Das Samsung Galaxy S20+ muss sich im Test gegen die Konkurrenz behaupten – und gegen das eigene Schwestermodell Galaxy S20 Ultra. So viel sei verraten: Das Smartphone macht dabei eine erstaunlich gute Figur.
- Das Design: Perfekt, aber langweilig
- Das Display: Die Messlatte schlechthin
- Die Performance: Getrimmt auf Geschwindigkeit
- Der Akku: Ein Dauerläufer – zumindest ohne 5G
- Die Software: From Zero to Hero
- Die Kamera: Gut getrickst
- Telefonieren, Musik hören und Sicherheit
- Fazit: Weniger ist manchmal mehr
Das Samsung Galaxy S20+ tritt ein schweres Erbe an. Als Nachfolger des hervorragenden Galaxy S10+ muss es in jedem Punkt eine Schippe drauflegen. Zudem hat Samsung dem S20+ mit dem Galaxy S20 Ultra (hier geht's zum Test) ein Schwestermodell zur Seite gestellt, das in puncto Ausstattung beinahe jeden Rekord bricht. Kann sich das Galaxy S20+ in diesem Spannungsfeld behaupten?
Das Design: Perfekt, aber langweilig
Beim Design des Galaxy S20+ macht Samsung objektiv alles richtig und reißt trotzdem keine Bäume aus. Von vorn betrachtet präsentiert sich das Smartphone als ein einziges, wunderschönes großes Display. Nennenswerte Ränder gibt es weder an den Seiten noch am oberen und unteren Ende.

Einzig die kleine Frontkamera unterbricht den 6,7 Zoll großen Screen. Störend wirkt sie aber nicht. Die abgerundeten seitlichen Displayränder, die seit dem Galaxy S6+ ein Merkmal der Reihe sind, fallen beim S20+ besonders dezent aus und sind kaum noch wahrnehmbar.
Die schnörkellose Glasrückseite ist im Vergleich dazu deutlich stärker abgerundet. Das sorgt dafür, dass das Gerät trotz seiner Größer außerordentlich gut in der Hand liegt – merklich besser als das Galaxy S20 Ultra, das iPhone 11 Pro Max und selbst das Google Pixel 3a XL. Mit 186 Gramm hat das S20+ zudem ein angenehmes Gewicht, ohne sich schwer anzufühlen.

Doch so haptisch perfekt und funktional das Design des Galaxy S20+ auf der einen Seite ist, so langweilig und uninspiriert wirkt es auf der anderen. Das Gerät unterscheidet sich optisch kaum von zahlreichen anderen aktuellen Smartphones wie dem Huawei P40, dem Google Pixel 4 und den günstigeren Samsung-Modellen Galaxy A51 und A71. Im Wettlauf um das letzte Quäntchen Perfektion werden sich die Smartphones immer ähnlicher.
Das Display: Die Messlatte schlechthin
Eines der Highlights des Galaxy S20+ habe ich im oberen Abschnitt schon angerissen: das Display. Samsung, ohnehin bekannt für die besten Smartphone-Bildschirme auf dem Markt, liefert mit dem Display sein bisheriges Meisterstück ab. Wie gewohnt besticht der ALOMED-Screen mit hervorragenden Farben, Kontrasten und einer beeindruckenden Helligkeit. Lediglich das hauseigene Galaxy Note 10+ sowie das iPhone 11 Pro Max spielen in einer ähnlichen Liga.

Was das Display des Galaxy S20+ endgültig in den Technik-Olymp hebt, ist die Bildwiederholrate von 120 Hertz. Sie sorgt für einen extrem flüssigen Bildlauf, wie ihn aktuell kaum ein anderes Smartphone bietet. Vor allem beim schnellen Scrollen und bei Games spielt der Screen seine Vorteile aus. Der 120-Hz-Modus ist jedoch optional, muss in den Einstellungen des Smartphones aktiviert werden.
Die Performance: Getrimmt auf Geschwindigkeit
Ein schnelles Display macht nur dann Sinn, wenn der Prozessor im Inneren des Smartphones ordentlich Rechen-Power hat – und das hat er beim Galaxy S20+. Der Exynos 990 ist ein Octacore-Prozessor, der im 7-Nanometer-Verfahren hergestellt wird. In puncto Effizienz muss er sich auf dem Papier zwar dem Snapdragon 865 von Qualcomm und dem A13 Bionic von Apple geschlagen geben, für die Alltagsnutzung fällt das jedoch kaum ins Gewicht.

