Mit dem Remake von "Resident Evil 2" versucht Capcom dem Klassiker von 1998 neues Leben einzuhauchen. Bisherige Previews und die Demo waren schon recht überzeugend, aber kann das Spiel den hohen Erwartungen gerecht werden? Ich habe mich erneut nach Raccoon City gewagt, um darüber zu berichten, ob die Reanimation geglückt ist.
Zwei Perspektiven mit unterschiedlichem Fokus
Wie in der "Resident Evil"-Tradition üblich geht es auch im Remake von "Resident Evil 2" darum, eine Nacht mit den lebenden Toten zu überleben und sich einen Weg aus der Stadt zu bahnen. Wie im Original aus dem Jahr 1998 darf ich mich zu Beginn des Spiels zwischen zwei Charakteren entscheiden: Entweder erlebe ich die Zombie-Apokalypse aus den Augen von Leon S. Kennedy, dem frischgebackenen Polizeibeamten oder ich entscheide mich für die Motorradliebhaberin Claire Redfield, die ihren Bruder Chris sucht.
Beide befinden sich zu Beginn des Spiels nichtsahnend auf dem Weg nach Raccoon City und werden im wahrsten Sinne des Wortes von der Zombie-Invasion überrumpelt. Die beiden Charaktere treffen zufällig aufeinander und beschließen gemeinsam in der Polizeistation von Raccoon City Schutz zu suchen. Dummerweise werden die beiden auf dem Weg dorthin aber voneinander getrennt. In der Polizeistation sind sie dann jeweils auf sich allein gestellt und der Kampf ums Überleben beginnt. Soviel zum Setting.

Bei meinem ersten Spieldurchgang entschied ich mich dafür, mit Leons Kampagne zu beginnen, da ich bei einem Preview-Event zum "Resident Evil 2"-Remake schon mit Claire in der Polizeistation starten durfte. Deshalb war ich auch besonders neugierig, wie Leon diesen Abschnitt erleben würde. Besonders große Unterschiede zur Claire-Kampagne konnte ich jedoch nicht feststellen. Die Charaktere besitzen verschiedene Waffen-Sets, ein paar Item-Fundorte sind vertauscht und die Reihenfolge, in der Räume betreten werden können, ist leicht verändert.
Spieler, die gravierende Unterschiede in der Story erwarten, werden hier wohl etwas enttäuscht sein. Ich fand und finde diese Erzählweise aber besonders spannend – im Grunde genommen wird nur eine einzige Geschichte erzählt, allerdings aus zwei Sichtweisen. Es sind zwar nur Nuancen der Veränderung, aber nach Leons Durchgang wollte ich einfach unbedingt erfahren, wie Claire das Abenteuer in der Polizeistation erlebt und was ich zusätzlich noch über die Hintergründe der Zombie-Epidemie in Raccoon City erfahren kann.
Einen deutlichen Unterschied zwischen beiden Kampagnen gibt es bei den Charakteren, auf die Leon und Claire treffen. Während Leon mit der geheimnisvollen FBI-Agentin Ada Wong Bekanntschaft machen darf, trifft Claire auf die total verängstigte Sherry Birkin, die Tochter der Wissenschaftler Annette und William Birkin. Das neu hinzugefügte Level "Waisenhaus" ist beispielsweise nur in Claires Durchgang verfügbar. Die recht kurzen Spielabschnitte der Nebencharaktere haben mir besonders gut gefallen, da sie Abwechslung ins Spiel bringen. Der Fokus bei Adas Abschnitt liegt vor allem auf dem Lösen von Schalter-Rätseln, Sherry hingegen muss sich einen Weg aus dem Waisenhaus bahnen und sich vor Gefahren abseits der Zombies verstecken.
"Resident Evil 2" will mehrfach gezockt werden
Capcoms Angabe von 10 Spielstunden für das Abschließen einer der beiden Kampagnen ist recht kurz. Trotz Trotteligkeit und gekonntem Übersehen wichtiger Hinweise war ich schon nach 8,5 Stunden fertig. Ist das zu kurz? Kommt drauf an. Wenn Du eine einzige, epische Geschichte jenseits von 20 Stunden erwartest, dann ist das Remake von "Resident Evil 2" vielleicht nichts für Dich. Wenn Du Dich aber mit einer spannenden Geschichten anfreunden kannst, die kurz und knackig erzählt wird, und beim nächsten Durchgang mehr Hintergrundinformationen bereithält, dann ist "Resident Evil 2" genau Dein Spiel.
Nach Abschluss der beiden Kampagnen ist aber lange noch nicht Schluss, denn nach dem ersten Durchspielen wird der Modus "2. Durchgang" freigeschaltet. Dort sind die Hintergrundgeschichte und die Handlung noch einmal leicht abgewandelt und ich bekomme auch nur in diesem Modus die echte Endsequenz des Spiels zu sehen. Um Raccoon City am Ende wie meine Westentasche zu kennen und ein echter Zombie-Experte zu werden, muss ich das Spiel also mindestens vier Mal durchspielen.
