Mit dem Pixel 3 präsentiert Google ein Smartphone, das sich vor allem über seine Software definiert. Im Test entpuppte sich einmal mehr die Kamera als das große Highlight.
- Design und Hardware sind nicht die großen Selling-Points
- Google baut seine Hardware um die Software
- Mehr als nur Android: Die Software-Features des Pixel 3
- Die gleiche alte Kamera mit neuen Tricks
- Das Beste kommt erst noch: Der Nachtmodus
- Eher ein Pixel 2.5 als ein Pixel 3
- Fazit: Wenn Software ein Smartphone ausmacht
Bereits seit der ersten Generation sind die Pixel-Smartphones von Google dafür bekannt, mehr zu bieten, als es zunächst den Anschein hat. Beim ersten Modell von 2016 war es die etwa die Integration des Google-Assistant, bei zweiten kamen weitere smarte Features wie der druckempfindliche Rahmen und die automatische Musikerkennung hinzu. Immer spielte zudem die Kamera eine Hauptrolle, die mit nur einer Linse äußerlich unscheinbar war, aber dafür bessere Bilder knipsen konnte als die meisten Konkurrenten mit zwei oder drei Linsen.
Auch bei meinem Test des neuen Pixel 3 konnte ich den gleichen Effekt wieder beobachten: Auch in diesem Smartphone steckt mehr, als es zunächst den Anschein hat. Die eigentliche Frage, die sich am Ende stellte, war deshalb eher die, ob das Upgrade gegenüber dem Vorgänger groß genug ausfällt. Aber der Reihe nach ...
Design und Hardware sind nicht die großen Selling-Points
Ein Problem der Pixel-Geräte ist seit jeher der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Zum Marktstart Ende Oktober oder Anfang November landen die Smartphones nämlich beispielsweise noch mit einem Prozessor im Handel, der am Ende seines Entwicklungszyklus steht.
Keine Frage, der Snapdragon 845 ist nach wie vor eine Power-Maschine und ein Garant für tolle Performance, aber er hinkt brandneuen 7-Nanometer-Chips wie dem A12 Bionic im iPhone XS oder dem Kirin 980 im Huawei Mate 20 genau genommen um eine Generation hinterher. Auch der Arbeitsspeicher bewegt sich mit 4 GB RAM eher in konservativen Regionen, da die meisten Flaggschiff-Smartphones im Android-Segment mittlerweile mit 6 GB oder mehr ausgestattet sind.
Der Akku fällt mit 2915 mAh beim kleinen Modell beziehungsweise 3430 mAh beim Pixel 3 XL ebenfalls nicht so üppig aus, hielt im Test aber erfreulich lange durch. Bei moderater Nutzung kann man mit dem Pixel 3 sogar fast zwei Tage mit nur einer Ladung auskommen, was sehr gut ist. Apropos Akku: Der lässt sich dank der Glas-Rückseite nun endlich auch kabellos per Induktion aufladen und unterstützt handelsübliche Qi-Ladepads.

Auch das Design gewinnt im Jahr 2018 keinen Innovationspreis mehr. Das von mir getestete Pixel 3 markiert zwar einen Fortschritt gegenüber dem Pixel 2 und besitzt jetzt einen großen 5,5-Zoll-Screen im 18:9-Format, wirkt aber im Vergleich zu anderen aktuellen Flaggschiffen dennoch eher klein und fast schon ein wenig altbacken. Das trifft aber nicht auf die Bildqualität zu, denn die ist so gut wie bei noch keinem Pixel-Smartphone bisher. Tatsächlich bewegt sich Google mit der dritten Pixel-Generation bei der Displayqualität endlich auf Augenhöhe mit Apple und Samsung.

Auf der Rückseite behält der Hersteller sein bisheriges Signature-Design mit der zweigeteilten Optik bei. Allerdings besteht das Back-Panel erstmals komplett aus Glas, das im unteren Bereich leicht angeraut ist. Diese besondere Oberfläche verleiht dem Pixel 3 eine ganz eigenwillige und sehr edle Haptik und sie erweist sich zudem als kaum anfällig für Fingerabdrücke. Leider gilt das aber nicht für Kratzer. Schon oberflächlicher Kontakt mit harten Gegenständen erzeugt recht auffällige Schleifspuren. Wasser und Staub sind hingegen kein wirkliches Problem für das Pixel 3. Dank IP68-Zertifizierung sollte es bis zu 30 Minuten in einer Wassertiefe von einem Meter durchhalten können.

