Das Sony Xperia 1 II soll mit seinen Kameras andere Flaggschiff-Handys herausfordern. Wurde auch Zeit, wie böse Zungen sagen würden. Und tatsächlich gelingt es Sony, bei der Fotoleistung ganz vorn mitzumischen. Was das Xperia 1 II noch draufhat, klären wir im Test.
- Design: Modernes Sony ohne Schnickschnack
- Display: Hollywoodreifes 4K, dürfte aber heller sein
- Technik & Ausstattung: Alles drin, alles dran
- Kameras und Audio: Endlich gute Kameras
- Fazit & Alternativen: Sony spielt wieder vorne mit
Design: Modernes Sony ohne Schnickschnack
Mit den jüngsten Smartphone-Generationen hat Sony das Experiment mit der gewölbten Rückseite schrittweise aufgegeben. Das Xperia XZ2 war mit der stärksten Wölbung der Serie aufgefallen, ähnelte einem Stück Seife und glitt ebenso bereitwillig unebene Oberflächen hinunter. Das Xperia 1 II ist wieder ein kantiges, quaderförmiges, einfarbiges Smartphone mit Metallrahmen und Glasrückseite – ein Sony der alten Schule. Die Kanten sind leicht abgerundet, damit sich niemand daran schneidet.

Zudem integriert das Xperia 1 II moderne Designelemente wie ein schmales 21:9-Format und einen relativ dünnen Displayrand. Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern bringt Sony die Selfie-Kamera weiterhin nicht in einem Loch oder einer Kerbe im Display unter. Das ist Geschmacksache, manche Nutzer finden die Unterbrechungen des Displays durch Löcher und Kerben als störend.
Auf der Rückseite sind in der Mitte das Sony-Logo und oben links eine eher unauffällige Kamera-Ausbuchtung mit vier Sensoren auszumachen. Darauf ist das "ZEISS"-Logo angebracht, der Hersteller von Profi-Objektiven zeichnet sich auch für die Linsen der Xperia-Kameras verantwortlich. Darüber sitzen der LED-Blitz und ein Infrarot-Lichttemperatursensor.

Der kapazitive Fingerabdrucksensor steckt im Rahmen rechts im Home-Button. Manche mögen einen optischen Fingerabdrucksensor im Display bevorzugen, aber der ist weniger sicher als Sonys klassische Lösung. Rechts darunter sitzt der physische Kamera-Button, darüber die Lautstärkewippe. An der Oberseite wartet ein Kopfhörer-Klinkenanschluss auf die Musikfans, den die meisten Konkurrenten wegrationalisiert haben. Obendrein ist das Smartphone nach IP68 wasserdicht, sollte also auch Starkregen und unfreiwillige Ausflüge in Pfützen locker wegstecken.
Fazit: Mit dem Xperia 1 II ist es dem Hersteller gelungen, ein modernes Smartphone im typischen Sony-Look zu gestalten. Ohne Spielereien und falsche Kompromisse.
Display: Hollywoodreifes 4K, dürfte aber heller sein
Das 6,5 Zoll große OLED-Display löst mit 3.840 x 1.644 Pixeln auf, was ungefähr einer UHD-Auflösung im 21:9-Format entspricht. Der HDR-Bildschirm bietet damit eine höhere Auflösung als die Konkurrenten. Die Pixeldichte liegt bei extremen 643 ppi. Das bedeutet ein noch viel schärferes Bild als es etwa ein 55 Zoll großer 8K-TV mit seinen 160 ppi erreicht.

Sieht man sich ein 4K-HDR-Video aus nächster Nähe an, wirken die Inhalte ungemein plastisch. Es ist fast so, als könnte man in die Demovideos hineingreifen und einen Leguan oder Flamingo herausnehmen und einen Blauwal streicheln. Die Hochkontrastbilder (HDR) haben sicher ebenso einen Anteil daran. Wie die enorm realistischen Farben im gut abgestimmten "Creator Mode", der DCI-P3-Farbraum für HDR-Filme wird komplett abgedeckt.
Für ein Smartphone klingt das nach einer übertrieben guten Performance, die einige Flaggschiff-Fernseher übertrifft. Allerdings hat Sony einen vergleichsweise guten Grund, Handys mit einem so brillanten Display auszustatten: Das Xperia 1 II richtet sich an Profi-Filmer und -Fotografen, die ihre Werke auf dem Handy gleich in passender Auflösung und stimmigen Farben betrachten und bearbeiten können.
Ein Haar in der Suppe ist die im Vergleich zu einigen anderen Flaggschiffen wie dem Samsung Galaxy S20 Ultra und iPhone 11 Pro Max geringe Displayhelligkeit. Sie genügt zwar für den Einsatz in der Sonne, aber wir haben auch schon viel hellere Bildschirme erlebt. Auch ärgerlich: Das Display begnügt sich mit 60 Bildern pro Sekunde, während andere Flaggschiffe bei 90 bis 120 Hertz angelangt sind.

