuen 2B-Körper zurück, lassen sich einerseits die gesammelten Gegenstände aus der leblosen Hülle klauben – oder sie als Hilfskraft wiederbeleben. Allerdings funktioniert das nicht immer und kann schon mal nach hinten losgehen. Zudem gibt es in "NieR: Automata" die äußerst populäre Auto-Save-Funktion nicht. Um den Spielstand zu sichern, müssen erst Terminals entdeckt werden, an denen sich der Spielfortschritt speichern lässt. Wem das Angst macht und der ungestörte Genuss der Geschichte wichtiger ist, stellt die Schwierigkeit auf "Easy". In dem Modus gibt es die Funktion, die Kämpfe automatisch austragen zu lassen.

Die "NieR: Automata"-Welt: Reduziert bis zum Maximum

Die größtenteils offene Spielwelt auf der Erde ist in "NieR: Automata" etwas optisch Besonderes. Erinnerst Du Dich an die blühenden Wiesen in "The Witcher 3" oder die farbsatten Landschaften in "Horizon Zero Dawn" und "Zelda: Breath Of The Wild"? Denk Dir das Gegenteil für dieses Spiel. In manchmal monochromen, meist entsättigten Grau-, Braun- und Grüntönen präsentiert sich die menschenverlassene Einöde, weshalb ein häufig gebrauchtes Adjektiv für die Optik lautet: stylish. Der sparsame Griff in den Farbtopf soll aber nicht nur Grafikfetischisten glücklich machen, er sorgt vor allem auch für eine dichte Atmosphäre. Die Anti-Pop-Art lässt die Stimmung gedämpft wirken, oft fragst Du Dich anhand der von der Natur zurückeroberten Hochhäuser: Ist es wirklich so gut, wenn die Menschen hierher zurückkehren und alles mit knallbunter Werbung und Müll vollkleistern?

Das gehört fraglos zum Konzept, denn hinter dem Spiel steht der leitende Entwickler Taro Yoko, der auch den Vorgänger und die allem zugrunde liegende "Drakengard"-Serie erschuf. Yoko ist ein Charakterkopf, liebt düstere, philosophisch unterfütterte Szenarien und exzentrisches Design. Deshalb lohnt es sich, jeden Dialog mit den anderen Figuren genau zu lesen und jedes Szenario zu hinterfragen. Nicht alle Rätsel werden am Ende des Spieles gelöst, aber ähnlich den Werken von Filmregisseuren wie "Twin Peaks"-Vater David Lynch gehört es zur Gesamterfahrung dazu, seine eigenen Theorien zu bilden. Das Gute ist niemals als rein gut und das Böse niemals als rein böse zu akzeptieren. Yoko steht für Spiele mit Metaebene, das zeichnet auch "NieR: Automata" aus.

Die Schauplätze von "NieR: Automata" sind teils malerisch gestaltet. fullscreen
Die Schauplätze von "NieR: Automata" sind teils malerisch gestaltet. Bild: © Square Enix 2017
Das Spiel hat aus den Fehlern des Vorgängers gelernt. fullscreen
Das Spiel hat aus den Fehlern des Vorgängers gelernt. Bild: © Square Enix 2017
Wir helfen dem Widerstand: Story und Atmosphäre sind gut gelungen. fullscreen
Wir helfen dem Widerstand: Story und Atmosphäre sind gut gelungen. Bild: © Square Enix 2017
Der hochqualitative Soundtrack rundet das tolle Spielerlebnis ab. fullscreen
Der hochqualitative Soundtrack rundet das tolle Spielerlebnis ab. Bild: © Square Enix 2017
Schöne Kulisse: "NieR Automata". fullscreen
Schöne Kulisse: "NieR Automata". Bild: © Square Enix 2017
Die Schauplätze von "NieR: Automata" sind teils malerisch gestaltet.
Das Spiel hat aus den Fehlern des Vorgängers gelernt.
Wir helfen dem Widerstand: Story und Atmosphäre sind gut gelungen.
Der hochqualitative Soundtrack rundet das tolle Spielerlebnis ab.
Schöne Kulisse: "NieR Automata".

 

Aus alten Fehlern gelernt

Ähnlich mystisch gab sich auch der Vorgänger "NieR", der sich allerdings nur mäßig verkaufte. Das lag aber besonders an der hakeligen Steuerung und nervigen technischen Schwächen. Das macht die "Automata"-Episode durchweg besser. Die Kämpfe überraschen durch häufige Perspektivwechsel, werden aber fast nie zu unübersichtlich. Auch die Mischung aus Nah- und Fernkampfwaffen funktioniert gut und ist motivierend. Anstatt mit tausend neuen Geräten und Extras bombardiert zu werden, wie in vielen RPGs üblich, hält sich die Item-Auswahl in angenehmen Grenzen. Weniger ist auch hier mehr.

Sowieso immer schön ist "NieR: Automata" anzuschauen. 2Bs Animationen sind geschmeidig, es macht durchweg Laune, den Blechbüchsen den Schädel zu zerkloppen. Durch den gedämpften, nicht unglaublich detaillierten und dennoch schönen Look der Umgebungen wird man stetig neugierig, will die zerfallene Welt weiter erkunden. Lediglich beim Gegnerdesign hätte es etwas mehr Abwechslung geben können. Das ist aber verschmerzbar. Gestärkt wird der insgesamt positive Eindruck durch den abermals traumhaft schönen Soundtrack, der mit elektronisch verstärkten Orchesterklängen und epischen Chorälen für Gänsehaut sorgt.

"NieR: Automata"-Fazit: Große Kunst in edlem Design

Dieses Action-Rollenspiel ist eine echte Alternative für alle, die der großen und knallbunten Blockbuster müde geworden sind. "NieR: Automata" ist modern-minimalistisch und entführt dadurch noch nachhaltiger in eine dystopische Endzeitwelt. Philosophische Fragen bekommen hier ebenso ihren Raum wie knackige Kämpfe und rasante Raumschlachten. Ein eigenwilliger Mix, der begeistert. "NieR: Automata" ist am 10.3.2017 exklusiv für PlayStation 4 erschienen.

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