Das war's also! Am Wochenende habe ich Sylvester Stallone in "Creed II" das letzte Mal als Rocky Balboa gesehen. Nach mehr als 40 Jahren und acht Filmen geht der Boxer nun in Rente. Ich jedenfalls werde den unkomplizierten Helden vermissen. Aber das geht doch nicht nur mir so, oder?
- 1. Einfache Geschichten, die immer funktionieren
- 2. Unkomplizierte Figuren & viele, viele Klischees
- 3. Trainingsmontagen: Fit werden in 5 Minuten
- 4. Musik, die nachhält
- 5. Lebensweisheiten à la Rocky
- Kann Creed auch ohne Rocky bestehen?
Dö-dö-dööö, dö-dö-döö ... Da ist er wieder, dieser Ohrwurm. Rocky-Filme machen einfach, dass ich mich gut fühle und aus dem Kino gehe, als könnte ich die Welt erobern. Bevor ich aber erkläre, warum Rocky Balboa in meinen Augen zurecht eine der ikonischsten Filmfiguren aller Zeiten ist und (fast alle) Rocky-Filme wirklich sehenswert sind, muss ich ein Geständnis ablegen: Mein erster Rocky-Film war "Rocky Balboa" von 2006, der 16 Jahre nach dem vorigen Teil erschien und bereits einen alternden Sylvester Stallone zeigte. Trotzdem machte er Lust darauf, mehr über die Rocky-Ära zu lernen.
1. Einfache Geschichten, die immer funktionieren
Ich spreche auch bewusst von Ära und nicht von Franchise, wie es heute wahrscheinlich üblicher wäre. Die Rocky-Filme sind für mich nämlich noch etwas ganz anderes als ein modernes Franchise wie "Fast & Furious". Letztens habe ich mir Zusammenfassungen der beiden Filmreihen bei YouTube angesehen – und obwohl ich alle "F&F"-Teile gesehen habe, könnte ich immer noch nicht wiedergeben, was in welchem Film passiert ist.

Bei Rocky ist das anders. Die Geschichte ist sehr viel einfacher und stringenter, wenn auch klischeehafter. Robert "Rocky" Balboa ist im ersten Film ein boxender Underdog, der die Chance bekommt, gegen den amtierenden Weltmeister im Schwergewicht, Apollo Creed, anzutreten. Rocky hält 15 Runden durch, verliert nach Punkten, aber gewinnt Anerkennung. "Rocky II" ist eigentlich genauso, nur dass Rocky am Ende gewinnt.
In "Rocky III" werden aus Gegnern schließlich Verbündete, nachdem Rockys Trainer Micky stirbt. In "Rocky IV" stirbt auch Rockys Trainer und Freund Apollo Creed, nachdem er im Kampf gegen den Russen Ivan Drago K.o. geht. Rocky reist daraufhin nach Russland und schickt Drago auf die Bretter (und beendet nebenbei den Kalten Krieg, wie manch einer behauptet).

"Rocky V" ist der einzige Film, der es selbst bei Fans schwer hat. Umso erstaunlicher, dass Sylvester Stallone 16 Jahre später noch einmal als "Rocky Balboa" zurückkehrte, um ein letztes Mal selber in den Ring zu steigen – und die zur Vorbereitung obligatorischen rohen Eier zu trinken. Mit zahlreichen Verweisen auf die ersten Filme und viel Witz funktioniert das.
Und auch in "Creed" sowie "Creed II" läuft Stallone noch einmal zur Hochform auf, selbst wenn er nun nicht mehr selber im Ring steht. Der Boxer mag jetzt ein anderer sein, die Story aber nicht. Adonis Creed, der uneheliche Sohn von Apollo Creed, durchläuft an Rockys Seite ebenfalls Höhen und Tiefen. Eine Liebesgeschichte gibt es natürlich ebenfalls. Die durfte schon bei Rocky nicht fehlen.
2. Unkomplizierte Figuren & viele, viele Klischees