Immerhin gibt es eine Funktion für die Reduktion von Bewegungsunschärfen, die den Nachteil ein wenig ausgleichen soll. Im TV-Bereich ist Sony hier Vorreiter, und die Bewegungsdarstellung auf meinem XF90 finde ich herausragend – aber beim Xperia ist mir kein Unterschied zwischen aktivierter und deaktivierter "Motion Blur Reduction" aufgefallen. Höhere Bildwiederholraten wie 120 Hertz würden für schärfere und flüssigere Bewegtbilder sorgen, etwa beim Scrollen und beim Gaming.
Fazit: Das OLED-Display bietet im "Creator Mode" realistische Farben, eine scharfe 4K-Auflösung und präsentiert HDR-Inhalte ungemein plastisch. Manche Konkurrenten verbauen allerdings deutlich hellere Displays, und es gibt nur 60 Hertz.
Technik & Ausstattung: Alles drin, alles dran
Das Sony Xperia 1 II ist ein Flaggschiff-Handy mit einer umfassenden Ausstattung. Einzig beim auf 60 Hertz begrenzten Display hat das Sony-Gerät das Nachsehen, dafür schafft es sich mit dem Kopfhöreranschluss und der IP68-Zertifizierung Vorteile. Als Prozessor dient der rasante Snapdragon 865, womit Sony schon einmal das europäische Modell des Galaxy S20 Ultra abhängt. Dem Chip stehen 8 GB Arbeitsspeicher zur Seite, Daten landen auf dem 256 GB großen und rasanten UFS-3.0-Speicher.

Der interne Speicher lässt sich via microSD-Karte erweitern, was heute nicht mehr selbstverständlich ist bei Flaggschiffen. Es gibt 5G, Wi-Fi 6, Bluetooth 5.1 und kabelloses Laden. Via Kabel kannst Du den 4.000-mAh-Akku mit dem beigelegten 18-Watt-Netzteil aufladen. Es gibt zwar rasanteres Quick Charging wie beim Galaxy Note 10+ mit dem optionalen 45-Watt-Netzteil, allerdings stehen solche Lösungen wegen einer schnelleren Abnutzung des Akkus in der Kritik. Die Laufzeit genügt zwar für einen Tag, aber das Xperia ist leider kein Langläufer.
Es gibt auch rasantere Fingerabdrucksensoren, aber die Unterschiede bewegen sich meist im Rahmen von Sekundenbruchteilen. Innerhalb von ungefähr einer Sekunde ist das Handy entsperrt, was den meisten Nutzern schnell genug sein dürfte.
Fazit: Leistung und Ausstattung sind vorbildlich – selbst für ein Flaggschiff. Bei der Akkulaufzeit liegen andere jedoch vorn.
Kameras und Audio: Endlich gute Kameras
Neben der 8-Megapixel-Selfie-Kamera bietet das Xperia 1 II drei 12-Megapixel-Rückkameras. Hauptkamera und Weitwinkelobjektiv sind optisch stabilisiert, die Telefotokamera ermöglicht einen 3-fach-Zoom (70-mm-Äquivalent). Obendrein ist ein 3D-Sensor verbaut, der bei Porträtfotos aushilft, das Motiv präzise zu erfassen.

