Schon vor ihrem Release muss sich die deutsche Historienserie "Barbaren" oft den Vergleich mit dem kanadischen History-Hit "Vikings" gefallen lassen. Damit liegt die Messlatte hoch. Ich durfte mir alle sechs Folgen der Netflix-Produktion schon vor dem Start ansehen und kann nun sagen: Die TV-Götter sind den "Barbaren" nicht ganz so gewogen wie den "Vikings", sehen lassen kann sich das Schwert-und-Sandalen-Spektakel made in Germany aber dennoch.
- Die spinnen, die Römer!
- Aller Anfang ist schwer
- Funkelnde Römer im nebligen Germanien
- Spannende Geschichtsstunde ...
- ... inklusive "GZSZ" im Jahr 9 n. Chr.
- Thusnelda ist keine Lagertha
- Fazit: Das Ende ist der Anfang
Die spinnen, die Römer!
Rom steht über allem. Das sollen gefälligst auch diese "Barbaren" in ihren mickrigen Dörfern und sumpfigen Wäldern akzeptieren, findet Statthalter Varus (Gaetano Aronica). Stattdessen leisten die germanischen Stämme angestachelt durch die Fürstentochter Thusnelda (Jeanne Goursaud) und den Krieger Folkwin (David Schütter) Widerstand und schließen sich zusammen – ausgerechnet unter der Führung von Varus' eigenem Ziehsohn Arminius (Laurence Rupp). Denn der ist eigentlich ein Sohn eines Cheruskeranführers und entsprechend hin und hergerissen, was seine Loyalität betrifft. Was folgt ist ein Ereignis, das Geschichte schreibt: die Varusschlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christus.

Bereits angesichts dieses kurzen Abrisses zur Handlung der Historienserie "Barbaren" wird klar: Hier trifft Geschichte auf Mythos. Die Netflix-Produktion verklärt die Germanen zu unterdrückten Underdogs, die gegen die römische Übermacht keine Chance haben sollten, aber wie Asterix und seine Gallier geben die "Barbaren" nicht auf. Sie kämpfen für ihre Freiheit, ihre Art, zu leben. Ein Hauch von "Braveheart" im heutigen Deutschland – wenn Braveheart zwischendurch die Seiten gewechselt hätte. Das Ergebnis? Unterhaltsam, wenn auch nicht frei von Schwächen.
Aller Anfang ist schwer
Diese Schwächen machen sich vor allem zu Beginn bemerkbar, weshalb ich mit "Barbaren" nicht sofort warm wurde. Die ersten zwei Folgen sind noch sehr holprig inszeniert, die Charaktere wirken überzeichnet, das Erzähltempo ist eher langsam. Allerdings lohnt es sich, dranzubleiben: Die Serie wird zum Ende hin deutlich stärker und nimmt an Fahrt auf.
Das könnte unter anderem am Stil der unterschiedlichen Regisseure liegen: Folge 1 bis 4 verantwortete die österreichische Regisseurin Barbara Eder, Episode 4 und 5 wurden vom irischen Regisseur Steve St. Leger inszeniert, der bereits an "Vikings" mitarbeitete.
Funkelnde Römer im nebligen Germanien
Dass ich trotz des nicht ganz glatten Anfangs drangeblieben bin, liegt wiederum an einer der größten Stärken von "Barbaren". Ein häufiger Stolperstein bei Produktionen mit historischem Einschlag ist das Kostümdesign. Sind die Outfits mies, sehen die Darsteller verkleidet und die ganze Produktion schnell nach Karneval aus. In dieses Fettnäpfchen tritt "Barbaren" glücklicherweise nicht. Die Serie punktet mit tollen Kostümen und Requisiten. Besonders die prunkvollen, aber schweren Rüstungen der Römer und die sperrige Lagerausrüstung, die ständig mitgeschleppt werden muss, machen viel her.
Ähnliches gilt für die Kämpfe: Die finale Schlachtszene ist spektakulär choreografiert und toll anzusehen. Inmitten von lodernden Flammen, spritzendem Blut und brüllenden Barbaren bekommt der Zuschauer eine Ahnung, wie viel Potenzial diese Serie wirklich hat. Leider kommt der herausragende, große Showdown – wohl auch aus Budgetgründen – für meinen Geschmack deutlich zu kurz.

