So sieht also die Wiedergutmachung à la Samsung aus: Das Galaxy S8 und das Galaxy S8 Plus kämpfen nach dem Note 7-Skandal um verlorenes Vertrauen in die Marke. Wir haben uns das größere 6,2-Zoll-Modell im Test angesehen und glauben an den Erfolg – auch wenn eines der wichtigsten Verkaufsargumente erst nachgeliefert wird.
- Design: Kleine Veränderung, große Wirkung
- Handling: Braucht man noch Hardware-Buttons?
- Hardware: Konservativ innovativ
- Software: Wann kommst Du denn nun, Bixby?
- Kamera: Selfies werden immer wichtiger
- Akku: Ein brandheißes Thema
- Fazit: Das beste Smartphone 2017?
Wie viel Display bekommt man eigentlich in einem Smartphone unter, ohne dass es zu unkomfortabel in der Handhabung wird? Diese Frage versucht Samsung derzeit mit dem Galaxy S8, mehr noch aber mit dem Galaxy S8 Plus, auszuloten. Genau dieses Modell, das einen 6,2 Zoll großen Bildschirm besitzt, aber kaum größer ausfällt als ein iPhone 7 Plus, haben wir im Test unter die Lupe genommen und im Alltag auf die Probe gestellt. Lässt sich das Phablet mit dem riesigen Curved-Screen noch komfortabel bedienen? Kann sich die Kamera den Smartphone-Thron vom Google Pixel zurückerobern? Und worauf setzt Samsung noch, um das Galaxy Note 7-Debakel vergessen zu machen? Eine wichtige Software-Komponente jedenfalls lässt sich aktuell noch gar nicht testen – der Sprachassistent Bixby steht zum Release des Galaxy S8 in Deutschland noch nicht zur Verfügung. Echt schade!
Design: Kleine Veränderung, große Wirkung
Die ersten Journalisten, die bei den Unpacked-Events von Samsung einen Blick auf das Galaxy S8 und das Galaxy S8 Plus werfen durften, wurden schnell überschwänglich: Das neue Infinity-Display sorgte für viele "Aaahs" und "Ooohs". Auch wir waren im ersten Hands-On-Test begeistert – und sind es nach wie vor. Insbesondere beim größeren Galaxy S8 Plus scheint das Display gerade zu den Seiten hin nicht enden zu wollen. Das Format erscheint zunächst zwar ungewöhnlich – mit seinem Seitenverhältnis von 18,5:9 fällt das Samsung-Flaggschiff etwas länger, dafür aber schlanker als viele anderen Smartphones aus. Im Alltag beeindruckt der WQHD+-Screen mit 2960 x 1440 Pixeln aber vor allem bei der Wiedergabe von Medieninhalten wie Fotos oder Videos. Gerade 21:9-Videos sind wie gemacht fürs Ansehen auf dem Galaxy S8 Plus. Bei 16:9-Inhalten hingegen bleibt ein Teil des Displays schwarz oder das Video wird beschnitten. Dass die Pixeldichte des Galaxy S8 Plus mit 529 ppi minimal geringer ausfällt als beim Galaxy S8 mit 570 ppi, ist beim besten Willen nicht zu erkennen.
Obwohl das Infinity-Display des neuen Samsung-Modells fast durchweg begeistert: So außergewöhnlich neu gedacht wurde der Smartphone-Screen eigentlich nicht. Das Curved-Design trugen schon Galaxy S6 Edge und Galaxy S7 Edge. Allerdings ist es Samsung nun gelungen, die Display-Ränder auch oben und unten noch bedeutend zu schrumpfen. Und da sich das Design von Smartphones in den letzten Jahren so wenig verändert hat, wird gern von einer Design-Revolution gesprochen. Übertrieben oder nicht – eindrucksvoll ist es auf jeden Fall! Die Samsung Galaxy S-Reihe sollte damit endgültig aus dem Schatten der Jahr für Jahr aufs Neue gehypten iPhone-Generationen treten können. So viel Display in so wenig Smartphone kann Apple (noch) nicht.
