Die VR-Brille Oculus Quest will das Virtual-Reality-Erlebnis deutlich vereinfachen. Als Standalone-Gerät ohne Sensoren im Zimmer und meterlanges PC-Kabel ist sie faszinierend leicht zu benutzen – aber ist sie auch gut? Warum die Quest zugleich ein Schritt nach vorne und ein Kompromiss mit Luft nach oben ist, liest Du in unserem Test.
Wer bei Google mal nach "the year of VR" sucht, findet heraus, dass mindestens seit 2016 so ziemlich jedes Jahr zum "Jahr, in dem Virtual Reality seinen Durchbruch feiern wird" ausgerufen wurde. Vielleicht habe ich die falschen Freunde, aber Besitzer einer VR-Brille in meinem Umfeld kann ich bequem an fünf ganz un-virtuellen Fingern abzählen.
Warten auf den VR-Durchbruch
So richtig durchgesetzt hat sich die Technik in meiner Erfahrung bislang nicht. Klar, Sony hat mit PlayStation-VR eine halbwegs kostengünstige Plattform geschaffen, um die Technik massentauglich zu machen. In der PC-Gaming-Szene hat das Thema seine Liebhaber. VR-Anwendungen auf Smartphones oder Labo-VR für die Nintendo Switch wirken verglichen mit den Auflösungen und Möglichkeiten "großer" Geräte mittlerweile wie Spielereien – die Technik ist also ordentlich vorangekommen. Aber so ein richtiger Durchbruch sieht noch anders aus.
Vielleicht kann die Oculus Quest daran etwas ändern.

Kein PC, keine Kabel, keine externen Sensoren
Facebooks neue Brille wird die wohl größten Hürden der Virtuellen Realität – den relativ hohen Kaufpreis und die eher dürftige Auswahl an Anwendungen – nicht im Alleingang beseitigen. Aber sie überwindet, wenigstens teilweise, eine andere: die Unhandlichkeit in der Installation und Bedienung.
PSVR-Besitzer wissen etwa, dass dem Sprung in andere Welten erst einmal einige Minuten Hantieren mit Kabelgewirr und Zusatz-Hardware vorausgeht. Auch bisherige Oculus-Modelle und Geräte der HTC-Vive-Serie brauchten Kabel zur Grafikkarte eines laufenden PCs sowie Sensoren im ganzen Raum, die die Position des Trägers erkennen.

Die Oculus Quest benötigt nichts davon. Zum Lieferumfang gehören neben der Brille nur zwei kabellose Controller mit Batterien (einer für jede Hand), ein anklippbarer Abstandhalter für Brillenträger und ein Ladekabel. Um zu spielen, setze ich die Brille auf und sehe erst einmal mein Wohnzimmer als körnige Schwarz-Weiß-Aufnahme, die mir die Kamera an der Front liefert. Ich berühre den Boden mit einem Controller und "zeichne" eine virtuelle Begrenzung um mich herum, um den Spielbereich festzulegen. Dann melde ich mich mit meinem Oculus-Account an – und los geht's.
Virtual Reality als Plug-and-Play-Erlebnis
Die Oculus Quest ist nicht einfach eine VR-Brille, sie ist mehr eine kleine VR-Konsole, die ich auf der Nase trage. Der PC bleibt aus, die Spiele laufen direkt auf Hardware im Gehäuse. Nie war es einfacher und schneller, in eine Runde des fantastischen VR-Rhythmus-Spiels "Beat Saber" zu starten oder sich im virtuellen Achterbahn-Simulator an den Rand des Brechreizes zu begeben.

Auch YouTube-Videos auf der persönlichen Kinoleinwand schauen oder im Internet surfen ist jetzt nicht mehr wesentlich komplizierter als auf einem Smartphone, Tablet oder PC. Gut, es gibt keine Tastatur. Die Eingabe per Bewegungs-Controller funktioniert aber so präzise, dass es für alles abseits vom Tippen langer Texte locker reicht.
Die Controller werden dabei über die Kameras an der Brille getrackt, was gut funktioniert, solange man sie nicht aus dem Sichtfeld (also hinter den eigenen Rücken oder Kopf) bewegt. Besser als Sensoren im ganzen Raum ist das allemal. Das Standalone-Design der Oculus Quest sorgt insgesamt für eine Einfachheit in der Bedienung, die man so mit VR bislang nicht verbunden hat. Sie ist der größte Pluspunkt des Geräts und wer neugierig darauf ist, wie sich Virtual Reality unkompliziert in den Alltag integrieren lässt, kommt an der Quest derzeit kaum vorbei.
Allerdings ist sie kein perfektes Produkt, sondern nur einer von vielen nötigen Schritten in die richtige Richtung.
Technisch moderat, aber ausreichend
Technisch gesehen ist die Oculus Quest ein Kompromiss. Die interne Hardware mit dem Smartphone-Prozessor Qualcomm Snapdragon 835 kommt natürlich nicht an das heran, was moderne PCs leisten können. Die Bildausgabe-Qualität ist nicht hoch genug, um Fliegengitter-Effekte komplett zu vermeiden. Das Bild ist grundsätzlich gut aufgelöst, wirkt im Vergleich mit PC-Brillen wie der ebenfalls neuen Oculus Rift S aber ein bisschen körniger.

