Die E3 2018 war wieder ein Fest für Fans riesiger, wunderschöner Spielwelten: Ob "Metro: Exodus", "Assassin's Creed: Odyssey", "Rage 2" oder "Fallout 76" – ich freue mich jetzt schon auf ausladende Spaziergänge in prachtvollen Landschaften. Das einzige Problem: Immer will mich dabei irgendwas umbringen. Geht das nicht anders?
- Die alte Leier: Töten oder getötet werden
- Kämpfen? Ne danke, ich schau mich nur um
- "Assassin's Creed: Origins" zeigt, wie schön Actionspiele ohne Gewalt sein können
- Sightseeing in Videospielen ist gefragt
Es ist mal wieder Zeit, über Gewalt in Videospielen zu reden. Nein, nicht darüber, ob sie zu krass, zu realistisch dargestellt wird, aggressiv macht und die Jugend verdirbt. Sondern darüber, warum man sie nicht einfach auf Wunsch abschalten kann. Klingt absurd? Lass es mich erklären.

Als Microsoft bei seiner E3-Pressekonferenz einen neuen Trailer zu "Metro: Exodus" gezeigt hat, war ich hin und weg – wieder einmal. Die verschneite Postapokalypse, die die Entwickler erschaffen haben, war schon in den verschiedenen Vorab-Eindrücken ein echter Augenschmaus.
Die Dampflok, die in der Ödnis als mobile Basis dient, sieht einfach nur fantastisch aus. Und dieser Weitblick! Wäre ich Landschaftsfotograf, ich würde am liebsten mitten in der virtuellen Tundra mein Zelt aufschlagen – in 4K und HDR erst recht.
Die alte Leier: Töten oder getötet werden
Und dann, ungefähr bei der Hälfte des neuen Trailers, kommt die Wende: Mutierte Zombies springen aus dunklen Tunneln, bewaffnete Angreifer feuern aus allen Rohren, ein Riesenhai greift das Ruderboot des Spielers an. Das ist der Moment, an dem ich innerlich mit den Schultern zucke und ein großer Teil der Faszination von mir abfällt: Ist halt doch ein Shooter.
So schön die Landschaft auch ist, letztlich läuft alles nur auf eines hinaus: Alles, was in der Spielwelt herumläuft, töten, bevor es mich tötet.

"Metro: Exodus" ist dabei kein Einzelfall: In immer mehr neu vorgestellten Open-World-Spielen beobachte ich, dass mich der erste Eindruck völlig fesselt – um dann gähnender Langeweile zu weichen, wenn das Geballer losgeht.
Bei "Far Cry 5" war das schon so, bei den neuen Trailern zu "Rage 2" und dem VR-Abenteuer "Stormland" auch. Bei letzterem Game war ich regelrecht enttäuscht, als der Roboter, in dessen Blech-Haut ich gerade noch durch eine fast meditative Einsamkeit streifte, plötzlich eine Waffe zückte und draufhielt.
Kämpfen? Ne danke, ich schau mich nur um
Ich möchte hier gar nicht philosophisch debattieren, was es über uns als Spezies aussagt, wenn uns für eine unter enormem technischen Aufwand entstandenen, idyllischen Kunstwelt kein anderer Verwendungszweck einfällt, als sie mit effektvoll zerplatzenden Zielscheiben zu bevölkern.
Ich habe auch nichts gegen zünftiges Geballer in Games einzuwenden und gönne allen den Spaß daran – meinetwegen auch in maximal blutig. Mittlerweile wünsche ich mir für viele neue Open-World-Spiele aber, ich wäre auf Wunsch einfach mal nicht der Held, sondern nur Tourist.

Ein "Touri-Modus" wäre die Lösung. Er könnte etwas so Banales sein wie ein Knopf im Optionsmenü, mit dem sich alle mutierten Spinnen, alle Zombies und alle sonstigen Aggressoren in friedliche Bewohner eines digitalen Wildnis-Reservats verwandeln.Ich würde sogar ein bisschen was extra zahlen für die Chance, in aller Ruhe umherstreifen zu können und die beeindruckende Atmosphäre aktueller Open-World-Titel genießen zu können, ohne ständig von irgendetwas angefallen zu werden und zur Waffe greifen zu müssen. Beispiel: ein Touristen-DLC.
"Assassin's Creed: Origins" zeigt, wie schön Actionspiele ohne Gewalt sein können
Dass sich aus einer solchen gewaltfreien Herangehensweise an ein Actionspiel schöne Inhalte schaffen lassen, hat Ubisoft zuletzt mit dem kampffreien Museumsmodus von "Assassin's Creed: Origins" bewiesen. Klar, bei dem stand das spielerische Lernen über das Leben im Alten Ägypten im Vordergrund – aber der Schauwert der schicken Spielwelt kommt direkt an zweiter Stelle. Warum sollte das nicht auch mit einer vollkommen fiktiven Welt funktionieren?

Sightseeing in Videospielen ist gefragt
Ich bin mit meinem Wunsch-Feature auch gar nicht alleine. Es gibt zum Beispiel eine ganze Modding-Community, die sich den "Game Tourism" auf die Fahnen geschrieben hat.
Das Weltraum-Survival-Game "Adrift" bekam schon 2016 einen Entspannungsmodus, der die Spieler bereits geschaffte Level noch einmal mit unendlichem Sauerstoffvorrat spielen lässt, damit sie den herrlichen Blick besser genießen können.
Es gibt Fotowettbewerbe für die schönsten Landschaftsaufnahmen aus Videospielen. Ich kenne Menschen, die ihren Florenz-Urlaub mit "Assassin's Creed 2" geplant haben – und sogar einen Gamer, der "World of Warcraft" nur spielt, um sich, beschützt von High-Level-Spielern, die schicke Landschaft in Endgame-Gebieten anzusehen.

Ein stressfreier Wandermodus wäre also eine schöne Anerkennung dieser etwas anderen Art, Games zu genießen. Klar, er würde nicht gerade spannendes Gameplay bieten – schließlich werden Open-World-Shooter als Shooter und nicht als "Walking Simulator" designt.
Aber es geht ja auch nicht darum, einen alternativen Weg zum Durchspielen eines Games zu erfinden. Sondern um die Möglichkeit, die Schönheit einer Open-World eine Zeitlang in Ruhe zu genießen, ohne von ihren Hässlichkeiten und Herausforderungen gestört werden zu können.
Und wem das alles dann zu langweilig wird, der kann den Touri-Modus ja einfach wieder abschalten.