Ebenso wichtig wie der Prozessor ist die Speicherausstattung. Das Galaxy S20+ verfügt über einen üppigen Arbeitsspeicher von 8 GB RAM. Der interne Speicher von 128 GB ist ein moderner UFS-3.0-Speicher, der einen besonders schnellen Datenzugriff erlaubt. Davon profitiert das gesamte System in Form von kürzeren Ladezeiten für Apps und Dateien. Auf Wunsch lässt sich der Speicher per microSD-Karte noch erweitern.
Der Akku: Ein Dauerläufer – zumindest ohne 5G
Der Akku im Samsung Galaxy S20+ fällt mit 4500 mAh richtig groß aus. Der Hauptgrund, warum Samsung den Akku derart aufgepumpt hat, dürfte das optionale 5G-Modem sein, das nach bisherigen Berichten viel Energie benötigen soll. Ich habe die 4G-Variante getestet, und hier profitiert das Galaxy S20+ merklich vom üppigen Batteriespeicher. Zwei volle Tage bei normaler Nutzung waren kein Problem. Wer sparsam ist, kann sogar ein wenig mehr herausholen, und Power-User sollten immerhin problemlos durch einen Tag kommen.

Geladen wird per Fast Charging mit bis zu 40 Watt Ladeleistung oder kabellos über den bekannten Qi-Standard. Auch Reverse Wireless Charging, also das kabellose Aufladen eines anderen Smartphones durch das S20+, wird unterstützt.
Die Software: From Zero to Hero
Wurde die Samsung-Software TouchWiz früher gern als Beispiel für eine optisch überladene und langsame Nutzeroberfläche herangezogen, hat sich das spätestens mit der Einführung der One UI geändert. Auf dem Galaxy S20+ läuft die UI in der neuesten Version 2.1 und macht einen aufgeräumten Eindruck. Am Design gibt es nichts auszusetzen.
One UI 2.1 bringt zwar kein neues Design, aber einige neue Features mit sich. Die besten davon sind:
- Quick Share: Die AirDrop-Alternative von Samsung
- Music Share: Erlaubt das Teilen einer Bluetooth-Verbindung für Musik-Streaming
- Live-Caption: Erzeugt Untertitel für Podcasts, Videos und Sprachnachrichten – funktioniert ohne Datenverbindung
- Single-Take: Nutzt alle Kamera-Optionen, um mit einem Antippen des Auslösers bis zu 14 Bilder und Videos mit den unterschiedlichen Linsen zu erstellen
Zwar ist das System immer noch mit Features und Optionen vollgepackt, was sich speziell in den weit verzweigten Menübäumen der Einstellungen-App offenbart. Das ist aber ein Problem, unter dem alle Hersteller leiden, die ihre Geräte mit immer mehr Funktionen ausstatten.
Bei den Software-Updates gehört Samsung inzwischen zu den Herstellern mit dem längsten Support. Mindestens zwei große Android-Versionen werden nach Release eines Smartphones angeboten. Fast noch wichtiger sind die Sicherheits-Updates, die es für mindestens vier Jahre gibt.
Die Kamera: Gut getrickst
Beim Kamera-Setup gibt es im Vergleich zum letztjährigen Galaxy S10+ einige Änderungen. Zunächst wäre da die Frontkamera. Den zusätzlichen Tiefensensor aus dem Vorjahr spart sich Samsung beim S20+. Stattdessen gibt es einen überdurchschnittlich guten 10-Megapixel-Sensor, der auf Wunsch in 4K mit 60 Bildern pro Sekunde filmt.

