Mit "Persona 5" ist der neueste Teil der abgedrehten JRPG-Reihe exklusiv für PS4 und PS3 erschienen. Wer für Anime und Manga brennt, sollte sich das Spiel aus dem Hause Atlus unbedingt ansehen – ob das Rollenspiel auch für andere Gamer taugt, soll unser Test zeigen.
An aufwändigen Rollenspielen herrscht gerade kein Mangel. Ob die neue Space-Oper "Mass Effect: Andromeda", das Endzeitabenteuer "Horizon Zero Dawn", der harte Fernost-Slasher "Nioh" oder das stylishe "NieR: Automata" – zurzeit ist für jeden Geschmack etwas dabei. Dabei könnte "Persona 5" aus der Schmiede Atlus als typisch japanischer Exot schnell untergehen. Allerdings hat das Japano-RPG einiges zu bieten und lohnt sich auch für Genreeinsteiger.
Es ist wie in einem guten Mysteryfilm mit Storytwist: Hier ist nichts wie es scheint. Wir befinden uns im Tokio der Jetztzeit und sind mit vordergründig normalen Schülern konfrontiert. Unser Held ist namenlos, eine clevere Entscheidung der Spieldesigner, denn er wirkt dadurch wie ein kleines stummes Rad in einer riesigen Maschine. Gerade auf die Shujin-Akademie gewechselt, gibt es schnell Ärger für ihn. Denn in "Persona 5" gibt es auch eine Parallelwelt, eine metaphysische Zwischenebene. Und auf die wechselt man – natürlich zeitgemäß – im Spiel per Smartphone-App. Hier wird aus der Außenseitergruppe um den Protagonisten eine Helden-Gang. In der Parallelwelt, dem Metaverse, nehmen Träume und Hoffnungen der Menschen Gestalt an, aber auch ihre Ängste und Korruptionen. Das Resultat: Monster en masse.
Gemeinsam mit seinem Freund Ryuji bildet der Held die Gruppe "Phantom Thieves of Hearts", geleitet von der Katzengestalt Morgana, die als Hilfe im Metaverse fungiert. Natürlich bleibt es nicht dabei, die Party wird nach und nach durch weitere Schüler erweitert, die den üblichen Mangaklischees entsprechen: der Computer-Nerd, die reiche Erbin, die verstoßene Viertel-Amerikanerin und so weiter. Das wirkt zwar abgeschmackt, ist aber typisch für Anime und macht dank der gelungenen Charakterzeichnung das Spiel bunt und lebhaft. Zumindest wird der Spieler hier nicht mit einer unisono schwarzen royalen Leder-Look-Bande konfrontiert wie bei "Final Fantasy XV" – "Persona 5" ist knallig, das gehört zu den Markenzeichen des Spiels.
Kämpfen, Leveln, Jobben, Flirten, Lernen ... ?!
Das Spannende hier ist aber nicht nur die Parallelwelt, in der sich der Held zurechtfinden und die realen Personen "bekehren" kann, indem er ihre materialisierten Ängste besiegt. Dazu kommt der wirkliche Schulalltag, immerhin ist der Neuling unter strenger Beobachtung der Mitschüler und des Lehrers. Besonders Letzterer ist ein spezieller Fall, im Metaverse nämlich ein grausamer König, und auch sonst ein alles andere als angenehmer Zeitgenosse. Es ist angeraten, auch den Alltag in der Pauke einigermaßen reibungslos rumzukriegen, was die andere Hälfte in "Persona 5" ausmacht. Es droht sonst der Schulverweis, was ein sicheres Game Over bedeutet.
