Eigene Spiele programmieren, ohne Vorkenntnisse und auf der PS4 – das ist das Versprechen von "Dreams". Ich habe mir den Game-Baukasten von Mitarbeitern des Studios Media Molecule vorführen lassen und Entwickler kennengelernt, denen die Vermittlung ihrer Kunst ein Herzensanliegen ist.
- Die Idee: eine komplette Spiele-Engine auf der PS4
- Das sieht so einfach aus!
- Ein soziales Netzwerk, das digitale Kunst erschafft
- Das "Dreams"-Credo: Bleib dran, mach weiter, gib nicht auf!
Egal, wie harmlos und niedlich ein Game aussieht, unter der Oberfläche lauert der blanke Horror. Wer als Nicht-Programmierer in den Quellcode oder auf die Rohfassung eines Videospiels schaut, wird von der bloßen Komplexität erschlagen. Selbst für gestandene Entwickler sind Videospiele oft immer noch Wunderwerke, in denen so unterschiedliche Disziplinen wie Programmieren, Design, bildende Kunst, Musik, Schauspielerei und Storytelling für etwas völlig Einzigartiges zusammenkommen.
Die Idee: eine komplette Spiele-Engine auf der PS4
Die Entwickler von Media Molecule (bisher bekannt für "Little Big Planet") wissen um die einschüchternde Wirkung ihres Handwerks. Und sie versuchen, etwas dagegen zu tun – mit "Dreams". Das PS4-Game gibt den Spielern alle Tools an die Hand, um eigene Spiele zu entwickeln. Darunter: Modellier- und Malwerkzeuge. Terrain-Generatoren. Fertige 3D-Modelle. Charaktere. Texturen. Farbfilter. Schalter und Trigger zum Erstellen und Auslösen von Gameplay-Ereignissen. Animations-Software. Selbst ein komplettes Musikprogramm zum Aufnehmen und Erstellen eigener Soundtracks ist dabei. Alles lässt sich mit einem PS4-Controller bedienen und kommt ohne eine einzige Zeile selbstgetippten Programmcode aus.
Wer viele Spiele spielt, hatte mit ziemlicher Sicherheit schon einmal diese eine coole Idee, die einfach noch niemand als Game umgesetzt hat. Also selber bauen? Spiele-Engines wie Unity oder Unreal sind grundsätzlich kostenlos für jeden verfügbar, aber wer ein solches Programm mal geöffnet hat, fühlt sich wie im Cockpit eines Jumbo-Jets, den er eben mal ohne Pilotenschein sicher landen soll: Alles voller Knöpfe und Schalter, keine Ahnung, welche man zuerst drücken soll und im Hinterkopf das vage Gefühl, dass das Ganze als großes Desaster enden wird.
Das sieht so einfach aus!
In den Händen der Entwickler beim Anspieltermin sieht "Dreams" aus wie die beeindruckende Lösung für alle frustrierten Möchtegern-Spielemacher. Community Manager Tom Dent setzt ein paar schwebende Steinflächen in die Leere, bewegt sie mit dem Controller kurz von links nach rechts, speichert die Animation – und fertig ist der sehr rudimentäre, aber funktionale Plattformer-Level. Programmierer Liam De Valmency zeigt mir einen Trick, mit dem sich ein Lavasee in zehn Sekunden erstellen lässt. Dann erschafft er aus ein paar hingeschmierten Strichen in unter einer Minute eine Qualle, animiert sie und lässt sie gemächlich durch den 3D-Raum schweben.

Ein soziales Netzwerk, das digitale Kunst erschafft
Beide Media-Molecule-Mitarbeiter erklären mir, dass sie mit "Dreams" ein besseres Verständnis dafür schaffen möchten, wie Videospiele aufgebaut sind und funktionieren. Und: Sie wollen die großen Hürden entfernen, die das Spieldesign mit sich bringt. Das Game bietet alle nötigen Tools aus einer Hand, es soll intuitiv bedienbar sein, motivieren und eine ganze Community aus Kreativen aufbauen.
Nicht alle davon müssen Spielemacher sein: Im "Dreams"-Universum ist auch Platz für Leute, die Musik komponieren, 3D-Modelle erstellen, Sammlungen von Assets anlegen oder einfach die Kreationen von anderen herunterladen, spielen und Anregung für Verbesserungen geben. "Traumiversum" nennt Media Molecule diese Idee – ein soziales Netzwerk, das Games und digitale Kunst erschafft.

Die größten Gegner für dieses Unterfangen heißen Zweifel, Frustration und Zeitmangel. Als ich kurz den Controller übernehme, um mir selbst einen Eindruck von der Handhabung zu machen, ist es mit dem völlig unkomplizierten, intuitiven Zugang zur Spieleentwicklung erst einmal vorbei. In den Händen eines Entwicklers, der Jahre an dieser Mixtur aus Spiel und Game-Engine gearbeitet hat, sieht eben alles leicht aus. Ich selbst zimmere notdürftig eine unförmige Steinkugel zusammen und merke, dass ich zum Umsetzen eigener Ideen wohl das ein oder andere Tutorial spielen muss. Das mache ich später zuhause – und stelle fest, dass es von diesen Tutorials wirklich eine ganze Menge gibt.
Um zu zeigen, was "Dreams" theoretisch kann, hat Media Molecule den Storymodus "Arts Traum" gebaut – eine digitale Kurzgeschichte, die unterschiedliche Design-Stile und Gameplay-Konzepte aneinanderreiht und sogar Musiknummern samt Choreographie enthält. Tom Dent gibt zu, dass die Kampagne ein "Flex" ist, eine kleine Angeberei der Entwickler. Wichtig ist ihm aber, dass das Spiel-im-Spiel komplett und ohne Schummeln mit den Tools von "Dreams" erstellt wurde. Von Profis, klar. Aber wer sich dazu die Kreationen anschaut, die Beta-Tester schon seit Monaten ins Traumiversum laden, ahnt, dass da noch einige gleichwertige Highlights aus der Community kommen dürften.

Das "Dreams"-Credo: Bleib dran, mach weiter, gib nicht auf!
Media Molecule ist bewusst, dass die Zugänglichkeit von "Dreams" Grenzen hat. Nicht umsonst ist die gesamte Stimmung und Aufmachung überwältigend positiv und auf ständiges Motivieren ausgelegt. Im Intro reiße ich mit meinem Cursor eine wortwörtliche "Mauer des Zweifels" ein. Die Optik ist niedlich, das Spiel lobt mich bei jeder Gelegenheit und teilt mir mit, was ich gerade Neues gelernt habe.
Und: Während ich bei Spielen aus der Community stets in den Bearbeiten-Modus wechseln kann, um eigene Veränderungen vorzunehmen, bleibt "Arts Traum" davon ausgenommen. Der Grund: Die Kampagne entstand über Jahre parallel zu "Dreams" und da sich die Tools dabei ständig änderten, sieht die "Rückseite" des Story-Modus aus wie Kraut und Rüben. Bevor Anfänger bei diesem Anblick gleich wieder rückwärts den Raum verlassen, hält Media Molecule diesen hauseigenen Horror lieber verdeckt.

Bleib dran, Du schaffst das, jede Deiner Ideen lässt sich umsetzen – das ist die Botschaft von "Dreams". Und auch, wenn der Weg dahin immer noch einiges an Einarbeitungszeit erfordert, ist das immer noch netter als alles, was mir die Unity-Engine je gesagt hat.