Dem Britischen Empire und seinem damals frischgebackenen Premierminister Winston Churchill stand im Mai 1940 "Die dunkelste Stunde" seiner Geschichte bevor. Eine brandneue Inszenierung mit einem gefeierten Gary Oldman in der Hauptrolle zeigt nun, wie Churchill die drohende Niederlage durch die Nazis abzuwenden vermochte.
Unterstützt wird Oldman bei dem Historienstück von massenhaft Make-Up und der Crème de la Crème des britischen Kinos. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, erfährst Du in unserer Filmkritik.
Winston Churchill: Druck von innen und außen
Großbritanniens Regierung wird im Mai 1940 von einer innenpolitischen Krise erschüttert: Der besonnene Premierminister Chamberlain ist durch die Kriegserfolge der Nazis scheinbar in Tatenlosigkeit verfallen und muss wegen fehlender Unterstützung im Parlament sein Amt aufgeben. Viele wünschen sich Außenminister Viscount Halifax (Stephen Dillane, "Game of Thrones") als seinen Nachfolger, doch dieser wagt es offenbar nicht, in der prekären Lage die Führung des Landes zu übernehmen.
So gelingt es dem ehrgeizigen, aber eigentlich wenig beliebten Winston Churchill (preisverdächtig: Gary Oldman), an das Amt zu gelangen. Ohne Unterstützung durch sein Kriegskabinett oder König Georg VI. (Ben Mendelsohn, "Rogue One") versucht er, das Ruder herumzureißen – und weigert sich trotz des Drängens von Außenminister Halifax, Friedensverhandlungen mit Hitler in Betracht zu ziehen. Kann Churchill dem inneren und äußeren Druck auf Dauer standhalten?
"Die dunkelste Stunde": Kammerspiel mit dichter Atmosphäre
Es ist heutzutage kaum vorstellbar, wie knapp Europa vor der vollständigen Kapitulation vor Nazideutschland stand, das im Westfeldzug seine Nachbarn auf dem Festland regelrecht überrannte.
Und obwohl "Die dunkelste Stunde" dem Kriegsschauplatz weitestgehend fernbleibt, vermittelt das Drama eindrucksvoll, welche begründete Angst die britische Insel vor einem Einfall der als überlegen geltenden deutschen Wehrmacht hatte. Tatsächlich war diese so groß, dass für Chamberlain und Halifax das Eintreten in Friedensverhandlungen die einzige Lösung zu sein scheint. Wie Churchill dennoch versucht, seine Mitstreiter von seinem Kurs zu überzeugen, ist ein Kammerspiel, das die Spannung bis zum Ende hochhält.
Gleichzeitig beleuchtet das Drama, wie Churchill die Evakuierung der in Dünkirchen eingekesselten britischen Truppen organisiert. Die Operation Dynamo, bei der auch zivile Wasserfahrzeuge zum Einsatz kamen, wurde zur bis dato größten Rettungsaktion der Weltgeschichte und rettete 85 Prozent der britischen Streitkräfte vor dem sicheren Tod. Somit liefert "Die dunkelste Stunde" auch die Vorgeschichte und Hintergründe zu den Geschehnissen, die Christopher Nolan zuletzt in "Dunkirk" so raffiniert in Szene setzte.
Gary Oldman liefert einen facettenreichen Premierminister
Nur Churchill – so vermittelt es zumindest der Film – beweist Tatkraft und bemüht sich mit allen Mitteln, seine kriegsmüden Mitstreiter aus ihrer Schockstarre zu befreien. Dieser Spagat aus starker Führung bei gleichzeitigem Bemühen um die Einsicht seines Stabs ist eine echte Herausforderung für den Hauptdarsteller.
Und Gary Oldman, der zumindest rein optisch nicht die erste Wahl für den ikonischen Churchill gewesen sein dürfte, gelingt das mit Bravour. Oldman, den man in Fatsuit und Gesichtsmaske gesteckt hat, um ihn seiner Rolle anzunähern, spielt den leidenschaftlichen Staatsmann nicht als Überfigur, sondern zeigt von Anfang an auch seine menschlichen sowie schrulligen Seiten.
In den Gesprächen mit seiner Ehefrau (gewohnt überzeugend: Kristin Scott Thomas), im Umgang mit dem König oder seiner Sekretärin werden die verschiedenen Facetten Churchills beleuchtet, die gen Ende schließlich zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen – natürlich immer mit einer Zigarre und/oder einem Drink in der Hand. Dafür wurde Oldman zurecht als bester Hauptdarsteller in einem Drama mit dem Golden Globe bedacht.
Pathos in bekömmlichen Dosen
Auch der Rest des Casts fügt sich nahtlos in das von Regisseur Joe Wright ("Abbitte", "Anna Karenina") – inzwischen ein Experte für historische Stoffe – perfekt inszenierte Zeitkolorit ein. Statt Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben, werden Churchills Widersacher Chamberlain und Halifax auf eine Weise dargestellt, die ihre Beweggründe nachvollziehbar machen. Lily James mimt die verletzliche, doch zugleich starke Sekretärin des Entscheidungsträgers, die ihm nach einem holprigen Start treu ergeben ist. Ihre Beziehung zeichnet im Kleinen Churchills politischen Kampf nach.
Nur in wenigen Szenen, so beispielsweise, wenn Churchill bei seiner ersten U-Bahn-Fahrt mit den einfachen Menschen in Kontakt kommt, wird der Bogen etwas überspannt und "Die dunkelste Stunde" driftet etwas in Pathos ab. Das darf aber durchaus erlaubt sein bei einem Stoff, der zeigt, wie zerbrechlich unsere Weltordnung zuweilen sein kann.
Fazit
"Die dunkelste Stunde" führt dem Zuschauer mit einem bravourös aufspielenden Hauptdarsteller und dramaturgischer Finesse vor, wie Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg zum Retter der Nation wurde. Eine Belohnung bei den Oscars 2018 mit Preisen für Film und besonders Hauptdarsteller Gary Oldman wäre mehr als gerechtfertigt.