In den USA kennt jedes Kind die Buchreihe "Scary Stories to Tell in the Dark" – oder zumindest jedes Kind mit einem Faible für Gruselgeschichten. Die Verfilmung soll nun auch heranwachsende Horrorfans in Deutschland das Fürchten lehren. Leider gelingt das nur bedingt – zwischen einer Handvoll halbwegs geglückter Schauerszenen gibt's jede Menge Leerlauf.
- Von den Buchseiten auf die Leinwand
- Eine Geschichte über Geschichten
- Wenn "nett" nicht ausreicht
- Grusel für Kids muss nicht kindisch sein
Von den Buchseiten auf die Leinwand
Bei uns startet "Scary Stories to Tell in the Dark" pünktlich zu Halloween am 31. Oktober. Ein cleverer Marketing-Schachzug, denn so wird dieser familienfreundliche Light-Horrorfilm ganz sicher sein angepeiltes Publikum erreichen: kreischwütige Teenies. Für gesetztere Genrefans jenseits der 20 gibt's hier aber nicht viel zu holen – "Scary Stories" richtet sich nicht an erfahrene Horrorgucker, sondern mag Jüngeren als Einstieg ins Grusel-Genre dienen. Weshalb ich mich bei der Bewertung ein bisschen schwertue.
Die "Scary Stories"-Bücher sind hierzulande nicht sehr bekannt. Die unheimlichen Schwarz-Weiß-Illustrationen könntest Du aber schon gesehen haben, denen sind ganze Fan-Pages im Netz gewidmet (zum Beispiel hier). Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Film nur gemacht wurde, um von der Popularität dieser Zeichnungen zu profitieren, die streckenweise wirklich schön schaurig sind. Folgerichtig sind die Szenen, in denen die bekanntesten Gruselgestalten der Illustrationen wie die aufgedunsene Pale Lady ihren Auftritt haben, die rar gesäten Highlights.

Eine Geschichte über Geschichten
In "Scary Stories" treffen wir auf die drei Schulfreunde Stella, Auggie und Chuck, die im Jahr 1968 ein Halloween feiern, wie sie es wohl nie vergessen werden. Ihnen fällt ein unheimliches Buch in die Hände, das Gruselgeschichten wahr werden lässt. Natürlich haben die Kids wenig Bock drauf, unfreiwillige Protagonisten in einer Reality-Horrorshow zu sein. Und so müssen sie das Geheimnis der alten Schwarte ergründen und den Geistern der Vergangenheit zur ewigen Ruhe verhelfen, um den Spuk zu beenden.
Wie in einer Kurzgeschichtensammlung haben wir hier eine übergreifende Rahmenhandlung und mehrere episodisch erzählte Schauermärchen. Darin treten so seltsame Gestalten wie die bereits erwähnte Pale Lady (eine untersetzte Frau, kalkweiß und immer mit einem Lächeln auf den Lippen) oder der ulkige Jangly Man auf, der seinen zerhackten Körper immer wieder neu zusammensetzt. In meiner Lieblingsepisode "The Red Spot" brechen aus einem vermeintlich harmlosen Pickel Aberhunderte von Spinnen hervor – Arachnophobiker sollten besser die Augen schließen.

Wenn "nett" nicht ausreicht
Für mich als Hardcore-Horrorfan ist das alles einigermaßen charmant, kompetent in Szene gesetzt und, nun ja, nett – aber das reicht mir einfach nicht. Mir ist klar, dass ein teenietauglicher Gruselstreifen ab 16 keine derben Gewaltszenen haben wird. Muss er auch nicht. Zwei meiner liebsten Gruselstreifen aller Zeiten (der erste "Paranormal Activity" und der japanische "Ju-On") zeigen nahezu überhaupt keine Brutalität, der Horror entsteht nur durch die Bilder und das Sounddesign. Aber bei denen hat mich die Story gefesselt, habe ich mit den Charakteren mitgefiebert. Bei "Scary Stories" dagegen habe ich mehrmals auf die Uhr geschaut.
Für seine Lauflänge von recht großzügigen 108 Minuten gibt es zu viele Szenen, in denen wenig bis nichts passiert. Der Film singt ein Loblied auf die Kraft der Fantasie. Das ist ehrenwert. Eine schöne, starke Message. Aber die könnte man auch wirklich knackiger und straffer rüberbringen. So bremst sich "Scary Stories" regelmäßig selbst aus, damit Charaktere sich gegenseitig umständlich erklären, was der Zuschauer schon nach zehn Minuten begriffen hat. Die Schauspieler (allen voran Zoe Colletti als Mauerblümchen Stella) sind solide, schaffen es aber nicht, ihren zu grob gezeichneten Figuren interessante Facetten abzugewinnen.

Grusel für Kids muss nicht kindisch sein
Und noch einmal: Das liegt nicht daran, dass "Scary Stories" für ein jüngeres Publikum gemacht ist. Es gibt eine Reihe Filme für junge Zuschauer, die ein großartiger Einstieg ins Horror-Genre sind: die Klassiker "Hexen hexen" und "Monster Busters" zum Beispiel, oder der überragende "Krampus" mit Toni Collette von 2015. Das sind tolle, originelle Filme, die genau die Balance zwischen Grusel und familienfreundlichem Abenteuer halten. Nur erreicht "Scary Stories" nie deren Schwung, Witz und Niveau.

Somit bin ich ein weiteres Mal enttäuscht von Regisseur André Øvredal, der 2010 mit dem originellen Found-Footage-Horrorfilm "Trollhunter" für Aufsehen sorgte, seitdem aber nur glatten, überproduzierten Mainstream-Schauer bringt. Auch und gerade jüngere Gruselfans verdienen etwas Besseres als "Scary Stories to Tell in the Dark".
Oder vielleicht sollten sie einfach die Bücher lesen.