Neben ihren Trainern und Gegnern spielen also vor allem die Frauen eine wichtige Rolle im Leben der beiden Boxer. Für "Rocky" ließ Sylvester Stallone die letzte Szene sogar extra noch einmal drehen, weil er das Gefühl hatte, etwas würde fehlen. Da die Dreharbeiten längst abgeschlossen waren, mussten Freunde und Familien der Schauspieler aushelfen, um Rocky am Ende des Films noch einmal emotional nach "ADRIAN!" schreien zu lassen. An Creeds Seite übernimmt Bianca diese Rolle, sie hält auch dann noch zu ihm, als er schwer von Ivan Dragos Sohn Viktor verprügelt wurde.

Aber nicht nur die Frauen, auch die Bösewichte in den Rocky-Filmen mag ich. Die Figur Apollo Creed ist an Boxer-Legende Muhammad Ali angelehnt, Clubber Lang ist in "Rocky III" der perfekte Gegenspieler für den mittlerweile erfolgsverwöhnten Rocky Balboa und Dolph Lundgren als russischer Hüne Ivan Drago ist für mich sowieso der Bösewicht schlechthin. Daneben darf man aber auch Figuren wie den etwas knorrigen, aber absolut liebenswerten Mickey nicht vergessen, der wie so viele Filmfiguren im Rocky-Universum einen dramatischen Tod sterben musste.
Genauso stellte man sich das Boxermilieu damals aber vor. Die Figuren mögen an der einen oder anderen Stelle überzeichnet und etwas zu klischeehaft sein. Dafür weiß man, was man bekommt. Die Rocky-Filme sind einfach verlässlich und das gefällt mir.
3. Trainingsmontagen: Fit werden in 5 Minuten
Hühner fangen, Holz hacken, Rinderhälften verprügeln oder aktuell: einen Vorschlaghammer unermüdlich in den Wüstensand rammen. So wird man fit. Zumindest wenn man Rocky Balboa oder Adonis Creed ist und sich auf den jeweils wichtigsten Kampf des Films vorbereiten muss. Auf die Trainingsmontage freue ich mich in jedem Rocky-Film! Das Zusammenspiel aus Badass-Training und der passenden Musik wirkt bei mir. Im Anschluss habe auch ich das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen.
Die einarmigen Liegestütze und die Liegestütze mit Klatschen in der Luft, die Sylvester Stallone in einer Trainingsmontage macht, hatte er vorher noch nie gemacht. Der Regisseur hatte bereits unzählige Szenen vom joggenden Rocky, aber das war zu eintönig. Es musste etwas Neues her – und das bekam Stallone direkt auf Anhieb hin. Hut ab!
Am einprägsamsten ist und bleibt aber die Treppenszene! Wie Rocky Balboa die Treppenstufen zum Philadelphia Museum of Art hochläuft und oben feiert, ist wohl eine der ikonischsten Filmszenen überhaupt. Ohrwurm inklusive ...
Ist Dir schon mal aufgefallen, dass der Siegestanz am Ende der Treppe irgendwie merkwürdig aussieht? Das liegt daran, dass die ganze Szene rückwärts abgespielt wird. Erst im Nachhinein merkte der Regisseur hier, dass Reinzoomen besser wirkt als Rauszoomen. Daher tanzt Rocky rückwärts – und Du wirst die Szene nun immer mit anderen Augen sehen.
4. Musik, die nachhält
Selbst wenn Du die Rocky-Filme nicht kennst, hast Du mit Sicherheit schon einmal "Eye of the Tiger" oder "Burning Heart" gehört. Und nein, "The Final Countdown" kam überhaupt nicht vor, obwohl der Song fälschlicherweise oft mit "Rocky IV" assoziiert wird. Aber auch ohne den Europe-Song können die Soundtracks der Rocky-Filme was. Sie unterstreichen die Stimmung, passen zu den Sportszenen und schaffen es wie die Trainingsmontagen, selbst die Zuschauer zu motivieren.
