In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 20 Millionen neue Smartphones gekauft. Ein Riesenproblem für die Umwelt. Aber ist ein Leben ohne Handy die einzige Alternative? Lassen sich Smartphones und Nachhaltigkeit auch miteinander vereinbaren? Hier findest Du Ideen, Lösungsansätze und Anregungen zum Nachdenken.
- Haltung der Verbraucher: Immer das Neueste!
- Haltung der Hersteller: Immer kürzere Produktzyklen
- Probleme, die durch die Smartphone-Produktion entstehen
- Probleme, die sich durch die Nutzung ergeben
- Es muss sich etwas ändern!
- Das können Hersteller & Anbieter tun
- Das kann der Staat tun
- Das kann jeder einzelne tun
- Inspiration in Sachen Nachhaltigkeit: 4 Fragen an Louisa Dellert
Ich war die erste in der Familie, die ein Smartphone besaß: Mein HTC Tattoo war winzig klein, ziemlich dick mit fetten Displayrändern – und liegt heute in der Ecke rum. Ihm sollten ein Galaxy S2, ein Galaxy S5 und ein Galaxy S7 folgen (mit einem kurzen Ausflug zum Huawei P9, das leider die Yosemite Falls hinunterstürzte und kurzfristig ersetzt werden musste). Das macht fünf Smartphones in einem Zeitraum von nicht einmal zehn Jahren. Das ist auf der einen Seite nichts Außergewöhnliches, auf der anderen Seite aber ziemlich verheerend für die Umwelt.
Meine Smartphones haben nicht nur in der Produktion Ressourcen verschlungen, sondern auch in der Nutzung. Und ordnungsgemäß recycelt wurden sie auch nicht. Nur ein Gerät durfte ein zweites Leben bei einem anderen Familienmitglied weiterführen. Ich sollte mich also auch an die eigene Nase fassen, wenn ich erkläre, was das alles für die Umwelt bedeutet. So viel vorab: Die Recherche zu diesem Artikel war mitunter ganz schön erschreckend.

Haltung der Verbraucher: Immer das Neueste!
Erschreckt hat mich etwa die Anzahl der Geräte, die im Jahr 2021 voraussichtlich alleine in Deutschland angeschafft werden. In einer Erhebung von Statista wird mit einem Absatz von 22,1 Millionen neuen Geräten in diesem Jahr gerechnet. Und das, obwohl die Abdeckung in der Bevölkerung bereits hoch ist: Im Jahr 2020 besaßen rund 97,3 Prozent der 14- bis 19-jährigen Personen in Deutschland ein internetfähiges Smartphone. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen waren es 98,1 Prozent, bei den 30- bis 39-Jährigen 97,8 Prozent.

Viele Menschen legen Wert auf neue Modelle. In einer Bitkom-Umfrage von Anfang 2019 gab gut jeder Zweite (52 Prozent) an, sich immer das neuste Smartphone-Modell zu kaufen. 61 Prozent der Befragten besitzen ein Gerät, das maximal ein Jahr alt ist – für die Mehrheit muss es also tatsächlich immer das Neueste sein. Geht es um die wichtigsten Features, steht eine bessere Akkuleistung ganz oben auf der Wunschliste der Verbraucher (59 Prozent).
Haltung der Hersteller: Immer kürzere Produktzyklen
Zwar haben neuere Handys im Schnitt eine längere Laufzeit als ältere Modelle, aber Smartphones mit austauschbaren Akkus sind vor einigen Jahren gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Dass die Akkuleistung mit zunehmender Nutzungsdauer immer weiter abnimmt, lässt sich derweil nicht verhindern. Hält das Handy keinen Tag mehr ohne Aufladen durch, ist das für viele schon ein Grund für einen Neukauf.

Das ist aber nicht die einzige negative Entwicklung, die Smartphone-Hersteller in den letzten Jahren forciert haben. Die Geräte werden auch immer anfälliger. Ein Design mit viel Glas mag zwar schick sein, ist aber alles andere als robust. Displays zerkratzen oder zerbrechen leicht, eine Reparatur ist aufgrund verklebter Bauteile häufig kompliziert oder teuer. Hinzu kommt, dass die Hersteller immer schneller immer neue Modelle auf den Markt werfen.
Die Produktzyklen werden dadurch kürzer und den Verbrauchern wird es immer schwerer gemacht, ein und dasselbe Smartphone mehrere Jahre lang zu nutzen. Selbst wenn das Gerät technisch noch in Ordnung ist, kann es sein, dass es vom Hersteller nach einiger Zeit nicht mehr mit sicherheitsrelevanten Software-Updates versorgt wird.
Probleme, die durch die Smartphone-Produktion entstehen
Die vielen, vielen Smartphones, die den Markt fluten, müssen natürlich erst einmal entworfen und hergestellt werden. Und das frisst eine Menge Ressourcen. "In der Herstellung braucht das Smartphone fünf- bis zehnmal so viel Energie und CO2 wie in der Nutzung", erklärt Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Nachhaltigkeit gegenüber dem ZDF. Besonders viel Energie erfordert die Herstellung von Leiterplatten und Halbleitern, die Fertigung von Akku, Display und Co. fällt dagegen weniger ins Gewicht.