Auffällig ist auch, dass "Barbaren" sonst nie wirklich barbarisch wird. In Sachen Gewalt wird die Serie zu keiner Zeit so explizit brutal wie "Vikings" (Stichwort: Blutadler). Stattdessen werden beispielsweise gekreuzigte Germanen zu tragischen Silhouetten im Nebel, was dieser Grausamkeit der Römer leider etwas die Wucht nimmt.
"Nicht ohne meine Nebelmaschine!", scheint ohnehin ein Motto der Serienmacher zu sein. Nahezu jede Außensequenz versinkt im wabernden Weiß, vermutlich um die düstere Stimmung zu betonen. Hier hätten die Showrunner Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Andreas Heckmann besser die goldene Regel "Weniger ist mehr" berücksichtigt. Wir sind ja nicht auf der magischen Insel Avalon.
Spannende Geschichtsstunde ...
Natürlich gibt die Serie nicht alle historischen Fakten und persönlichen Beziehungen bis ins Detail korrekt wieder. Die Macher nehmen sich unverkennbar das Recht heraus, die Ereignisse rund um die Varusschlacht mit reichlich fiktiven Elementen auszuschmücken. Teilweise sind Personen für die Serie erfunden worden. Bevor diverse Hobbyhistoriker nun auf die Barrikaden gehen, möchte ich zu bedenken geben, dass wir hier über eine Dramaserie reden – keine Dokumentation.
Dennoch haben sich die Showrunner Mühe gegeben, die Netflix-Serie so authentisch wie möglich wirken zu lassen. So werden immer wieder kulturelle und religiöse Elemente wie Hochzeiten und Beerdigungen eingestreut, die das Leben der germanischen Stämme bestimmten. Auf der anderen Seite sprechen die Römer durchgehend Latein, der Zuschauer folgt dem Geschehen in diesen Szenen lediglich über Untertitel. Das ist sicher gewöhnungsbedürftig, aber auch ein cleveres Stilmittel, um die Kluft zwischen Römern und "Barbaren" noch stärker hervortreten zu lassen. Für mich haben besonders solche Szenen die Faszination der Serie ausgemacht.
... inklusive "GZSZ" im Jahr 9 n. Chr.
Das fiktive Beziehungsdrama rund um die drei Hauptcharaktere Arminius, Thusnelda und Folkwin hat mich hingegen wenig bis gar nicht berührt. Lieber hätte ich mehr von den Streitigkeiten zwischen den Barbarenstämmen gesehen (dann wäre wohl auch mehr Action drin gewesen).
Vor allem die Dialoge zwischen den Hauptfiguren wirken oft steif, teilweise sorgen sie sogar für fiese Cringe-Momente. Wenn Du die "Meuterei in den unteren Reihen"-Szene siehst, wirst Du verstehen, was ich meine.
Thusnelda ist keine Lagertha

Positiv hervorzuheben ist, dass Goursauds Thusnelda, auf die tatsächlich der Begriff "Tussi" zurückgeht, in der Serie eben keine Tussi ist. Leider ist sie aber auch nicht die starke weibliche Leitfigur, als die die Serie sie darstellt. Zwar wird ständig betont, dass Thusnelda eine starke Frau ist und dass all die gestandenen germanischen Krieger eigentlich ihr folgen und nicht Arminius – so richtig abkaufen will man das der Serie aber nicht.
An einen Charakter wie "Vikings"-Schildmaid Lagertha, die tatsächlich selbst reichlich Kampfszenen hat und den einen oder anderen männlichen Charakter ebenso clever wie gnadenlos in die Schranken weist, kommt sie nicht heran. Das liegt allerdings auch daran, dass "Barbaren" lediglich sechs Folgen umfasst. Da bleibt schlichtweg nicht viel Zeit für Charakterentwicklung.
Fazit: Das Ende ist der Anfang
Ja, ich weiß, das ist eigentlich das Motto einer anderen deutschen Netflix-Serie, nämlich "Dark". Der Satz trifft so aber auch auf "Barbaren" zu. Denn: Besonders zum Ende hin zeigt die Serie, was in Sachen Action möglich ist und deutet den Bruch zwischen den drei zentralen Hauptfiguren an. "Barbaren" hat sich erst in den letzten zwei Episoden warmgelaufen – das schreit geradezu nach einer Staffel 2. Die Nebelmaschine dürfen die Macher dann aber gerne mal ausgeschaltet lassen.