Damit es in den Kämpfen im Metaverse nicht soweit kommt, haben Held und Helfer allerlei magische und handfeste Fertigkeiten auf Lager. Besonders prägend natürlich: die Personas. Das sind herbeirufbare Überwesen, vielleicht am besten vergleichbar mit einer Mischung aus den Beschwörungen eines „Final Fantasy“ und richtig, richtig gut aufgepowerten Pokémon. Die Kommandos lassen sich in den rundenbasierten Kämpfen einfach über die Aktionstasten auslösen, komplizierte Handgriffe muss hier niemand einstudieren. Das bestärkt den sehr einsteigerfreundlichen, temporeichen und flüssigen Charakter der Kämpfe, die einfach stylish ohne Ende sind. Das Gegnerdesign ist fantasievoll und in einem typischen Animestil gehalten, der schon ab und an mal an Highlights wie „Neon Genesis Evangelion“ oder „Scrapped Princess“ erinnert. Die sogenannten Palaces, quasi die Seelen-Dungeons in der Parallelwelt, erlauben auch Schleichmanöver und sind individuell designt: Das hält bei Laune.
Die satten rund 80 Stunden Spielzeit sind aber nicht nur mit Schnetzeleien gefüllt, es geht eben auch um einen Alltagssimulator, in dem man sich etwas Taschengeld dazuverdienen, ins Kino oder ausgehen oder sogar einfach nur lernen kann. Hinzu kommen die üblichen RPG-typischen Gespräche mit Nebencharakteren oder schrulligen Figuren, auf die Du während Deines Weges durch die City triffst. Rollenspieler wissen: this is where the Magic happens. In den Nebenmissionen baust Du Deinen Charakter auf, und zudem wachsen Dir die Figuren und ihre Lebenswelt stärker ans Herz. Zudem gibt es etwa für gute schulische Leistungen sogar Items, und mit gesteigertem Mutwert eröffnen sich ganz neue Flirtchancen.
Das aufregende Leben der Desperate Schoolkids
Um das Stichwort Pokémon noch mal aufzunehmen: Im serientypischen „Velvet Room“ verwaltest Du Deine Personas, deren Reihen Du auch um besiegte Gegner erweitern kannst – gotta catch ’em all! Verwalten heißt hier nicht nur, dass Du Dir Deine Helfer anschauen, sondern sie auch opfern, hochleveln oder sogar fusionieren kannst, um noch mächtigere Oschis zu erschaffen. Die sind gerade mit ihren jeweiligen Elementfähigkeiten etc. für die Bosskämpfe wichtig, nur mit Draufhauen allein ist es nicht getan. Dafür gibt es dann aber umso spektakulärere Scharmützel zu bestaunen; „Persona 5“ ist hervorragend dafür geeignet, zu zweit auch mal einfach dem aktiven Spieler zuzuschauen und dem Geschehen zu folgen.
Dafür sorgt alleine schon die stilsichere Präsentation, die an klassische Spiele im Comic-Look anschließt – man denke an „Viewtiful Joe“, „Overwatch“ oder „Ni No Kuni“. Die auf Japano-Punkpop getrimmte Musik ist zwar meist nicht der Bringer, aber die Grafik ist in ihrem völlig hyperaktiven, abgedrehten Vollgas-Farbtopf-Overdrive ein Augenschmaus. Allerdings muss man sich daran erst mal gewöhnen, die ganzen Details sind anfangs schon etwas überfordernd. Die eingestreuten Anime-Zwischensequenzen sind sauber animiert, hätten höchstens hier und da ein paar mehr Frames vertragen können. Insgesamt ist „Persona 5“ ein Elitetitel in Sachen Design.
"Persona 5"-Fazit: Wenn Stil auf Inhalt trifft
Freut euch, Freunde abgefahrener Animecharaktere und psychologischer Symbolik in wendungsreichen Storys: Das ist eure neue Referenz. „Persona 5“ ist das sytlishste und zugleich inhaltsstärkste Japano-RPG der letzten Jahre. Einen kleinen Abzug gab es im Test für fehlende deutsche Texte, hier ist Englisch Pflicht. Für echte Anime-Fans gibt es allerdings auch die japanische Sprachausgabe als Gratis-DLC. Das war es aber dann auch mit Kritikpunkten – Wir sehen uns im Metaverse!