Das Sichtfeld ist klar begrenzt, schwarze Ränder muss man in Kauf nehmen – Tunnelblick statt Rundumsicht. Und natürlich ist das mit Elektronik vollgepackte Gerät alles andere als leicht: 580 Gramm, gut 100 Gramm mehr als die neue Rift, wiegt die Oculus Quest – das merkt man auf Dauer schon, auch wenn die Brille dank einstellbarer Kopfgurte und Linsen insgesamt bequem auf dem Kopf sitzt. Die Akkulaufzeit beträgt, je nach genutzter Anwendung, rund zwei bis drei Stunden.
Zum Zocken voll tauglich, für Multimedia nur okay
All das stört zum Glück kaum im Haupt-Anwendungsbereich der Quest, nämlich beim Spielen. Dafür ist die Brille mit ihrem vollwertigen Tracking und den auf Gaming ausgelegten Controllern im Vergleich zur ebenfalls ohne PC funktionierenden Oculus Go deutlich besser ausgestattet. Das rasante "Beat Saber" konnte ich ohne Probleme über längere Zeit spielen, ebenso das gemächlichere Adventure "Journey of the Gods". Einziges Manko: Bei viel schneller Bewegung lockert sich ab und zu das Batteriefach der Controller, ohne dass darunter aber die Funktionalität leidet.
Gewöhnungseffekte und die ständige Bewegung sorgen schnell dafür, dass die Auflösung kein Problem mehr ist. Das Tracking der Controller ist bei normalen Lichtverhältnissen im Innenraum die meiste Zeit sehr präzise, der Sound auch über die integrierten Lautsprecher laut und kraftvoll genug. Eine Kopfhörerbuchse gibt es aber auch.
Schwieriger wird's, wenn ich in Ruhe ein Video bei YouTube oder Netflix schauen will. Stillsitzen und auf bewegte Bilder starren – das macht mit der Quest noch nicht so richtig Spaß. Mir wurde nach einigen Minuten mit den niedrig aufgelösten Videos schwummerig, außerdem machen sich das Gewicht und der Geruch nach neuwertiger Kunstfaser beim "passiven" Benutzen der Brille schnell bemerkbar. Letzterer verschwindet aber mit der Zeit bestimmt.
Eingeschränkte Spiele-Bibliothek
Die beste Anwendung für die Oculus Quest ist derzeit also Gaming, doch auch hier gibt es den einen oder anderen Haken. Weil die Rechenleistung der Brille beschränkt ist, laufen viele Spiele, die für die "große Schwester" Oculus Rift erschienen sind, nicht auf dem Standalone-Gerät. Der Spielekatalog ist also derzeit noch deutlich kleiner.

Immerhin: Wer schon einmal eine Oculus-Brille hatte und Games auf seinem Account gekauft hat, kann diese in vielen Fällen auch auf der Quest spielen, wenn sie kompatibel sind. Bei einigen Titeln (darunter "Beat Saber", "Superhot" und "Moss") ist diese Cross-Buy-Funktion laut UploadVR aber nicht gegeben – Du musst die Spiele für die Quest erneut kaufen.
Die Brille optional doch mit dem PC zu verwenden und etwa mit Steam-Games zu nutzen, funktioniert derzeit nur über Drittentwickler-Apps und mit erheblichen Qualitätseinbußen. Die Standalone-Lösung ist nur als solche gedacht, was große Einbußen an Flexibilität mit sich bringt. Die haben andere VR-Brillen allerdings auch – nur eben in anderen Bereichen.
Fazit: VR-Gaming muss künftig auf der Oculus Quest aufbauen
Die Oculus Quest bietet das derzeit unkomplizierteste, zugänglichste und portabelste VR-Gaming-Erlebnis. In der technischen VR-Oberliga spielt sie da natürlich nicht mit, ist für das Spielen vieler Titel aber völlig ausreichend ausgestattet. Dass viele VR-Spiele oft eher Minispiele als vollwertige Erlebnisse sind, ist nicht die Schuld der Quest, aber natürlich ein mögliches Hindernis. Dass man diese Spiele nun aber theoretisch sogar in der U-Bahn, am Strand oder im Flugzeug spielen könnte, ist ein Verdienst, das man der Oculus Quest hoch anrechnen muss.

Für VR-Gaming-Interessierte ohne PC in Top-Ausstattung ist die Brille eine absolut zufriedenstellende Möglichkeit, in Virtual Reality einzusteigen. Wer vor allem für eine Runde zwischendurch in die Virtuelle Realität abtauchen möchte und dabei nicht unbedingt epische Rollenspiele in fotorealistischer Grafik braucht, ist ebenfalls gut mit der Brille beraten.
Für alle anderen ist die Quest ein Blick in die Zukunft von Virtual Reality. Wenn die Technik wirklich im Gaming- und Entertainment-Mainstream ankommen soll, muss sie auf der spontanen Benutzbarkeit und intuitiven Bedienung der Brille aufbauen. Noch bequemerer Tragekomfort und bessere Technik kommen dann hoffentlich mit der Zeit.
So klappt's dann vielleicht endlich mit dem großen Durchbruch.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
Spontanes, mobiles, vollwertiges VR ohne Kabel – das große Plus der Oculus Quest! | Zum Anschauen längerer Videos weniger gut geeignet |
Präzises Tracking, auch bei schnellen Spielen | Controller-Batteriefach lockert sich |
Völlig ausreichende Bildqualität für Gaming | Spielebibliothek noch recht klein, Cross-Buy mit anderen Oculus-Brillen nur zum Teil möglich. |