Handling: Braucht man noch Hardware-Buttons?
Mit der Einführung des Infinity-Displays verschwindet allerdings der physische Home-Button, der bis dato den Fingerabdrucksensor beherbergte. Für Ersatz sorgt ein On-Screen-Button, der die gleiche Software-Funktion erfüllt, sich aber einfach anders anfühlt. Eine Vibration bei starkem Druck liefert zwar haptisches Feedback, der eine oder andere wird sich wohl jedoch erst daran gewöhnen müssen. Außerdem wird manch einer wahrscheinlich von der Nutzung des Fingerabdrucksensors absehen, da dieser nun hinten neben der Kamera sitzt. Das ist erstens nicht sonderlich intuitiv zu finden, zweitens ein Nachteil für Linkshänder und drittens mit der Gefahr verbunden, ständig auf die Kameralinse zu tatschen.
Dafür gibt es aber mittlerweile nicht nur eine, sondern zwei Alternativen zu PIN, Muster, Passwort und Fingerabdruck: die nicht ganz so sichere Gesichtserkennung oder den vom Note 7 bekannten, aber verfeinerten Iris-Scanner. Beides funktionierte im Test so zuverlässig und schnell, dass wir uns eines davon durchaus als dauerhaften Ersatz für die Fingerabdruckerkennung vorstellen könnten. Die Platzierung des Fingerabdrucksensors ist dennoch ärgerlich – schließlich hat Samsung ihm Pixel-ähnliche Funktionen wie das Aufrufen des Benachrichtigungscenters spendiert.
Da es beim Galaxy S8 keine Variante mehr ohne den Curved-Screen gibt, ist mittlerweile auch das zusätzliche Edge-Menü Standard. Hier kannst Du weiterhin häufig genutzte Apps oder viel kontaktierte Personen ablegen. Für echtes Multitasking lässt es Dich zudem bestimmte Bereiche des Screens zum Beispiel oben an den Bildschirm anheften. Neu ist darüber hinaus der Zugriff auf den App-Drawer. Dieser hat auf dem Galaxy S8 Plus kein eigenes Symbol mehr, sondern wird per Wisch von unten nach oben geöffnet. Daran gewöhnt man sich aber schnell.
Hardware: Konservativ innovativ
Was die Hardware angeht, spielt Samsung mit seinen Flaggschiff-Modellen Jahr für Jahr ganz vorne mit. Natürlich hat auch das Galaxy S8 einen neuen und stärkeren Prozessor, mehr Arbeitsspeicher und einen größeren internen Speicher bekommen (64 GB sind jetzt Standard). Und auch der USB Typ-C-Anschluss ist neu. Ansonsten war Samsung allerdings zurückhaltend, was das Verändern eines bereits starken High-End-Smartphones betrifft. Die Hauptkamera ist immer noch die gleiche wie im Galaxy S7, nur die Frontkamera hat jetzt einen Autofokus spendiert bekommen. Anders als Apple beim iPhone 7 halten die Südkoreaner beim Galaxy S8 auch am 3,5-mm-Kopfhöreranschluss fest. Wireless Charging ist ebenfalls an Bord. Zudem ist das Smartphone wieder wasserdicht. Damit dürfte das Samsung-Smartphone so gut wie keine Wünsche offen lassen – genau wie das Vorgängermodell zu seiner Zeit. Auf größere Veränderungen oder gar Hardware-Experimente mit einem größeren Akku verzichtete Samsung. Und jeder weiß, warum.
Software: Wann kommst Du denn nun, Bixby?
