Mit der Oculus Go wollen Facebook und Xiaomi die Virtuelle Realität von PC, Smartphone und Kabelsalat befreien. Im Test haben wir überprüft, ob das gelingt – und wurden positiv überrascht.
- Die größte Hürde für ein nahtloses VR-Erlebnis
- Oculus Go ist Brille & VR-Computer in einem Gerät
- Einschalten, aufsetzen & loslegen
- Keine Bewegungsfreiheit im virtuellen Raum
- Überraschend gute Bildqualität
- Viele Apps sind bereits zum Launch erhältlich
- Viele Stärken & eine große Schwäche
- Fazit: Die erste massentaugliche VR-Brille
Das Thema Virtual Reality steht seit einigen Jahren wieder stark im Fokus der Öffentlichkeit. Moderne VR-Brillen wie die Oculus Rift oder die HTC Vive zeigen das gewaltige Potenzial hinter der Technik und mit seiner Gear VR hat Samsung das Erlebnis Millionen Smartphone-Nutzern zugänglich gemacht.
Die größte Hürde für ein nahtloses VR-Erlebnis
Als ausgesprochener VR-Fan habe ich in den vergangenen Jahren die meisten der Brillen auf dem Markt getestet – ganz gleich, ob HTC Vive, PlayStation VR oder Daydream View. Etwas abgewinnen konnte ich dabei den meisten dieser Brillen aber es gibt auch Dinge, die mich bis heute stören. Dau zählt vor allem die Tatsache, dass die Brillen bislang entweder einen PC oder ein Smartphone brauchten, um zu funktionieren. Die Kopplung an ein externes Gerät war zumindest für mich bisher immer eine gewisse Hürde, die mich in vielen Situationen davon abgehalten hat, einfach mal zwischendurch einen Abstecher in die Virtuelle Realität zu machen.
Genau diese Hürde soll mit der neuesten VR-Brille der Facebook-Tochter Oculus verschwinden. Die Oculus Go funktioniert vollkommen autark und benötigt somit weder einen PC noch ein Smartphone, um das Eintauchen in virtuelle Welten möglich zu machen.
Oculus Go ist Brille & VR-Computer in einem Gerät
Genau genommen ist die Oculus Go nämlich selbst ein kleiner VR-Computer. Im Inneren der Brille sitzt ein Prozessor-Chip des Herstellers Qualcomm, wie er auch in unzähligen Smartphones oder Tablets zum Einsatz kommt. Außerdem verfügt das Headset über 3 Gigabyte Arbeitsspeicher und einen internen Speicher von entweder 32 oder 64 Gigabyte für Apps und weitere Inhalte.

Für das Bild sorgt ein 5,5-Zoll-großes LC-Display, das mit einer Auflösung von 2560 × 1440 Pixeln sogar etwas schärfer ist als das der Oculus Rift. Auch die Linsen wurden überarbeitet, sodass die Oculus Go insgesamt ein merklich besseres Bild mit deutlich verringertem Fliegengitter-Effekt liefert als die Rift oder die HTC Vive.
Als Software kommt eine von Oculus eigens angepasste Version von Android zum Einsatz, die jedoch bis auf die grundlegende Architektur nur wenig mit dem von Google angebotenen Android zu tun hat und viel weniger offen ist. Apps kommen beispielsweise nicht aus dem Google Play Store auf das Gerät, sondern aus dem Oculus Store.
Einschalten, aufsetzen & loslegen
Weil die Oculus Go technisch schon alles an Bord hat, was für das Eintauchen in die Virtuelle Realität benötigt wird, ist ihre Handhabung ziemlich einfach. Tatsächlich reicht es schon, die Brille einfach einzuschalten und sie aufzusetzen, um sofort mittendrin im VR-Erlebnis zu sein. Das dauert in der Praxis gerade einmal 30 Sekunden, was für schnelle und kurzfristige Abstecher ins VR-Land unfassbar praktisch ist.

Lediglich für die Einrichtung wird einmal ein Smartphone benötigt, wo über die Oculus-App für Android oder iOS ein Konto angelegt und die Verknüpfung zur Brille hergestellt werden muss. Natürlich wird das Headset dabei auch mit dem heimischen WLAN verbunden. Später ist es nicht mehr notwendig, die Smartphone-App zu verwenden – die Oculus Go lässt sich komplett über ihr eigenes Interface steuern und verwalten.
Keine Bewegungsfreiheit im virtuellen Raum
Gesteuert wird die Oculus Go über den beiliegenden Controller, der sehr akkurat funktioniert und das Interagieren mit Objekten im virtuellen Raum ermöglicht. Ein echtes Eindringen in den Raum, wie etwa bei der HTC Vive, unterstützen aber weder die Oculus Go noch der Controller. Das heißt konkret: Als Nutzer kann ich mich zwar komplett um 360 Grad drehen, aber nicht selbst in der Virtuellen Realität herumlaufen. Das Erlebnis ähnelt damit dem von Samsung Gear VR und Google Daydream.
Überraschend gute Bildqualität
Wer sich mit dieser Einschränkung allerdings abgefunden hat, findet viel Positives an der Oculus Go. Zunächst einmal wäre da das schon erwähnte Display, das in der Tat sehr gut aussieht und fast alle anderen bisherigen VR-Brillen in den Schatten stellt. Verschwommene und nicht leserliche Texte oder Menüs sind mir in mehreren Wochen mit der Oculus Go jedenfalls nicht untergekommen. Selbst recht textlastige Rollenspiele konnte ich mit der Brille problemlos spielen.

