Die Romanvorlage war gnadenlos retro und voller Anspielungen auf die Popkultur der Achtzigerjahre. Was Regisseur Steven Spielberg aus "Ready Player One" macht, liest Du in unserer Filmkritik.
Von Tim Slagman
- Eine Welt als Hauptgewinn: Die Story
- "Ready Player One": Bunt, wild und voller Kinozitate
- Gefühl inmitten des Getöses
- Kolosse als Krücken
- "Ready Player One": Fazit
Eine Welt als Hauptgewinn: Die Story
2045: Da die Erde ziemlich heruntergekommen ist, verbringen zahllose Menschen ihre Zeit lieber in der OASIS, einer virtuellen Wunderwelt. Der junge Wade Watts (Tye Sheridan, "X-Men: Apocalypse") alias Parzival ist einer von ihnen. Er geht aber in der OASIS nicht nur zur Schule und spielt Games aus den 1980ern. Wade ist auch ein "Gunter".
Gunter, das sind die Glücksritter der OASIS. Sie nehmen auch nach Jahren noch an einem scheinbar aussichtslosen Wettbewerb teil: James Halliday (Mark Rylance, "Dunkirk"), der legendäre Mitbegründer der OASIS, versprach nach seinem Tod demjenigen sein ganzes Erbe und die Kontrolle über das System, der (oder die!) eine Reihe von Rätseln lösen und Prüfungen bestehen kann.
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Dafür braucht es einen echten Nerd, der sich mit der Popkultur der Achtzigerjahre so gut auskennt wie Halliday selbst. Aber tatsächlich ist es eher gute Recherchearbeit und ein Geistesblitz im rechten Moment, der Wade dazu bringt, den entscheidenden Trick zu probieren, um die erste Prüfung zu bestehen – ein wahnwitziges Rennen durch eine virtuelle Version von New York.
Damit macht er jedoch nicht nur die Gunterin Art3mis auf sich aufmerksam, sondern auch die mit schier unendlichen Ressourcen ausgestatteten Schergen des übermächtigen Konzerns IOI. Deren Boss Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn, "Rogue One") hetzt ihm den Kopfgeldjäger I-R0k auf den virtuellen Hals. Und als Wades Zuhause in der echten Welt explodiert, steht nicht nur die Zukunft der OASIS, sondern auch sein physisches Überleben und das seiner Freunde auf dem Spiel ...
"Ready Player One": Bunt, wild und voller Kinozitate
Dabei gehört das bunte, wilde, technisch perfekte Schlachtengetöse, in das diese Auseinandersetzung zwangsläufig münden muss, noch zu den uninteressanteren Aspekten der Romanverfilmung nach Ernest Cline. Immerhin saß Steven Spielberg auf dem Regiestuhl – und schon in der allerersten, furios inszenierten Actionsequenz, stellt sich ein T-Rex den Rasern durch New York als eines von vielen Hindernissen in den Weg.
Der Regisseur, der vor einem Vierteljahrhundert im "Jurassic Park" die ersten digital perfekt rekonstruierten Saurier auf die Leinwand brachte, zitiert sich also selbst – ebenso wie seinen Kumpel Robert Zemeckis, der einst in "Zurück in die Zukunft" Michael J. Fox in einem DeLorean durch die Zeit reisen ließ. In einem Wagen ebendieser Marke nimmt Parzival am Wettrennen teil.
Auch wenn Ernest Cline und Zak Penn ("Avengers") das Drehbuch verfassten, so darf man doch vermuten, dass Spielberg seine Hand im Spiel hatte, als es darum ging, weniger die Gamer als vielmehr die Kinofans mit solchen Referenzen zu beglücken. Und an Songs wie "Take On Me" oder "We‘re Not Gonna Take It" erinnern sich wohl kaum nur die Halliday-haften Nerds, sondern so ziemlich alle, die im fraglichen Jahrzehnt Kinder waren.
Gefühl inmitten des Getöses
Vor allem aber wurde dem Stoff, der sich ja immer auch schon um die Ermächtigung sozialer Außenseiter drehte, in der Kinoversion eine zusätzliche Sensibilität verliehen – für die Spielberg in seinen früheren Arbeiten vielleicht ein wenig zu harsch und zu regelmäßig des Kitsches bezichtigt wurde.
Hallidays große Liebe nimmt im Film mehr Raum ein; und nachdem Parzival Art3mis kennengelernt hat, erwacht eine große Sehnsucht in Wade Watts nach einer Welt hinter den Kulissen des Budenzaubers. Ein Freundeskreis wird diesseits und jenseits der OASIS entstehen, den man sich als eine Art Ersatzfamilie vorstellen muss.
Doch auf dem Weg dorthin wollen noch Tänze in der Schwerelosigkeit vollführt, ein Cinephilen wohlbekanntes Hotel überlebt und eine gigantomanische finale Schlacht gewonnen werden. Mit Zeit, Raum und Bewegung kann Spielberg dabei einigermaßen frei umgehen – der Reiz der OASIS liegt ja gerade darin, dass sie keine fotorealistische Fortführung der physischen Welt sein muss.
Kolosse als Krücken
So pumpt IOI-Boss Sorrento seinen Avatar als lachhafte Männlichkeitsfantasie auf; I-Rok stolziert mit einem verchromten Totenschädel als Torso umher; und für genügend virtuelle Währung lässt sich so ziemlich jeder Kampfroboter der japanischen Popkultur-Geschichte erstehen. Oder man baut sich selbst einen, wie Parzivals Freund Aech es tut, wobei Aech für sich schon ziemlich kolossal daherkommt.
Dass es solcher virtueller Krücken nicht bedarf, um zu sich selbst zu stehen, ist eine der Botschaften des Films. Doch ausgerechnet das Kinoerlebnis selbst hängt wesentlich von ihnen ab. Letztlich wirkt die Emotion wie eine Dreingabe zum Spektakel. Doch in Wahrheit hält das Gefühl die Maschinerie am Leben, wie die Filmemacher sehr wohl wissen und wie es in der Erzählung immer wieder betont wird. Aber wer hat wirklich noch die Zeit zuzuhören, wenn er zwischen Tyrannosaurus und King Kong durch die Straßenschluchten flitzen muss?
"Ready Player One": Fazit
In den Händen von Steven Spielberg wird aus der Romanvorlage von Ernest Cline – der allerdings auch selbst am Drehbuch beteiligt war – ein zweigeteilter Film, der neben einem technisch herausragenden, bunten Spektakel weniger von einer tristen Zukunftsgesellschaft als vielmehr von der Bildung einer Freundesclique als Familienersatz erzählt.
Dem Film tut das ausgesprochen gut – auch weil digitaler Bombast im Kino längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr darstellt. Während es also nach wie vor reichlich Anschauungsmaterial zum Staunen gibt – und die Game-Referenzen von Kino-Referenzen überholt werden –, würde man sich wünschen, dass die Figuren sogar noch ein wenig sorgfältiger ausgearbeitet wären.