"Pillars of Eternity 2: Deadfire" setzt das Old-School-Rollenspiel auf dem Todesfeuer-Archipel fort. Die sonnige Inselgruppe lädt zu Abenteuern auf dem Meer und an Land ein. Im Hands-on-Test der Beta-Version haben wir uns angesehen, ob die Neuerungen überzeugen.
Setting und Handlung: Es war einmal in der Karibik
Im Gegensatz zum düsteren ersten Teil spielt "Deadfire" im titelgebenen Todesfeuer-Archipel der gemeinsamen Welt Eora. Dabei handelt es sich um eine tropisch anmutende Inselkette, die ein wenig an die karibische Spielwelt des Adventure-Klassikers "Monkey Island" erinnert. Der totgeglaubte Gott Eothas kehrt dort als riesige Statue zurück und zerstört alles in seinem Weg. Es ist Deine Aufgabe als Wächter von Caed Nua, Eothas Motiven auf den Grund zu gehen und ihm entweder zu helfen oder ihn zu bekämpfen.

Das ist nur der Auftakt für verschiedene Abenteuer in einer frischen Spielwelt, die etwa so groß wie die des ersten Teils ist. Die Inselkette umfasst eine große Stadt, mehrere Siedlungen, Piraten, Vulkane und wüstenähnliche Regionen. Nicht zuletzt finden Deine Abenteuer auch auf dem Meer statt, wo Du mit einem eigenen Schiff und einer zugehörigen Mannschaft unterwegs bist.
Die Quests der Beta sind schön abwechslungsreich. Wir lösten zum Beispiel einen Kriminalfall rund um eine falsche Verdächtigung, einigten uns friedlich mit echsenähnlichen Flussbewohnern, die ihre Nachkommen vermissten, und gaben einer Insel ihren Anschluss an den Welthandel zurück. Obendrein bezwangen wir die Feinde auf einer Wüsten-ähnlichen Insel und in einem Dungeon, bis wir schließlich mit den Geistern Verstorbener plauderten.

Urteil: Fans des düsteren ersten Teils mit seinem kontinentalen Mittelalter-Setting müssen sich erst an die tropische Inselgruppe gewöhnen. Die Beta verspricht bereits eine stilvolle Umsetzung mit insularen Dorfbewohnern, Palmen, Dünen, Piraten und Co.
Präsentation: Altbacken, aber aufgefrischt
Es führt kein Weg daran vorbei: "Pillars of Eternity 2: Deadfire" wirkt mit seinen 2D-Hintergründen altbacken. Das Spiel erinnert an Klassiker wie "Baldur's Gate 2", die grafisch aber schon lange überholt wurden. An aktuelle RPGs wie "Divinity: Original Sin 2" kommt "Deadfire" optisch längst nicht heran. Wo das gesagt ist: Beim zweiten Teil sind durchaus grafische Fortschritte zu verzeichnen.
Zum Beispiel sorgt ein neues Beleuchtungssystem dafür, dass die 3D-Figuren nahtloser in die 2D-Hintergründe eingefügt werden. Es gibt nun einen Tag-Nacht-Wechsel und ein dynamisches Wettersystem mit passenden Animationen wie vom Wind durchgeschüttelte Palmen. Animiert sind auch die Tier-Begleiter wie ein Wolf, der sogar seinen Schwanz jagt, wenn er länger herumsteht.

Überhaupt ist nun mehr los auf der Spielwelt. Die Figuren stehen nicht länger nur herum und warten darauf, dass Du sie ansprichst. Vielmehr gehen sie ihren alltäglichen Tätigkeiten nach. Die offensichtlichste Verbesserung betrifft wohl die Zaubersprüche. Sie erzeugen ein viel aufwändigeres Effekt-Feuerwerk als noch im Vorgänger.