Größtes Verkaufsargument neben dem Infinity-Display soll daher die neue Software sein, genauer gesagt: Sprachassistent Bixby. Umso ärgerlicher ist es für Galaxy S8-Interessierte, dass der smarte "Sidekick", als den Samsung ihn sieht, zum Release nicht in Deutschland verfügbar sein wird. Hierzulande soll Bixby erst Ende des Jahres funktionieren. Testen konnten wir den Assistenten daher nicht. Was wir aber über ihn wissen, ist unter anderem, dass er anders als Siri oder der Google Assistant nicht als allwissende KI wahrgenommen werden will. Vielmehr versucht Samsung, mit Bixby eine Art alternatives Interface zu schaffen, das ein nahtloses Wechseln zwischen Touch- und Sprachbedienung ermöglicht. Du sollst jede gewünschte Aktion mit dem Galaxy S8 Plus also wahlweise mit den Fingern oder per Sprache ausführen können.
Als kleinen Vorgeschmack kann man vielleicht Bixby Vision begreifen, Samsungs Form der Bixby-Integration in die Kamera-App. Darin ruft ein Tipp auf den entsprechenden Button den Assistenten auf den Plan, der zu dem, was die Kamera sieht, entweder eine Bildersuche für Dich ausführt oder passende Shopping-Ergebnisse liefert. Auch die (von Google Translate realisierte) Übersetzung von erkanntem Text ist möglich. Alle diese Features funktionierten im Test, jedoch nicht immer und noch nicht ganz fehlerfrei. Der Hardware-Button, der Bixby später auf den Plan rufen soll, zeigt bei doppeltem Drücken bisher nur eine Art Home-Übersicht mit verschiedenen Karten, die Informationen zu Deinen Gewohnheiten oder Interessen bereithalten. Damit dieses lernfähige Feature wirklich nützlich wird, muss man es jedoch erst einmal eine Weile mit Routinen füttern.
Kamera: Selfies werden immer wichtiger
Warum Samsung die Kamera des Galaxy S7 beibehalten hat? Vermutlich, weil sie bereits eine hervorragende Bildqualität liefert. Mit dem iPhone 7 konnte die 12-Megapixel-Kamera locker mithalten, nur das Google Pixel kratzte zuletzt am Kamera-Thron des Vorjahres-Flaggschiffs. Zudem wird die Konkurrenz durch Marken wie Huawei und Honor, die wie Apple und LG auf Dual-Kameras setzen, zunehmend größer. Was hat Samsung also getan, um die Vorreiterrolle in Sachen Smartphone-Kameras zu wahren? Beim Unpacked-Event versprach der Hersteller einen leistungsfähigeren Bildprozessor und – so viel ist doch neu – eine Frontkamera mit Autofokus. Das dürfte der Generation Selfie sicher ebenso zusagen wie die beinahe endlosen AR-Spielereien, die Selbstporträts und -videos mit lustigen Effekten versehen.
Größtes Augenmerk im Test legten wir dennoch auf die Hauptkamera, die wie bereits im Galaxy S7 aus dem letzten Jahr hervorragende Bildergebnisse liefert. Manchmal werden die Bilder sogar zu schön: Im Automatikmodus neigt die Kamera-App des Galaxy S8 Plus dazu, die Farben ein wenig übersättigt wiederzugeben. Das Blau des Himmels wird noch blauer und das Grün des Rasens noch grüner, als es in Wirklichkeit ist. Wer dagegen steuern möchte, hat aber natürlich die Möglichkeit, in den manuellen Modus zu wechseln oder einen der vielen vorinstallierten Filter zu verwenden.
Die Bedienung der Kamera-App erscheint in diesem Jahr intuitiver und komfortabler denn je. Sie lässt sich nicht nur per Doppeldruck auf den Power-Button schnell starten – auch alle Einstellungen und Effekte sind meist nur einen Fingerwisch entfernt. Gezoomt wird praktischerweise durchs Gedrückthalten und nach oben oder unten Ziehen des Auslöse-Buttons. Ist dieser bei Selfies nicht gut mit einer Hand zu erreichen, kannst Du Dir auf Wunsch einen zweiten Button an einer beliebigen Stelle auf dem Screen platzieren. Alternativ löst Du einfach per Sprachbefehl oder Lautstärketaste aus. Fokussiert hat das Galaxy S8 Plus im Test so schnell, wie die Kamera-App gestartet ist. Die Bilder wurden somit fast ausnahmslos scharf und – dank der neuen HDR-Fähigkeit des Bildprozessors – auch gleichmäßig ausgeleuchtet. So macht Fotografieren mit dem neuen Samsung-Smartphone einfach Spaß.