Neben dem CO2-Ausstoß bei der Produktion ist vor allem der Einsatz bestimmter Materialien problematisch. Für die Smartphone-Herstellung werden Edelmetalle und sogenannte Metalle der Seltenen Erden benötigt. Um sie zu fördern, werden sie mit Säuren aus Bohrlöchern gewaschen. Dabei bleibt vergifteter Schlamm zurück, der eine Gefahr für das Grundwasser darstellt. Diese giftigen Stoffe sind aber nicht nur für die Umwelt problematisch, sondern auch für die Menschen, die sie abbauen oder in der Nähe wohnen. Um an die Metalle zu kommen, werden darüber hinaus Wälder gerodet. Die Gewinnung der Rohstoffe zerstört also die Natur und findet oft unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen statt.
Letzteres sieht in den Fertigungsstätten in Billiglohnländern wie China zum Teil nicht anders aus. Seit dem Foxconn-Skandal 2010, der durch den Selbstmord von mehr als ein Dutzend Arbeitern des Apple-Zulieferers ausgelöst wurde, hat sich vielleicht schon etwas getan. Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen mit langen Schichten und schlechter Bezahlung gibt es jedoch immer wieder.
Probleme, die sich durch die Nutzung ergeben
Die Smartphone-Produktion ist die eine Seite, die schlecht für Mensch und Umwelt ist. Die Nutzung ist die andere. Während das Smartphone selbst sehr energieeffizient ist, sind es vor allem die Datenmengen, die zum Problem werden. "Das Smartphone braucht in seiner Nutzung 20-mal so viel Energie und CO2, wie das eigentliche Gerät braucht", erklärt Nachhaltigkeitsexperte Ralph Hintemann gegenüber dem ZDF. Denn jede WhatsApp-Nachricht, jedes Social-Media-Posting läuft über einen Server in einem Rechenzentrum, der Strom frisst.

Die Datenmengen werden immer größer und damit auch die Rechenzentren. Allein der Mobilfunkanbieter Vodafone gibt für das Jahr 2018 eine Datenmenge von 580 Millionen Gigabyte an, die durch das Mobilfunknetz des Anbieters rauschten. Damit Server einwandfrei arbeiten, müssen sie gekühlt werden – und das braucht viel Energie. Hier haben es moderne Technologien, die den Stromverbrauch von Rechenzentren senken würden, aber häufig noch schwer. Denn an oberster Stelle steht für die Betreiber die Sicherheit. Und das geht dann eben oft zulasten der Energieeffizienz.
- Anzahl an Geräten wächst
- Produktzyklen werden immer kürzer
- Smartphones gehen schneller kaputt, lassen sich nur schwer oder teuer reparieren
- Modelle veralten schnell
- Herstellung frisst viel Energie
- Förderung benötigter Metalle ist gesundheitsschädlich und belastet die Umwelt
- Produktion oft unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen
- Datenmengen wachsen stetig, immer mehr Server nötig
- Rechenzentren geht Sicherheit über Energieeffizienz
Es muss sich etwas ändern!
Es gibt also eine ganze Reihe von Problemen für die Umwelt, die mit dem Kauf und der Nutzung von Smartphones einhergehen. Das heißt aber auch, dass es viele Stellschrauben gibt, an denen man ansetzen kann, um etwas zu verändern. Selbst kleine Schritte in die richtige Richtung sind besser als keine. Meiner Meinung nach sind daher Ansätze wie die von Fairphone und Co. durchaus löblich – auch wenn den Unternehmen häufig vorgeworfen wurde, nur an einzelnen Stellen der Produktionskette fairer und nachhaltiger zu agieren als der Großteil der Konzerne.