Ganz besonders gilt das natürlich für das bekannte Rocky-Theme, zu dem Sylvester Stallone in Teil I, II, III und Balboa trainiert sowie (mit Ausnahme von Teil III, der in Los Angeles spielt) die Treppenstufen zum Philadelphia Museum of Art hochstürmt. Auch in "Creed" und "Creed II" kommt das Musikthema vor. In meinen Augen kann es aber noch viel mehr, als den filmischen Höhepunkt einer Trainingseinheit zu markieren. Es kann sogar in gewisser Weise Alltagsängste nehmen. Du hast Bammel vor einer Prüfung, einem wichtigen Gespräch oder einer sportlichen Herausforderung? Dann spiel einfach kurz die Rocky-Musik in Deinem Kopf ab und Du wirst Dich unbesiegbar fühlen!
5. Lebensweisheiten à la Rocky
Wie lässt man einen Boxer, der irgendwann nicht mehr selber im Ring stehen kann, in Würde altern und trotzdem einen wichtigen Teil in der Filmsaga rund um seine Figur spielen? Na klar, man macht ihn zum Trainer, der vom Leben gelernt hat, und seine Schützlinge nun mit Weisheiten aller Art versorgt. Was er durchs Boxen weiß, lässt sich nämlich auch prima auf das gesamte Leben anwenden, wie etwa sein Sohn Robert Jr. in "Rocky Balboa" zu hören bekommt:
Der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann. Es zählt bloß, wie viele Schläge er einstecken kann und ob er trotzdem weitermacht. Wie viel man einstecken kann und trotzdem weitermacht. Nur so gewinnt man.
Aus "Rocky IV", der 1985 in der Sowjetunion spielt, die sich noch im Kalten Krieg mit der USA befindet, stammt dieser kluge Satz:
Wenn ich mich ändern kann, dann könnt ihr euch auch ändern, dann muss sich die ganze Welt ändern können.
Doch nicht jede Rocky-Weisheit eignet sich als Ratschlag fürs gesamte Leben. Manch ein Spruch taugt wohl einfach nur der Unterhaltung. Wie diese lustige Beobachtung aus "Rocky Balboa":
Sieh dir die Vögel an! Sie sehen aus wie bunte Zuckerwatte ... wie fliegende Zuckerwatte!
In "Creed II" ließ mich besonders dieses Rocky-Zitat schmunzeln:
Wenn du etwas verändern willst, dann musst du etwas anders machen.
Recht hat er.
Kann Creed auch ohne Rocky bestehen?
Bleibt am Ende die Frage, ob die Rocky-Saga auch ohne Sylvester Stallone eine Zukunft hat? Der 72-Jährige verkündete während der Dreharbeiten zu "Creed II" nämlich, dass dies sein letzter Auftritt als Rocky Balboa sein wird. In dem Film selbst schickt er Adonis Creed am Ende mit den Worten "Jetzt ist deine Zeit" alleine ins Rampenlicht. Was wird Adonis nun daraus machen?
Dass Creed auf Dauer ohne Rocky funktionieren kann, daran glaube ich noch nicht ganz. Natürlich gibt es heutzutage auch gute Boxerfilme ohne Stallone – "Southpaw" hat mir zum Beispiel gut gefallen. Vor allem die moderne Kameratechnik eröffnet den Filmemachern völlig neue Möglichkeiten, einen Boxkampf aufregend zu inszenieren und hautnah erlebbar zu machen. Mit richtigem Boxen hatten die ersten Rocky-Filme hingegen noch wenig zu tun.

Trotzdem habe ich Schwierigkeiten, mir einen "Creed III" vorzustellen. Schließlich wurde im aktuellen Teil quasi die gesamte Rocky-Ära noch einmal durchlebt – nur eben von Adonis Creed. Er war ganz oben und anschließend am Boden, er wurde Vater und musste sich wieder hochkämpfen. Was bleibt da noch an Stoff für einen nächsten Teil? Ein Rückkampf mit Dragos Sohn in Russland? Von mir aus. Dann aber bitte ohne aufdringliche Machtdemonstration oder lächerliche politische Belehrung. Ansehen werde ich ihn mir auf jeden Fall.