Die Rückkamera hat im Vergleich zum S10+ ein hübsches Upgrade erhalten. Der Hauptsensor löst weiterhin mit 12 Megapixeln auf und besitzt eine f/1.8-Blende. Der Sensor sorgt für tolle Bilder mit lebensechten Farben, starken Kontrasten und einem hohen Dynamikumfang.
Dem Hauptsensor zur Seite steht ein 64-Megapixel-Senor mit einer f/2.0-Blende. Dieser Sensor sorgt für den dreifachen Hybrid-Zoom, mit dem Samsung das Galaxy S20+ bewirbt. Allerdings besitzt die Linse selbst lediglich eine 1,06-fache Zoom-Stufe. Den Rest erreicht das Galaxy S20+ mittels Sensor-Crop.
Das bedeutet, dass das Bild des zweiten Sensors dank der 64 Megapixel digital bis auf eine dreifache Vergrößerung herangezoomt wird. Genau genommen ist der beworbene Hybrid-Zoom also gar keiner, Samsung bedient sich vielmehr einer cleveren Trickserei.
Qualitativ hat dies jedoch keine Auswirkungen. Dank der hohen Auflösung und guter Software funktionieren die Zooms bis zu einer dreifachen Vergrößerung praktisch verlustfrei. Insgesamt erlaubt die Kamera-Software von Samsung digitale Zooms bis zu 30-facher Vergrößerung. Das ist jedoch reine Spielerei, die meisten Bilddetails gehen bei einer derart hohen Zoom-Stufe verloren.
Wie schon beim Galaxy S10+ gibt es auch beim S20+ einen dritten Sensor. Er löst mit 12 Megapixeln auf und sitzt hinter einer Ultraweitwinkel-Linse mit 120-Grad-Sichtbereich. Das Umschalten zwischen den einzelnen Zoom-Stufen klappt über die Kamera-Software nahtlos. Beim vierten verbauten Sensor handelt es sich um einen reinen Tiefensensor, der vor allem bei der Trennung der Tiefenebenen hilft. Aufnahmen mit starkem Unschärfeeffekt im Hintergrund sind deshalb eine der großen Stärken des Samsung Galaxy S20+.
Wie es sich für ein Top-Smartphone im Jahre 2020 gehört, gibt es natürlich auch einen Nachtsichtmodus, der dunkle Motive mit Hilfe von Software-Tricks merklich aufhellt. Der funktioniert grundsätzlich gut und mit allen Linsen und wurde gegenüber der Galaxy-S10-Reihe merklich verbessert.
Überzeugen kann das Galaxy S20+ auch bei Videoaufnahmen. Die funktionieren vor allem bei 1080p mit einer beeindruckenden Bildstabilisierung. Filmen ist auch in 4K mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde möglich – und erstmals sogar in 8K-Auflösung (7.680 x 4.320 Pixel) mit maximal 24 Bildern pro Sekunde. Die 8K-Auflösung ist eine beeindruckende technische Leistung, aber ohne entsprechenden Monitor lässt sich die Qualität der Aufnahmen nicht bewerten. Sinnvoll nutzen kann den 8K-Modus aktuell wahrscheinlich so gut wie niemand.
Probleme der Kamera mit dem Autofokus, die in einigen Tests thematisiert wurden, tauchten in meinem Test des Galaxy S20+ im Auslieferungszustand auch auf. Seit einem Software-Update sind sie jedoch behoben.
Telefonieren, Musik hören und Sicherheit
Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Punkte, die sich zum Samsung Galaxy S20+ erwähnen lassen. Die Gesprächsqualität beim Telefonieren beispielsweise lässt keine Wünsche offen, und die eingebauten Lautsprecher liefern beim Musikhören einen annehmbaren Sound.
Wer Kopfhörer per Kabel anschließen möchte, muss auf den 3,5-Millimeter-Klinkenanschluss verzichten. Den hat Samsung erst beim Note 10 und nun auch in der Galaxy-S-Reihe gestrichen. Entschädigt werden Käufer mit den mitgelieferten USB-C-Kopfhörern der Marke AKG, die eine überraschend gute Soundqualität bieten.
Das Gehäuse des Smartphones ist wie beim Vorgänger nach der iP68-Norm gegen Staub und Wasser geschützt, sollte auch kurzes Untertauchen in Wasser unbeschadet überstehen. Einen kleinen Grund zum Meckern liefert der ins Display integrierte Fingerabdrucksensor. Er funktioniert zwar zuverlässig, wurde aber gegenüber der Galaxy-S10-Reihe nicht verbessert und ist immer noch langsamer als die Sensoren anderer Hersteller.
Fazit und Alternativen: Weniger ist manchmal mehr
Es ist ein wenig schade, dass sich Samsungs Marketing auf das Galaxy S20 Ultra zu konzentrieren scheint. Denn das Galaxy S20+ ist nach meiner Ansicht das deutlich rundere Gesamtpaket. Es ist handlicher, deutlich günstiger und bietet trotzdem kaum weniger. Die Abstriche im Vergleich zum großen Bruder – vor allem ist die Kamera weniger Zoom-stark – lassen sich gut verkraften.

Unterm Strich gratuliere ich Samsung zu einem High-End-Smartphone, wie es ausgewogener kaum sein könnte. Ja, das Design ist etwas langweilig und kein Alleinstellungsmerkmal, aber es sorgt für eine hervorragende Haptik. Technisch ist das S20+ ohnehin über so ziemlich jeden Zweifel erhaben und lässt kaum Wünsche offen.
Ein paar falsche Prioritäten setzt Samsung meiner Meinung nach dennoch beim Galaxy S20+: Der praktische Nutzen einer 8K-Videokamera will sich mir im Jahre 2020 nicht so recht erschließen. Und der 120-Hz-Modus ist zwar nett, aber nicht essenziell. Besitzer eines Galaxy S10 oder eines Galaxy Note 10 müssen deshalb nicht sofort das Sparschwein plündern. Ihre Geräte halten immer noch sehr gut mit. Weitere Alternativen zum S20+ sind die aktuelle Huawei-P40-Reihe und die iPhone-11-Pro-Modelle.