Das Meer wirkt dank Animationen wie Wellen, die Boote auf und ab bewegen, dynamisch. Du kannst übrigens das Design Deiner Schiffe optisch anpassen, während sie über die Wellen gleiten. Auch bei der Musikuntermalung sind Verbesserungen auszumachen. Während nur 40 Minuten der Musik des Vorgängers von einem Orchester eingespielt wurden, ist es nun der ganze Soundtrack. Bei guter Stimmung singt Deine Mannschaft laut Entwickler sogar launige Shantys.

Urteil: Auch die Grafik von "Pillars of Eternity 2: Deadfire" ist mit ihren 2D-Hintergründen längst nicht mehr zeitgemäß. Die optischen Detail-Verbesserungen wissen aber durchaus zu gefallen und lassen die Welt stimmungsvoller und lebendiger wirken.
Gameplay: Eine Frage der Balance
Der Entwickler verspricht, dass die verschiedenen Fraktionen des Spiels nun eine größere Rolle spielen. Sie sind demnach nicht einfach gut oder böse. Der Spieler kann sich jeder Fraktion anschließen oder sich mit ihr verbünden und ihre Entwicklung dann mit seinen Entscheidungen beeinflussen. In der kurzen Beta konnten wir die Entwicklung der Fraktionen allerdings noch nicht nachvollziehen.
Offensichtlich ist dagegen bereits der Umstand, dass das eigene Team, die "Party", nun aus fünf statt sechs Mitgliedern besteht, die der Spieler aus sieben erhältlichen Begleitern auswählen kann. Die kleinere Party soll sich einfacher verwalten lassen. Das Klassensystem wurde aufgefrischt und jeder Figur steht nun die Fähigkeit "Ermächtigung" zur Verfügung. Sie überlädt im Gefecht die Talente oder erneuert die Rohstoffe, was aber nur einmal im Kampf und nur in ein paar Kämpfen nacheinander möglich ist. Durch eine Rast lässt sich die Ermächtigung wieder aufladen.

Schließlich gibt es ein neues Begleitersystem, das die persönlichen Beziehungen und Interaktionen aufzeigt. Auf dem Ruf-Bildschirm siehst Du, wie gewogen Dir die Haupt- und Unterfraktionen des Spiels sind und wie Deine Begleiter zu Dir stehen. Die Beta war zu kurz, um hier mehr Einfluss zu nehmen und größere Veränderungen auszumachen, im Ansatz wirkt das System aber gelungen.
In der Beta war jedoch bereits eine große Veränderung bei den Kämpfen zu beobachten. Diese dauern nun erheblich länger und sind anspruchsvoller geworden, selbst auf niedrigeren Schwierigkeitsstufen, mit Ausnahme der niedrigsten. Es empfiehlt sich aktuell noch nicht, die künstliche Intelligenz mit der Steuerung der Begleiter in Kämpfen zu beauftragen, denn selbst, wenn Du kein RPG-Experte bist, wirst Du durch eigene Entscheidungen in der Regel deutlich erfolgreicher sein. Wenn Du die KI der Begleiter dagegen detailliert anpasst, kannst Du Deine Gefährten eher sich selbst überlassen. Selbst dann ist Deine eigene Intelligenz der KI aber noch weit voraus.

Durch die geringere Spielgeschwindigkeit in den Gefechten und den höheren Schwierigkeitsgrad wirken die Kämpfe leider etwas zäh. Du beißt Dir selbst an normalen Gegnern manchmal die Zähne aus. Das kenne ich aus dem Vorgänger noch anders, wo das Balancing und Spielfluss einen runderen Eindruck gemacht haben. Allerdings dürfte sich das bis zum Release noch ändern.

Urteil: Das neue Begleitersystem und die größere Rolle der Fraktionen sind vielversprechend. An der KI der Gefährten und an Länge, Schwierigkeitsgrad und Balancing der Kämpfe muss Obsidian bis zum Release noch arbeiten.
Die Schifffahrten: Textwüsten auf hoher See
Eine wichtige Neuerung von "Deadfire" sind die Erkundungsfahrten im Meer sowie die Seeschlachten. Du reist nämlich mit Deinem eigenen Schiff auf einer Weltkarte von Insel zu Insel. Du kannst sogar mehrere Schiffe kaufen und zwischen ihnen wechseln. Mannschaftsmitglieder wirbst Du an den Häfen an und lernst sie auch in Quests kennen. Auf Deinen Streifzügen zu Land solltest Du außerdem Nahrung, Wasser und Werkstoffe für Dein Schiff erwerben.