Der niederländische Unternehmen Fairphone hat sich auf die Fahnen geschrieben, ethisch korrekte modulare Smartphones zu entwickeln. Dafür setzt der Hersteller auf ein robustes Design, fair gehandelte Materialien, gute Arbeitsbedingungen sowie Wiederverwendbarkeit und Recycling. Auch Transparenz wird beim Fairphone großgeschrieben. Obwohl Kritiker bemängeln, dass "konfliktfrei" nicht gleich "fair" ist und im Fairphone allenfalls ein fairER produziertes Smartphone sehen, hat das Unternehmen für seinen Ansatz zahlreiche Auszeichnungen und Umweltpreise erhalten.
Das können Hersteller & Anbieter tun
Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace lobt den Ansatz von Fairphone. In ihrem Guide to Greener Electronics 2017 landet der Smartphone-Hersteller unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren auf dem ersten Platz vor Konzernen wie Apple und Co. Samsung schnitt in diesem Ranking vor zwei Jahren sogar ziemlich schlecht ab, weil es anders als Apple kaum auf erneuerbare Energien setzte. Auch wurden wertvolle Rohstoffe kaum recycelt. Besonders die chinesischen Smartphone-Hersteller fielen zu diesem Zeitpunkt durch den Einsatz gesundheitsschädlicher Chemikalien in der Produktion negativ auf. Stoffe wie BFR, PVC und Phthalate vermieden nur Apple und Google.

Hersteller müssten also nicht nur verstärkt auf erneuerbare Energien in der gesamten Produktionskette setzen, sondern auch verantwortungsvoller mit Ressourcen umgehen, um nachhaltiger zu werden. Greenpeace fordert zudem ein Umdenken hinsichtlich der Wegwerf-Mentalität. Smartphones sollten endlich robuster und langlebiger designt werden, um ihren Lebenszyklus zu verlängern. Reparaturen dürften nicht unnötig durch verklebte Bauteile und eigene Schrauben-Designs erschwert werden. Modulare Bauweisen und Möglichkeiten zum Austausch oder zur Erweiterung von Komponenten wie Akku oder Speicher könnten die Nutzungsdauer erhöhen. Auch softwareseitig sollten Hersteller ihre Geräte länger mit nötigen Updates pflegen.
Doch nicht nur die Smartphone-Hersteller sind gefordert, die gesamte IT-Branche sollte der Umwelt zuliebe nachhaltiger werden. Mobilfunk- und App-Anbieter sowie sämtliche Unternehmen, die große Rechenzentren betreiben, die für die Smartphone-Nutzung gebraucht werden, sollten in den Klimaschutz investieren. Wie das aussehen könnte? Neue Technologien für die Kühlung von Rechenzentren etablieren, zum Beispiel. Einige experimentieren etwa mit einer Energierückführung aus Abwärme, die beim Kühlen der Serverräume entsteht, andere setzen auf zunehmende Virtualisierung, um die Menge an Hardware zu reduzieren.

Das kann der Staat tun
Der Staat kann – nein, er sollte – solche Vorhaben stärker fördern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert etwa gesetzliche Standards zum Ökodesign sowie verbindliche Zielquoten für die Sammlung, Wiederverwendung und den Rezyklateinsatz. Barbara Metz, die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, sagt in einer Pressemitteilung: "Um immer kürzer werdende Produktzyklen zu stoppen, muss die Bundesregierung die Rahmenbedingungen verändern. Dienstleistungen zum Erhalt von IKT-Geräten müssen im Vergleich zum Ressourcenverbrauch durch neue Produkte steuerlich begünstigt werden. Auch besonders umweltfreundliche Geräte, wie zum Beispiel gebrauchte Smartphones, sollten durch finanzielle Anreize für Verbraucher interessanter gemacht werden".

Außerdem bringt die DUH immer wieder einen Pfand auf Smartphones ins Gespräch, um der Ressourcenverschwendung und der wachsenden Müllberge Herr zu werden. Der Organisation zufolge schlummern rund 124 Millionen Alt-Handys in deutschen Schubladen, wieder in den Verkauf gebracht werden jährlich nur etwa 9.000 ausgemusterte Smartphones. Dabei könnte die professionelle Wiederaufbereitung eines Altgeräts circa 14 Kilogramm Primärressourcen und 58 Kilogramm CO2 einsparen.
Das kann jeder einzelne tun
Noch gibt es aber weder verbindliche Umweltstandards für die Hersteller noch eine Pflicht zum Recycling. Daher ist jeder Einzelne gefragt, etwas zu ändern. Schon beim Smartphone-Kauf kannst Du auf die Umweltfreundlichkeit von Geräten achten. Anhaltspunkte geben Umweltzeichen wie der "Blaue Engel" oder Bewertungen von Stiftung Warentest und Öko-Test. Besonders nachhaltig bist Du mit modularen und einfach zu reparierenden Smartphones wie denen von Fairphone oder Shift unterwegs. Doch selbst wenn diese Modelle nichts für Dich sind, kannst Du bei einem der laut Greenpeace umweltfreundlicheren Hersteller zuschlagen – also beispielsweise eher bei Apple als bei Oppo.