Und wenn ich danach immer noch nicht genug habe, kann ich im Spielmodus "The 4th Survivor" auch mit Hunk, dem Mitglied einer Spezialeinheit, auf Zeit durch Raccoon City jagen. Das Spielprinzip von "Resident Evil 2" mit seinen vielen Modi, Durchgängen auf Zeit und freischaltbaren Extras geht schon ein wenig in Richtung Arcade. Wer auf all diese Dinge aber keine Lust hat, kann natürlich auch einfach die wirklich fesselnde Story genießen.
Was mich allerdings ein wenig an allen Kampagnen gestört hat, ist das unregelmäßige Pacing der Story. Während sich die Geschichte in der Polizeistation schön langsam entwickelt, wirkt das Ende des Spiels sehr überhastet. Ein Problem, das aber auch schon im Original präsent war.
Moderne Gameplay-Elemente bringen Leben in den angestaubten Survival-Horror
Capcoms Entscheidung, beim "Resident Evil 2"-Remake bewusst Spielelemente zu verändern, war goldrichtig. Ein Remaster des Spiels, in dem lediglich die Grafik ein bisschen aufgehübscht wurde, hätte wohl viele Gamer heutzutage kalt gelassen. Die hakelige Steuerung, die feste Kameraperspektive oder die oft unfreiwillig komischen Gespräche des Originals haben in dem Remake absolut nichts zu suchen. Den etwas angestaubten Survival-Horror mit modernen Gameplay-Elementen anzureichern, war ein cleverer Schachzug. Und mit der modernen RE Engine hatte Capcom dafür auch das perfekte Werkzeug zur Hand.
Das "Resident Evil 2"-Remake profitiert beispielsweise enorm vom Feature, Zombies im Nahkampf ein Messer in die Brust rammen oder eine Granate in die Futterluke schieben zu können. Das sieht nicht nur cool aus, sondern hat auch einen spielerischen Mehrwert. Während ich mich früher hilflos von den Zombies anknabbern lassen musste, habe ich nun die Möglichkeit zu kontern. Änderungen wie die schnelle Drehung, die frei bewegliche Kamera und die präzise Steuerung bringen Schwung ins Spiel. Trotz meines großen Respekts vor dem Original muss ich zugeben, dass das "Resident Evil 2" von 1998 dagegen einfach nur lahm ist. Das Update unter der Haube hat dem Remake gut getan.
Auch die Möglichkeit, Zombies durch gezielte Schüsse Gliedmaßen abzutrennen, ist nicht nur nette Spielerei, sondern hat auch einen echten Nutzen. Schon auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad musste ich feststellen, dass ein Kopfschuss nicht immer die beste Methode ist, sich Zombies vom Leib zu halten. Die schlurfenden Untoten können im Remake nämlich ein paar Kopfschüsse locker wegstecken. An manchen Stellen habe ich mich deshalb dafür entschieden, die Zombies durch Abtrennen der Gliedmaßen kampfunfähig zu machen. Das spart Munition und Nerven.

Wie schwer das Remake "Resident Evil 2" ist, hängt übrigens nicht nur von der Wahl des Schwierigkeitsgrads ab, sondern auch von meiner Performance. Grundsätzlich verfügt das Spiel über die drei Schwierigkeitsgrade Assistent, Standard und Veteran. Zusätzlich passt sich die Schwierigkeit aber auch noch an meine Fähigkeiten an.
Komme ich mit wenig Munition aus, halten die Zombies ein wenig mehr aus. Schieße ich häufiger Mal ins Leere, benötigen sie nicht ganz so viele Treffer. Die Adaption funktioniert übrigens sehr gut. Ich hatte häufig das Gefühl, dass mir trotz Sparsamkeit bald die Munition ausgehen würde, erstaunlicherweise hat es aber immer gerade so gereicht. Ein cleveres Feature, um Spielern mit unterschiedlichen Fähigkeiten gleich gute Spielerlebnisse zu liefern.
Eine schaurig schöne Atmosphäre
Wie schon das Original lebt auch das Remake von "Resident Evil 2" von seiner düsteren Atmosphäre. Und die Zombies sind für mich nicht einmal das Schlimmste. Die Atmosphäre ist über das ganze Spiel hinweg äußerst beklemmend und ich fühlte mich durchgängig enormen Stress ausgesetzt. Die Erzeugung dieser verängstigenden Stimmung gelingt Capcom durch den geschickten Einsatz visueller und akustischer Mittel.
Die engen, dunklen Gänge, Räume und Passagen, in denen ich mit der Taschenlampe nur erahnen kann, was mich erwartet, und die ekelhaften Zombies mit heraushängenden Gedärmen und halben Gesichtern lassen mir die Haare zu Berge stehen. Die Jump-Scares der Licker und Zombies, die aus Schränken herausfallen und durch Fenster brechen, sind da tatsächlich nur das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher des Schreckens.