Von der überraschend guten Darstellung profitieren aber auch Videos und Online-Inhalte. Die Netflix-App beispielsweise sah in einer VR-Umgebung noch nie so gut aus wie auf der Oculus Go. Wer mit der Brille ganz tief in seine Lieblingsfilme und -Serien eintauchen möchte, setzt die Go auf und genießt diese in einem virtuellen Wohnzimmer auf einem virtuellen Riesen-Bildschirm – richtig cool!
Sogar das Surfen im Netz hat mir dank des scharfen Screens erstmals mit einer VR-Brille Spaß gemacht. In den Weiten des Internets lassen sich sogar so einige VR-Videos entdecken, die mit der Oculus Go problemlos in 360-Grad-Ansicht abgespielt werden können.
Viele Apps sind bereits zum Launch erhältlich
Auch das Angebot an Spielen und Apps kann sich durchaus sehen lassen. Neben Facebooks eigenen Social-Apps kann auch Netflix durchaus als Killer-Anwendung durchgehen. Ganz allgemein profitiert die Oculus Go von der Tatsache, dass ihre Software-Basis auf einer Android-Plattform aufgebaut wurde und es für Entwickler damit besonders leicht ist, Apps, die es bereits für Samsung Gear VR gibt, dafür umzusetzen. Zudem lassen sich neue Apps mit vergleichsweise geringem Aufwand parallel für mehrere Plattformen wie Gear VR, Daydream und eben Oculus Go programmieren.
Das Ergebnis ist ein Software-Angebot, das zwar nicht so viele richtig neue Launch-Titel beinhaltet, wie man sich das vielleicht für eine neue Plattform wünscht, dafür aber gleich zum Start über einen großen Backkatalog verfügt. Ein paar besondere Highlights möchte ich hier auch nennen – zum Beispiel das Stealth-Adventure "République VR", der knuffige Plattformer "Along Together", der witzige Wave-Shooter "B-Team" und das Weltraum-Actionspiel "Anshar Online".
Letzteres ist übrigens auch ein Beispiel für den neuen Cross-Play-Ansatz von Oculus. Den Online-Multiplayer-Titel können Besitzer von Gear VR, Oculus Rift und Oculus Go nämlich gemeinsam spielen. Das erweitert die bislang noch kleine Spielerbasis von VR-Games und schafft eine größere Community. Ein cleverer Schachzug des Unternehmens, der zudem auch noch die eigene Plattform insgesamt stärkt.
Viele Stärken & eine große Schwäche
Verarbeitungsqualität, Tragekomfort und auch Sound sind bei der Oculus Go auf hohem Niveau. Da die Brille über interne Stereo-Lautsprecher verfügt, die rechts und links in die Tragebügel eingearbeitet sind, ensteht sogar ohne angeschlossene Kopfhörer die Illusion eines räumlichen Klangerlebnisses.

Und doch gibt es auch eine Schwäche, die dringend angesprochen werden muss: den Akku. Der fällt nämlich für meinen Geschmack viel zu klein aus und hält mit seinen 2600 mAh gerade einmal zwei Stunden durch. Hier rächen sich natürlich das hochauflösende Display und die rechenintensiven VR-Anwendungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Oculus Go nicht über eine Schnellladefunktion verfügt und es somit bis zu drei Stunden dauert, bis der Akku wieder voll ist. Klar kommt es bei einer VR-Brille ganz massiv auf Größe und Gewicht an, aber dennoch hätte ich mir schon ein bisschen mehr Akku-Power gewünscht.
Fazit: Die erste massentaugliche VR-Brille
Nach mehreren Wochen, in denen ich die Oculus Go nun schon ausprobieren konnte, bin ich ziemlich beeindruckt von dem, was Oculus und sein Hardware-Partner, das chinesische Unternehmen Xiaomi, hier auf die Beine gestellt haben. Die Oculus Go macht das VR-Erlebnis erstmals unabhängig von teuren Rechnern, aufwändig verkabelten Spielekonsolen und Smartphones.
Alles, was man als Nutzer zum Eintauchen in die virtuellen Welten braucht, ist hier schon dabei. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass dieses Gerät schon für eine UVP von 219 Euro angeboten wird, dürfte klar werden, warum ich die Oculus Go für einen ziemlich großen Wurf halte. Diese VR-Brille hat das Potenzial, eine ganz neue Zielgruppe abseits der Early Adopter anzusprechen, die sich bislang für VR-Technologie interessiert haben.

Klar, aufgrund der fehlenden Möglichkeit, sich im Raum zu bewegen, sind ähnlich immersive Erlebnisse wie mit einer HTC Vive oder eine Oculus Rift noch nicht möglich. Der Wegfall sämtlicher Kabel und die Möglichkeit, die Go innerhalb weniger Sekunden mal eben schnell in Betrieb zu nehmen, machen diesen Nachteil aber wieder wett.
Auch die Anzahl der wirklich gelungenen VR-Erlebnisse hat mich überrascht. Zwar gibt es noch überwiegend kurze VR-Spiele aber dafür halten sich auch die Preise im Oculus Store vornehm zurück. Die meisten Apps kosten nicht mehr als 5 bis 10 Euro und laden damit auch schon mal zu einem Spontankauf ein.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ VR ohne PC oder Smartphone | - Viel zu kleiner Akku |
+ Hochwertige und durchdachte Verarbeitung | - Keine Bewegung im Raum möglich |
+ Intuitive Bedienung | |
+ Tolles Display |