Der Smartphone-Kauf ist natürlich nur der Anfang. Wer mehr Nachhaltigkeit im Alltag umsetzen will, sollte die Nutzung auf das Nötigste beschränken und nicht jeden Modellzyklus mitmachen. Je länger Du Dein Gerät nutzt, desto besser für die Umwelt. Also schütze es am besten mit Displayfolien, Schutzhüllen und Co. Passiert doch mal etwas, solltest Du Schäden lieber reparieren lassen, statt auf ein neues Smartphone umzusteigen. Auch fest verbaute Akkus lassen sich übrigens austauschen, auch wenn Du dafür das Gerät in einer Handywerkstatt abgeben musst.
Und wenn es dann doch einmal so weit ist, das alte Gerät zu ersetzen, dann kümmere Dich um eine fachgerechte Entsorgung. Es gibt viele Initiativen, die alte Handys für einen guten Zweck sammeln und recyceln. Auch viele Mobilfunkanbieter nehmen Altgeräte zurück. Sofern das Smartphone noch funktioniert, lohnt sich vielleicht auch der Wiederverkauf.
Nachhaltiger gedachte und produzierte Smartphones gibt es etwa bei diesen Herstellern:
Altgeräte wirst Du beispielsweise hier los:
Ich persönlich finde es schade, dass wir mehr als zehn Jahre nach der Einführung der ersten Smartphones immer noch keine politischen Lösungen für mehr Nachhaltigkeit in der Branche gefunden haben. Natürlich kann ich mir in vielen Punkten auch an die eigene Nase fassen und mein eigenes Handeln noch deutlich verbessern. Immerhin bin ich dazu bereit – wie viele dieser jüngeren Generationen, denen schon zu häufig Gleichgültigkeit und Politikverdrossenheit vorgeworfen wurde. Die Fridays-for-Future-Bewegung zeigt mir, dass viele etwas ändern wollen. Und das ist gemeinsam noch viel erfolgsversprechender!
Inspiration in Sachen Nachhaltigkeit: 4 Fragen an Louisa Dellert
Sie startete als Fitness-Influencerin, versucht aber nun, ihre Reichweite für Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu nutzen: Louisa ("Lou") Dellert zählt nicht nur mehr als 480.000 Follower bei Instagram, sondern betreibt auch einen Online-Shop mit umweltbewussten Produkten. In ihrem Buch "Mein Herz schlägt Grün" gibt sie praktische Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Alltag. Deshalb habe ich ihr ein paar Fragen zum Thema Smartphones und Umwelt gestellt.
TURN ON: Was ist in Deinen Augen das größte Problem an der heutigen Smartphone-Nutzung?
Lou: Ein Problem, bei welchem ich mich auch nicht ausschließe, ist, dass wir wirklich sehr, sehr oft am Handy sind. Dadurch müssen wir es auch relativ häufig laden. Ich muss es zwei- bis dreimal am Tag laden. Das verbraucht viel Strom. Und nicht jeder hat – wie meine Familie und ich– zu Hause eine Photovoltaikanlage stehen, die den Strom selbst produziert. Außerdem ist die Herstellung von Smartphones nicht besonders umweltfreundlich. Die Herstellung verursacht sogar fünf- bis zehnmal so viel CO2-Ausstoß wie die Nutzung.
TURN ON: Wer ist vor allem gefordert, daran etwas zu ändern?
Lou: Ich würde sagen: wir alle. Ich als Konsument. Die Hersteller. Aber auch die Handytarifanbieter, die die Handys in ihren Shops verkaufen. Ich habe bisher nicht einmal ein Fairphone gesehen ...
TURN ON: Bringt es überhaupt etwas, wenn ich als einzelne Person etwas ändere? Wie bleibe ich standhaft, wenn mein Umfeld anders handelt?
Lou: Das ist wie mit dem Wählen gehen. Natürlich zählt jede Stimme und jedes Handeln. Wir müssen auch mehr Verantwortung übernehmen. Und haben das Privileg, dass wir das auch tun dürfen.
TURN ON: Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Lou: Dass ich selbst noch mehr in meinem Alltag verändern kann und dadurch auch andere inspiriere. Denn ich bin alles andere als perfekt.