Die Mondlandung jährt sich nächstes Jahr schon zum 50. Mal. Also genau der richtige Zeitpunkt, um mit "Aufbruch zum Mond" die Filmbiografie von Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, umzusetzen. Ob diese eine Punktlandung ist, erfährst Du in unserer Filmkritik.
Wettlauf mit der Zeit: Die Story
In den 1960er-Jahren ist der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion in vollem Gange. Auch auf dem Weg ins Weltall wird um die Vormachtstellung gerungen. Als der junge Testpilot und Luftfahrtingenieur Neil Armstrong zum Raumfahrtprogramm Gemini stößt, liegt die NASA weit zurück. Deshalb nehmen die Wissenschaftler gleich ein Mammutprojekt ins Visier, um aufzuholen: Nichts anderes als die Mondlandung ist das Ziel.
Doch der Weg ins All ist voller unvorhergesehener Hürden, die auch das Familienleben der Armstrongs belasten. Dabei muss die Familie ohnehin mit den Nachwehen einer Tragödie kämpfen.
Damien Chazelle greift nach den Sternen
Regisseur Damien Chazelle ist das neue Wunderkind Hollywoods. Seinem Achtungserfolg mit dem Musikfilm "Whiplash" konnte er mit "La La Land" nur zwei Jahre später die Krone aufsetzen. Gleich sechs Oscars strich er mit dem beschwingten Filmmusical ein. Doch mit "Aufbruch zum Mond" wendet er sich überraschenderweise einem ganz anderen Genre zu – und beweist, dass er als Filmemacher auch abseits der Musikwelt ernst zu nehmen ist.
Schon in den ersten Minuten des Filmes wird man direkt ins Geschehen geworfen und sitzt mit Hauptfigur Armstrong im Cockpit. Hier wird man unnachgiebig durchgeschüttelt und bekommt fast am eigenen Leibe zu spüren, was der Testpilot beim Durchbrechen der Schallmauer körperlich durchmacht. Eines ist von vornherein klar: Die NASA-Mitarbeiter absolvieren einen absoluten Knochenjob. Dem Zuschauer wird das mithilfe unruhiger Einstellungen, die fast die Nutzung einer Handkamera vermuten lassen, deutlich gemacht.
Das Ehepaar Armstrong als emotionales Zentrum des Films
Doch auch emotional kommt Armstrong nicht zur Ruhe. Nach dem tragischen Tod seiner zweijährigen Tochter vergräbt er sich in die Arbeit. Die Teilnahme am Gemini-Programm soll ein Neuanfang für die Familie werden. Doch tragische Rückschläge, bei denen auch Kollegen und Freunde des Einzelgängers zu Tode kommen, zerren am Nervenkostüm des Astronauten. Gosling spielt den Raumfahrtpionier mit einem zurückhaltenden Mienenspiel.
Er ist ein Denker und Grübler, der kaum etwas von sich preisgibt und die inneren Kämpfe ganz mit sich selbst ausmacht. Zum großen Unmut seiner Ehefrau, Janet. Nach "The Queen" mimt Claire Foy wieder die starke Frau, diesmal zwar nicht in direkter Führungsrolle als Königin, doch als Unterstützung für ihren Mann. Von seinen Weltraumambitionen wenig begeistert, hält sie ihm doch den Rücken frei.
Sinn und Zweck der Mondlandung wird hinterfragt
Für sie sind ihr Mann und seine Mitstreiter nur Jungs, die spielen, wie sie in einem ihrer seltenen Ausbrüche beklagt. Und der Weg zur Mondlandung wird im Film tatsächlich wenig idealisiert. Das Team muss immer wieder technische Rückschläge einstecken und es hagelt zunehmend Kritik von der Bevölkerung. Auch stellt Chazelle im Film immer wieder die Frage nach Sinn und Zweck der Mission.
Je nachdem wer zu Wort kommt – ob Armstrong selbst, die Bevölkerung in Archivaufnahmen oder der zum Zeitpunkt der Mondlandung schon verstorbene ehemalige US-Präsident John F. Kennedy in einer Rede aus dem Archiv – gibt es sehr unterschiedliche Gründe für das Vorstoßen ins All. Der Film stellt sich jedoch auf keine Seite, sondern zeigt in erster Linie die Reise des Protagonisten, der seine ganz eigene Agenda mit sich trägt.
Die Zeit rast in "Aufbruch zum Mond"
Mitunter ist es dem Erzählfluss hinderlich, dass es im Film große Zeitsprünge gibt. "Aufbruch zum Mond" handelt den Zeitraum von 1961 bis 1969 ab – und das manchmal so rasant, dass Armstrongs Ehefrau Janet (Claire Foy) in dem einen Moment noch einen Babybauch besitzt und gefühlt in der nächsten Einstellung mit flachem Bauch mit ihrer Nachbarin plaudert.
Während die Handlung gerade was das Familienleben der Armstrongs angeht, nur Momentaufnahmen einfängt, lässt sich Chazelle bei Armstrongs Testflügen Zeit. Sie werden geradezu minutiös, meist mit Nahaufnahme auf Goslings Gesicht, festgehalten. So scheint es manchmal, als ob ein doppeltes Zeitgefüge herrscht: Das schnell an Armstrong vorbeirauschende Familienleben neben seinen fast in Zeitlupe ablaufenden Einsätzen als NASA-Pilot.
IMAX saugt einen in den Film
"Aufbruch zum Mond" wurde im IMAX-Format gedreht und ich hatte das Glück, eine der wenigen Pressevorführungen Deutschlands in diesem Format genießen zu dürfen. Die Filmbiografie ist prädestiniert für das innovative Kinosystem, das mit seinem ungewöhnlich großen Bildformat in Kombination mit einer besonders hohen Auflösung den Zuschauer geradezu in den Film saugt.
So hatte man gerade bei den Weltraumflügen das Gefühl, mit an Bord zu sein. Das war mitunter jedoch gerade wegen der unruhigen Einstellungen selbst in Familienszenen so intensiv, dass sich bei mir schnell Kopfschmerzen einstellten. Für einen entspannten Kinoabend ist der Film wenig geeignet. Wer sich jedoch von der Handlung mitreißen lassen will, bekommt mit "Aufbruch zum Mond" ein Kinoerlebnis der visuellen Superlative serviert.
Mondlandung als visuelles Fest
Für die Mühe belohnt wird man im Anschluss allerdings mit eindrucksvollen Bildern von der Mondlandung. Hier schwelgt Chazelle (endlich) in ruhigen, visuell beeindruckenden Einstellungen, die von einem meisterhaften Score von Justin Hurwitz ("La La Land") untermalt werden.
Der Regisseur zog sich übrigens dafür Kritik zu, dass er auf das Hissen der amerikanischen Flagge auf dem Mond verzichtete. Das vermisst man jedoch kaum. Denn für den Film-Armstrong ist "Aufbruch zum Mond" eine sehr persönliche Mission, in der er einen inneren, lange verdrängten Konflikt geradezu kathartisch auflösen kann.
Fazit: Solides Biopic mit visueller Kraft
"Aufbruch zum Mond" ist in Teilen eine klassische Filmbiografie mit perfekt eingefangenem Zeitkolorit. Doch gerade durch seine ungewöhnliche Kameraarbeit kombiniert mit seinen bildlichen Schauwerten wird daraus besonders im IMAX-Format ein echtes Kinoerlebnis.