Akku: Ein brandheißes Thema
Wird es explodieren oder nicht? Eine Frage, die sich bei kaum einem anderen Smartphone-Modell so aufdrängt wie beim Galaxy S8 Plus, das als erstes Samsung-Flaggschiff nach dem Galaxy Note 7 erscheint. Vorhersagen dazu lassen sich natürlich nur schwer treffen, allerdings kann man sagen, dass Samsung mehr denn je in die Sicherheit seiner Smartphone-Akkus investiert hat. Neue achtstufige Sicherheitstests sollen das Risiko so klein halten wie nur möglich. Außerdem hat Samsung die Kapazität der Akkus im Vergleich zum Vorjahr nicht vergrößert – im Gegenteil sogar: Das Galaxy S8 Plus besitzt einen 3500-mAh-Akku, im Galaxy S7 Edge steckte noch ein Energiespeicher mit 3600 mAh. Im Test kamen wir mit dem kleineren Akku gut über anderthalb Tage. Kommt jedoch noch ausgedehnte Social-Media-Nutzung oder Mobile Gaming hinzu, sollte das Galaxy S8 Plus wohl nach spätestens einem Tag wieder aufgeladen werden.
Obwohl die Akkukapazität im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, verspricht Samsung eine längere Haltbarkeit des Akkus. Aufgrund einer neuen chemischen Zusammensetzung soll der Energiespeicher langsamer an Kapazität verlieren. Ob das stimmt, können allerdings erst Langzeittests zeigen.
Fazit: Das beste Smartphone 2017?
Anders als beim Galaxy Note 7 könnten Samsung in diesem Jahr nicht das Smartphone selbst, aber die Anzahl der Bestellungen um die Ohren fliegen. Zumindest im Heimatland Südkorea brach die Zahl der Vorbestellungen bereits alle Rekorde. Nach unserem Test können wir uns auch denken, warum. Im Jahr 2017 ist es nämlich schwerer denn je, Menschen mit einem neuen Smartphone noch wirklich vom Hocker zu hauen. Dafür ähneln sich die meisten Modelle viel zu sehr. Mit dem Galaxy S8 und dem Galaxy S8 Plus hat Samsung es jedoch geschafft, ein aufregend neues Smartphone zu designen, das fast jedem bei der ersten Berührung ein "Wow" entlockt. Doch nicht nur das beinahe randlose Infinity-Display im edlen Glasgehäuse macht das neue Samsung-Flaggschiff zum unserer Meinung nach besten Android-Smartphone 2017. Auch der Rest des Galaxy S8-Pakets ist einfach stimmig. Die Hardware liefert die gewohnte Top-Performance, die Kamera macht einfach tolle Bilder und die Samsung-Software zählt endlich nicht mehr zu den Kritikpunkten.

Perfekt ist das Galaxy S8 Plus dennoch nicht. Der Fingerabdrucksensor ist einfach unpraktisch platziert, Bixby hierzulande noch nicht verfügbar und der Preis zwar konkurrenzfähig, aber hoch. Mit 899 Euro kostet das Galaxy S8 Plus zwar nicht mehr als ein iPhone 7 Plus in der kleinsten Speichervariante, für viele Menschen ist das aber ohne Frage viel Geld. Nichtsdestotrotz würde ich das Samsung Galaxy S8 zweifellos jedem empfehlen, der auf der Suche nach einem High-End-Android-Modell ist – die Entscheidung für 5,8 oder 6,2 Zoll sollte aber erst nach kurzem Ausprobieren getroffen werden. Ob es sich nicht nur um das beste Android-Smartphone 2017, sondern um das beste Smartphone 2017 handelt, muss dann der Release von iPhone 8 und Google Pixel 2 zeigen.