Insgesamt sind aus meiner Sicht daher weder das Design noch die Hardware-Specs die großen und zentralen Selling-Points für das Google Pixel 3 und der erste Eindruck, den das Smartphone aufgrund dieser beiden Punkte hinterlässt, dürfte für viele eher ernüchternd sein. Aber wie eingangs schon erwähnt, trügt der erste Anschein beim Pixel 3 ziemlich stark.
Google baut seine Hardware um die Software
Anders als bei den meisten Smartphone-Herstellern habe ich bei Google tatsächlich den Eindruck, dass nicht Hardware, sondern Software im Zentrum der gesamten Entwicklung steht. Und bei der Software sind es für Google nach wie vor hauptsächlich die Themen Künstliche Intelligenz und Fotografie, die im Fokus stehen.
Natürlich baut beim Pixel 3 alles auf Android 9.0 Pie. Die auffälligste Neuerung des Betriebssystems ist dabei die überarbeitete Navigation. Google setzt beim Pixel 3 erstmals ausschließlich auf eine Gestensteuerung und hat die gewohnte Android-Navigationsleiste dafür verbannt. Ähnlich wie beim iPhone X bewegen sich Nutzer nun über Wischgesten durch die verschiedenen Menüs des Smartphones und wechseln zwischen Apps.

Aber keine Angst: Der allseits beliebte "Zurück"-Button ist weiterhin vorhanden. Insgesamt funktioniert die Gestensteuerung gut und intuitiv. Nur den Umstand, dass man zum Öffnen des App-Drawers nun zwei Mal von unten nach oben wischen muss, finde ich nicht wirklich gelungen. Das sollte sich Google nochmal anschauen.
Mehr als nur Android: Die Software-Features des Pixel 3
Android hin oder her: Das Betriebssystem selbst ist mittlerweile so ausgereift und funktional, dass sich die wirklich spannenden Dinge auf einer anderen Ebene abspielen. Es sind die Dienste und Features, die Google um Android herum entwickelt. Viele davon kennt man schon vom Pixel 2. Da wären etwa der Google Assistant, der sich durch das Zusammendrücken des Rahmens aktivieren lässt, die automatische Musikerkennung, die Apps wie Shazam oder Soundhound überflüssig macht und der unbegrenzte Speicherplatz bei Google Fotos.
Die gleiche alte Kamera mit neuen Tricks
Die wirklichen Neuerungen im Vergleich zum Vorgänger spielen sich allerdings vornehmlich in der Kamera-App ab. Hardware-seitig setzt Google genau wie beim Pixel 2 auf einen 12,2-Megapixel-Hauptsensor mit Bildstabilisierung und eine f/1.8-Blende. Für zusätzliche Bildoptimierungsprozesse gibt es erneut einen zusätzlichen Prozessor namens Pixel Visual Core. Dieser wurde im Vergleich zum letztjährigen Modell zumindest leicht überarbeitet.

