Du findest, die Corona-Einschränkungen sind zum Wahnsinnigwerden? Dann erzähl' das mal Nicolas Cage. Er spielt in diesem Film einen Familienvater, den eine außerirdische Bedrohung wirklich meschugge macht. Außerdem dabei: Ein alter Kiffer, eine Herde Alpakas und derber Body-Horror. Mein Blu-ray-Tipp im Mai: "Die Farbe aus dem All" nach der gleichnamigen Geschichte von H. P. Lovecraft.
- Ein Kiffer, eine Hexe und Nicolas Cage
- Der Wahnsinn kommt schleichend
- Welche Scheibe darf's denn sein?
- Fazit: Kosmo-Horror für Freunde des Speziellen
Schnell! Wie viele Geschichten von Howard Phillips Lovecraft kennst Du? Selbst wenn Dir jetzt namentlich keine einfällt, hast Du garantiert schon mal von Cthulhu gehört. Das Horror-Genre "Kosmischer Schrecken", in dem sich die insignifikante Menschheit von uralten, mächtigen Wesenheit aus dem All bedroht sieht, geht nahezu vollständig auf das Werk des Autoren H. P. Lovecraft zurück. Und der hat eben auch die tentakelgesichtige Gottheit Cthulhu ersonnen, die mittlerweile einen festen Platz in der Popkultur eingenommen hat.
Einer der einflussreichsten Schriftsteller des Horrors also – bloß mit gelungenen Verfilmungen seiner Erzählungen will es nicht so recht klappen. Einer Handvoll guter Lovecraft-Filme stehen unendlich viele mittelmäßige bis richtig schlechte gegenüber. Jetzt versucht es Regisseur Richard Stanley mit "Die Farbe aus dem All". Ohne Cthulhu. Aber mit psychedelischem Weltraum-Terror. Und Nicolas Cage in Bestform. Mein Blu-ray-Tipp im Mai.

Ein Kiffer, eine Hexe und Nicolas Cage
Nicolas Cage spielt Nathan Gardener, einen gemütlichen Familienvater und glühenden Anhänger von frisch gemolkener Alpaka-Milch. Er lebt mit seiner Familie – seinen beiden Söhnen, Tochter Lavinia und Ehefrau Theresa (Joely Richardson), die gerade einen privaten Schicksalsschlag verdaut – auf einem abgelegenen Bauernhof. Der ältere Sohn kifft wie ein Soziologiestudent und die Tochter hält sich für eine Hexe, aber ansonsten sind die Gardeners eine ziemlich normale Familie.
Das unaufgeregte Leben ändert sich schlagartig, als ein mysteriöser Asteroid auf das Grundstück der Gardeners kracht. Denn aus dem rauchenden Krater sickert eine unheilvolle Farbe in die Welt, die alles verändert, womit sie in Berührung kommt. Zuerst mutieren ein paar Tiere. Dann verhält sich Papa Nathan allmählich seltsam. Und das ist erst der Anfang des Schreckens aus dem All.

Der Wahnsinn kommt schleichend
"Die Farbe aus dem All" ist kein hysterischer Adrenalin-Schocker, in dem alle paar Sekunden etwas Krasses passiert. Gerade im ersten Drittel nimmt sich Regisseur Richard Stanley angenehm viel Zeit, uns die Figuren mit ihren Eigenheiten und Schrullen nahezubringen. Ganz langsam steigert sich die Beklemmung, das vage Gefühl, dass etwas nicht stimmt bei den Gardeners. Ohne das übernatürliche Element der Weltraum-Farbe wäre dieser Film im Grunde ein Drama über eine dysfunktionale Familie.
Und Drama ist hier nicht zu hoch gestapelt: Zwei der Gardeners durchleben einen waschechten Body-Horror-Albtraum, der zum fiesesten und hoffnungslosesten gehört, das ich seit einiger Zeit im Genre gesehen habe. Und spätestens im großen Finale zündet der Film endgültig den Turbo und belohnt uns mit einem halluzinogenen Farbenspiel, dem man sich als Zuschauer nur ergeben kann. Fetter Sound und ein Großbild-Fernseher sind Pflicht für diesen audiovisuellen Drogentrip!

Und dann noch ein Wort zu Nicolas Cage. Der Mann ist ja mittlerweile ein wandelndes Meme, bei dem alle nur darauf lauern, dass er wieder mal so richtig durchdreht vor der Kamera und man viele lustige gifs daraus machen kann. Und das ist extrem schade, denn dass Cage sich durchaus zurücknehmen und eine vielschichtige, einnehmende Performance liefern kann, zeigt er in diesem Film. Klar, die obligatorische Ausraster-Szene kommt hier auch vor. Aber man tut dem Schauspieler Unrecht, wenn man ihn nur auf seine manischen Anfälle reduziert. Ein Exzentriker wird wahnsinnig – eine Paraderolle für Nicolas Cage. Das letzte Mal so gut gefallen hat er mir im Arthouse-Schocker "Mandy". Und was für ein Zufall: Der wurde, ebenso wie "Die Farbe aus dem All", von Elija Woods Produktionsfirma SpectreVision umgesetzt.

Welche Scheibe darf's denn sein?
"Die Farbe aus dem All" erscheint als DVD und in drei Blu-ray-Varianten. Zur normalen Version kommen zwei Mediabooks mit unterschiedlichen Covermotiven, aber natürlich denselben Inhalten. Und für Superfans gibt's dann noch die Ultimate Edition mit extrem viel Bonusmaterial. Alle Blu-rays haben deutschen und englischen 5.1-Sound sowie die entsprechenden Untertitel. Die beiden Mediabooks enthalten die 4K-Versionen. Und welche Extras sind wo dabei?

Extras der DVD und der normalen Blu-ray
Entfallene Szenen (laut Herstellerangaben 13 Minuten, beim Testen zuhause aber nur acht Minuten), Trailer und Bildergalerie
Extras der Mediabook-Blu-ray
Alle Extras der normalen Blu-ray plus
- Featurette zum Film (20 Minuten)
- Interviews mit Cast & Crew (13 Minuten)
- Weltpremiere in Toronto (21 Minuten)
- Richard Stanley – The Movies That Made Me (66 Minuten)
- "Lost in Landshut" – Interview mit Richard Stanley (49 Minuten)
- "Voice of the Moon" – Dokumentation von Richard Stanley (33 Minuten)
- Drei Kurzfilme von Richard Stanley
- Zwei Kurzfilme des deutschen Filmemachers Patrick Müller
Extras der Ultimate Edition
Alle Extras der Mediabooks plus
- 104-seitiger Nachdruck des "Amazing Stories"-Magazins
- 12-seitiges Booklet mit Texten von Christoph Huber und Stefan Jung
- Soundtrack auf CD mit Musik von Colin Stetson
- Plakate
Fazit: Kosmo-Horror für Freunde des Speziellen
Eine festen Platz in meinem Filmregal hat "Die Farbe aus dem All" locker erobert. Diese Lovecraft-Verfilmung schafft das Kunststück, immer haarscharf auf dem schmalen Grad zwischen reinrassigem Horror und fiebertraumartiger Groteske zu wandeln. Und bei aller Abgedrehtheit ihre Figuren nie der Lächerlichkeit preiszugeben.
Vielleicht nicht die gruseligste und auch nicht die originalgetreuste Lovecraft-Verfilmung – aber mit Sicherheit eine unverschämt unterhaltsame. Und das sogar ganz ohne Cthulhu.