Noch viel schlimmer ist das, was ich nicht sehe. Capcom versteht es, mich nur durch Geräusche auf einen echten Horrortrip zu schicken. Das andauernde Gestöhne der normalen Zombies ist noch gar nichts gegen das Gekreische einiger weiblicher Zombies. Wenn ich daran denke, läuft es mir sogar jetzt beim Verfassen dieses Artikels auf meinem sicheren Bürostuhl eiskalt den Rücken herunter.
Und dann ist da noch das große Ungewisse, das ich nur aus der Ferne höre. Das dumpfe Schlagen der Zombies an die Türen, das Klappern der Klauen der Licker und die schweren Schritte von Mr. X – manchmal möchte ich mich nur zum schwer verletzten Marvin in die Haupthalle setzen und weinen. Wenigstens ist es da sicher, oder? War doch im Original auch so: Keine Zombies in Haupthalle und in Speicherräumen.
Aber im Remake bin ich wirklich nirgendwo mehr sicher. Mit dem Mutanten Mr. X, der im Gegensatz zum Original nun häufiger Jagd auf mich macht, werde ich im Remake sogar noch stärker unter Druck gesetzt. Mr. X, auch als T-00 bekannt, ist eine humane Biowaffe, die damit beauftragt wurde, eine Probe des G-Virus zu besorgen und alle Überlebenden in der Polizeistation zu töten – mich inklusive. Um die goldene Regel, dass ich in Speicherräumen und der Haupthalle sicher bin, scheint sich Capcom wenig zu scheren.
Beim Knobeln Ruhe einkehren lassen
Gelegentlich habe ich dann aber doch ein wenig Zeit zum Verschnaufen, denn Mr. X macht nicht durchgängig Jagd auf mich. Beim Lösen der vielen Rätsel kann ich endlich Ruhe einkehren lassen. Und die benötige ich auch, denn die sind seit "Resident Evil 1" fester Bestandteil der Serie. Die Schwierigkeit der Rätsel schwankt zwischen offensichtlich einfach und herausfordernd. Viele Rätsel lassen sich durch gute Beobachtungsgabe oder simples Ausprobieren knacken. Bei einigen musste ich aber Zettel und Stift zur Hilfe nehmen.
Meistens genügt es, ein fehlendes Teil zu finden und dies mit einem anderen Gegenstand zu kombinieren. Ich habe zwar keine Ahnung, warum sich in der Polizeistation alle Schalter, Hebel und Zahnräder nicht mehr an ihrer ursprünglichen Position befinden, aber ich suche dennoch gern danach. Vor allem, weil ich so neue Wege öffne und optionale Gegenstände wie Waffen-Upgrades oder zusätzliche Munition erhalte. Durch das Back-Tracking kommt sogar ein wenig Metroidvania-Feeling auf. Neben den Suche-A-und-kombiniere-es-mit-B-Rätseln gibt es aber auch noch Schalter- und Kombinationsrätsel, die zumindest im ersten Durchgang viel Spaß machen und die grauen Zellen richtig fordern.

Die Kombinationen für Schlösser und Tresore ändern sich bei weiteren Durchgängen übrigens nicht, was ich sehr begrüße. So muss ich nicht jedes Mal erneut nach den Hinweisen suchen, sondern kann mir die Beute direkt sichern. Die neue interaktive Map fand ich bei meinem ersten Durchgang besonders praktisch. Diese zeigt nämlich auch an, ob ich in den Räumen alles eingesammelt habe. Wenn ich einmal an einer Stelle nicht weiterkam, wusste ich sofort, wo ich noch suchen muss.
Trotz muffiger Zombies so frisch wie nie zuvor
Ich habe es bereits bei der Preview gesagt und muss es jetzt noch einmal wiederholen: "Resident Evil 2" ist in meinen Augen das perfekte Remake. Das etwas angestaubte Survival-Horror-Genre wird im Remake um coole Features ergänzt, die dem Spiel eine neue Frische verleihen. Die Geschichte und das Level-Design sind nah am Original, aber genau zu dem Grad abgeändert, dass Spielern des Klassikers nicht langweilig wird.
Im Gegenteil: Dank der vielen Modi und freispielbaren Extras hat "Resident Evil 2" einen enorm hohen Wiederspielwert und wird Fans noch lange in seinen Bann ziehen. "Resi"-Veteranen können beim Remake bedenkenlos zugreifen und für neue Spieler bietet das überaus gelungene Remake einen guten Einstieg in Capcoms Horror-Reihe.
Das hat mir gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ Tolle Grafikeffekte und eine nervenaufreibende Atmosphäre | - unregelmäßiges Pacing |
+ Nützliche Gameplay-Änderungen im Vergleich zum Original | - Mr. X ist beim Lösen von Rätseln manchmal eine echte Behinderung |
+ Abgewandelte Story, die mehr Einblicke in die Hintergründe zu den Ereignissen bietet | |
+ viele Modi und freischaltbare Extras |