Ein merkliches Hardware-Upgrade gibt es nur bei der Frontkamera zu verzeichnen. Diese kommt nun mit zwei Linsen daher, wobei die zweite Linse vor allem für Weitwinkel-Selfies genutzt werden kann.
Fast alles, was die Kamera des Pixel 3 besser macht als die des Pixel 2, kommt deshalb von der Software. Zum Beispiel wäre da das HDR+-Feature: Es sorgt dafür, das beim Knipsen eines Bildes mehrere Fotos aufgenommen und anschließend von der Software zu einem fertigen Motiv kombiniert werden. Diese Funktion wurde für das Pixel 3 übernommen und verbessert. Das Ergebnis ist eine Smartphone-Kamera, die in beinahe jeder Situation in der Lage ist, ein hervorragendes Foto zu knipsen. Die Unterschiede zum Pixel 2 fallen dabei oft nicht auf, aber insgesamt wirkt die Kamera des Pixel 3 noch konsistenter. Die Bilder sehen einfach toll und lebendig aus und gelingen auch bei schwächeren Lichtverhältnissen fast immer gut.
Google nutzt diese Technologie auch für ein praktisches Feature namens "Top Shot". Das lässt sich ganz einfach nutzen, wenn man beim Fotografieren den Auslöse-Button nicht nur einmal antippt, sondern in gedrückt hält. Die Kamera macht dann in Sekundenbruchteilen eine ganze Reihe von Motiven, von denen eine KI anschließend das ihrer Meinung nach beste präsentiert. Als Nutzer hat man jedoch auch die Möglichkeit, selbst ein anderes Motiv auszuwählen. Anders als viele Kamera-Features, die Smartphones heute bieten, ist das nicht nur ein Gimmick, sondern eine richtige Bereicherung.
- Top Shot: Nimmt in Sekundenbruchteilen mehrere Versionen des gleichen Bildes auf und sucht automatisch den besten Schnappschuss aus.
- Super Res Zoom: Ein stark verbesserter digitaler Zoom, der jedoch nicht an einen optischen Zoom heranreicht.
- Fotobox-Modus: Knipst automatisch Selfies, wenn Leute lächeln oder Grimassen schneiden.
- Motion Autofokus: Pinnt den Autofokus des Smartphones an ein sich bewegendes Objekt.
- Weitwinkel-Selfies: Schaltet bei Selfies auf die Weitwinkellinse um.
- Google Lens: Echtzeit Objekterkennung in der Kamera-App.
- Playground: Eine Sammlung von Augmented-Reality-Effekten für die Kamera.
Das Beste kommt erst noch: Der Nachtmodus
Das vielleicht spektakulärste Kamera-Feature hatte das Pixel 3 zum Zeitpunkt meines Test noch gar nicht offiziell drauf. Die Rede ist vom Nachtmodus, der es dem Smartphone erlaubt, sogar bei fast völliger Dunkelheit noch brauchbare Bilder zu knipsen. Das Pixel 3 arbeitet dabei mit einer Kombination aus langer Belichtung und KI-Software. Die KI ist in der Lage, ein Bild bei fast völliger Dunkelheit zu erkennen und es anschließend so abzubilden, wie es unter guten Lichtverhältnissen aussehen würde. Das klingt nach Hexerei und fühlt sich auch ein wenig so an.
Dank eines findigen Hobby-Entwicklers, der dieses Feature in der Google-Kamera-App schon freigeschaltet hat, konnten wir den Nachtmodus nämlich schon ausprobieren. Die Ergebnisse sind in der Galerie oben zu sehen und sprechen, denke ich, für sich. Tatsächlich erinnert das Ganze ziemlich stark an den Nachtmodus, den man bereits von Huawei P20 Pro und Mate 20 Pro kennt. Allerdings scheint der Effekt bei Google noch besser zu funktionieren und dass, obwohl das Pixel 3 nur eine Kamera-Linse besitzt.
Eher ein Pixel 2.5 als ein Pixel 3
Das größte Problem, das ich beim Pixel 3 momentan sehe, heißt Pixel 2. Google hat sich nämlich beim neuen Modell vornehmlich darauf beschränkt, das Vorjahresmodell zu optimieren. Die größten Fortschritte hat der Hersteller dabei im Bereich Software gemacht. Einen Großteil dieser Software-Verbesserungen bekommen jedoch auch Pixel 2 und Pixel 2 XL in Form von Updates nachgeliefert. Das ist einerseits sehr löblich, weil Besitzer der Vorgängermodelle nicht künstlich außen vorgelassen werden. Andererseits gibt es für sie aber auch keinen wirklichen Grund, auf das neue Modell zu updaten.
Fazit: Wenn Software ein Smartphone ausmacht
Mehr noch als bei den Vorgängern wird beim Pixel 3 klar, dass Google seine Smartphones aus der Software-Perspektive heraus entwickelt und Dinge wie Specs und Design eher eine nachrangige Rolle spielen. Das Smartphone mag deshalb auf den ersten Blick zunächst wenig vielversprechend wirken, weiß seinen Charme mit zunehmender Nutzung aber zu versprühen.
Der größte Selling-Point der Pixel-Reihe bleibt auch in der dritten Generation die Kamera. Hält man sich vor Augen, dass Google deren Hardware seit dem letztjährigen Modell kaum verändert hat, werden die offensichtlichen Fortschritte im Bereich Software noch deutlicher. Kein anderes Smartphone, das mir bekannt ist, knipst derart konstant auf einem sehr hohen Niveau. Einen entscheidenden Anteil daran hat die HDR+-Technologie von Google, bei der das fertige Motiv aus mehreren Einzelbildern zusammengesetzt wird.

Bemerkenswert ist dabei vor allem, das Google noch immer mit nur einer Linse für die Hauptkamera auskommt und bis auf den Bereich Zoom weiterhin ziemlich locker mit den Dual- und Tripple-Kameras der Konkurrenz mithält. Beim Test kam ich gar nicht umhin, mich zu fragen, was die Entwickler erst alles zaubern könnten, wenn sie wie etwa bei einem Huawei Mate 20 Pro drei Linsen zur Verfügung hätten.
Unterm Strich bleibt das größte Problem des Pixel 3 aber, dass es sich meiner Meinung nach nicht deutlich genug vom Vorjahresmodell absetzen kann. Es hat damit ein ähnliches Problem wie das Samsung Galaxy S9 oder das iPhone XS und bietet Besitzern des Vorgängers zu wenig Anreize, um schon wieder knapp 850 Euro für ein neues Smartphone zu investieren. Das ist nämlich der Einstiegspreis für die 64-GB-Variante, deren Speicher sich einmal mehr nicht erweitern lässt.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ Cleveres Software-Design | - Etwas altbackenes Design |
+ Hervorragende Hauptkamera... | - Kratzanfällige Rückseite |
+ ...und Selfie-Kamera | - Kaum Unterschiede zum Vorgänger |
+ Tolles Display | - Gestensteuerung noch nicht perfekt |
+ Gute Akkulaufzeit |