Wenn Dir nämlich die Verpflegung ausgeht, bekommt Deine Mannschaft üble Laune, verliert ihre Motivation oder segnet sogar das Zeitliche. Neben Deiner Figur und den Gefährten musst Du also auch Dein Schiff und Deine Mannschaft verpflegen und aufrüsten. Im Gegenzug erfüllen die Crew-Mitglieder verschiedene Aufgaben an Deck, so gibt es Seeleute, einen Steuermann, einen Navigator, Kanoniere und Ärzte.

Zwar singt Deine Mannschaft lustige Shantys, wenn sie motiviert und gut versorgt ist, aber lustig ist die Seefahrt nicht immer. So triffst Du auf Piraten, kämpfst gegen feindliche Fraktionen und gerätst beizeiten in einen Sturm. Die Seeschlachten finden in Form eines rundenbasierten Strategiespiels statt, das an alte Textadventures erinnert. Du erfährst nämlich ausschließlich anhand von Texten und Schwarz-Braun-Illustrationen, was gerade vor sich geht. Auf ein Effektgewitter mit hollywoodreifen Explosionen musst Du verzichten. Auf den folgenden Screenshots siehst Du gekürzt, wie eine typische Seeschlacht verläuft:
Werden Mannschaftsmitglieder in den Kämpfen verletzt, musst Du sie zum Arzt schicken. Notfalls kannst Du den Seeschlachten mit etwas Glück entkommen. Im Verlauf der Textadventure-Gefechte auf hoher See hast Du unter Umständen auch die Option, ein feindliches Schiff zu entern. Die folgenden Kämpfe tragen sich dann auf den Decks zu und entsprechen den Echtzeit-Kämpfen an Land.
Urteil: Die Schifffahrten ergänzen das RPG um Elemente, die aus Strategiespielen entlehnt wurden. Zwar wirken die Seeschlachten dank Textadventure-ähnlicher Präsentation noch altbackener als die Ausflüge zu Land, aber wer sich daran nicht stört, ergötzt sich an der Abwechslung und der zusätzlichen Spieltiefe.
Fazit: Vielversprechender Nostalgie-Trip

Zu den 2D-Hintergründen im "Baldur's Gate"-Stil aus dem Vorgänger kommen nun also Seeschlachten, die wie noch ältere Textadventures funktionieren. Ist das Nostalgie oder ist die Zeit schon an "Pillars of Eternity II: Deadfire" vorbeigesegelt? Ehrlich gesagt: Mich persönlich stört die angestaubte Grafik schon etwas. Das Neue ist nicht immer, aber manchmal doch einfach besser. Zudem muss ich mit dem frischen Karibik-Setting noch warm werden, aber das wird jeder Spieler anders beurteilen.
Dennoch habe ich die Beta in wenigen Tagen durchgespielt und bin nun mit dem Vorgänger beschäftigt, wofür es auch eine Erklärung gibt: Das zeitlose Gameplay und die abwechslungsreichen Quests, die in eine spannende Rahmenhandlung eingebettet sind. An Balancing und KI muss Obsidian noch arbeiten und selbst die weniger bedeutenden Kämpfe dauern zu lange. Die anderen Neuerungen wirken jedoch gelungen, wie die lebendigere Welt, oder zumindest vielversprechend, wie das Begleitersystem.

Ich habe keinen Zweifel, dass "Pillars of Eternity II: Deadfire" am Ende ein gutes Oldschool-Rollenspiel wird. Ob es jedoch den Vorgänger aus 2015 übertreffen kann, muss die fertige Version beweisen. Das Spiel erscheint am 3. April für Windows-PC, Mac und Linux, später soll es auch einen Konsolen-Release geben.