Ein Highlight: Serienbildaufnahmen sind mit bis zu 20 Bildern pro Sekunde bei aktivem Autofokus und Belichtungsautomatik möglich. Grundsätzlich funktioniert das ordentlich, allerdings bleibt das Motiv nicht bei jeder Aufnahme scharf gestellt. Die Objektverfolgung habe ich an watschelnden Enten sowie an schwimmenden und fliegenden Schwänen ausprobiert. Sie funktionierte über einen kurzen Zeitraum gut, aber nach ein paar Sekunden verlor das Handy das Motiv aus dem Fokus.
Für ein Smartphone sind das gute Leistungen, aber selbst die "professionelle Technologie der Alpha-Kameras" (Sony) kann die Limitierungen kleiner Handytechnik nicht aufheben. Schon beim Nokia 7 Plus war ich dafür von den Zeiss-Linsen angetan, und auch beim Sony-Handy tragen sie zu klaren Motiven bei.
Ein besonderer Vorzug des Xperia 1 II: Die Fotos sehen sich mit allen Kameras ähnlich, ob sie mit Selfie, Hauptkamera, Weitwinkel oder Telefoto geknipst wurden. Das konnte kein Smartphone, das ich bislang getestet habe, von sich behaupten. Und "ähnlich" bedeutet hier vor allem: realitätsgetreu. Mit genauen Farben, einheitlichem Kontrast, vergleichbarer Helligkeit.
Fotos mit der Telefotokamera wirken etwas weniger scharf als die anderen, ansonsten brauchen sie sich nicht zu verstecken. Porträts mit Haupt- und Selfiekamera sehen großartig aus. Nur der Kontrastumfang, der Unterschied zwischen hellen und dunklen Bereichen, ist bei Fotos mit der normalen Kamera-App eher durchschnittlich. Highlights wie die gleißende Sonne werden beschnitten, die Differenzierungen in schattigen Bereichen gehen verloren.
Dem lässt sich zum Glück in der App Photo Pro durch die Optionen "Auto HDR" und "DRO" (D-Range Optimiser) entgegenwirken. DRO optimiert den Kontrastumfang mit Hilfe eines einzelnen Fotos, Auto HDR verbindet mehrere Bilder für ein besseres Ergebnis. DRO eignet sich eher für sich bewegende Objekte.
Die App Photo Pro gewährt dem Nutzer Zugriff auf alle denkbaren Einstellmöglichkeiten, darunter Fokus, Fokusbereich, ISO, Weißabgleich und Belichtungskorrektur. Wer mag, kann auch RAW-Fotos knipsen und sie mit Photoshop oder einer ähnlichen Software bearbeiten. Die App Cinema Pro für Filme geht noch einen Schritt weiter und erzeugt verschiedene Lichtstimmungen wie eine Simulation der Venice-Filmkamera sowie ein warmes, kaltes oder monochromes Bild. Das eröffnet kreative Möglichkeiten.
Die Videos sehen sehr gut aus, vor allem in 4K und mit HDR. Leider gibt es keine 4K-Clips mit 60 FPS, außerdem funktioniert die Objektverfolgung in 4K-Auflösung nicht. Derweil schaffen Full HD bei 60 FPS und HD-Videos kein HDR. Die Unterdrückung von Windgeräuschen klappt ordentlich.
Bleibt die Frage nach den Nachtfotos, eine besondere Herausforderung der Smartphone-Fotografie. Das Xperia 1 II besitzt keinen Nachtmodus-Menüpunkt, sondern erkennt schlechte Lichtbedingungen selbst und aktiviert einen Quasi-Nachtmodus. Dabei muss der Nutzer das Handy ein paar Sekunden stillhalten. Das Ergebnis ist hervorragend für Smartphone-Verhältnisse – selbst, als ich mit bloßem Auge kaum noch etwas sehen konnte, erzeugte das Xperia ansehnliche Fotos.

Übrigens: Besitzer einer Kamera aus Sonys Alpha-Serie können das Xperia 1 II als Remote-Display nutzen und die Kameraeinstellungen via Handydisplay regeln.
Über den Klinkenanschluss gibt das Xperia eine gute Audioqualität aus. Wie so oft bei Sony hätte eine höhere Ausgangsleistung für anspruchsvollere Kopfhörer nicht geschadet, um dem Hi-Fi-Anspruch gerecht zu werden. Die Stereolautsprecher sind dafür sehr räumlich und kräftig. Sie lassen sich auch von lautem Metal nicht in die Knie zwingen. Beide Lautsprecher zeigen in Richtung des Zuhörers, während andere Hersteller gern einen davon in der unteren Gehäuseseite einbauen. Nur der Bass ist eher schwach ausgeprägt, hier kann etwa das Galaxy S20 Ultra etwas mehr.
Fazit: Die Kameras des Xperia 1 II knipsen realistisch anmutende Fotos auf hohem Niveau. Auch bei schlechten Lichtbedingungen. Die Videos wissen ebenso zu überzeugen, nicht zuletzt in HDR. Die Stereolausprecher erzeugen einen klaren, lauten Sound, und der Kopfhöreranschluss ist ein willkommener Bonus für die Freunde hoher Klangqualität.
Fazit & Alternativen: Sony spielt wieder vorne mit

Bis zuletzt traf Sony die kuriose Entscheidung, die besten hauseigenen Kamerasensoren an andere Handy-Hersteller zu verkaufen. Die eigenen Smartphones mussten sich mit einer bescheideneren Fotoqualität begnügen. Mit dem Xperia 1 II hat dies endlich ein Ende. Die Kameras können mit denen in anderen Flaggschiffen mithalten. Auch ansonsten ist das neue Xperia ein rundum konkurrenzfähiges High-End-Handy, das mit einer umfassenden Ausstattung besticht. Lediglich die durchschnittliche Laufzeit und der Verzicht auf ein 90- oder 120-Hertz-Display werden manche stören.
Der Preis von 1.200 Euro ist zweifellos selbstbewusst, aber erstens sind andere Flaggschiffe bei einem ähnlichen Neupreis angelangt und zweitens spricht das Sony-Modell mit professionellen mobilen Fotografen und -Filmern eine besondere Zielgruppe an. Als Alternative können wir das Samsung Galaxy S20+ empfehlen, das mit rund 900 Euro inzwischen deutlich günstiger zu haben ist. Es bietet ein 120-Hertz-Display und gute Kameras, erreicht aber nicht die Prozessorleistung des Sony.
Für mehr Geld gibt es das Galaxy S20 Ultra, dessen Kameras aufgrund von Fokusproblemen laut meinem Test aber insgesamt nicht viel besser sind. Dafür hat es ein 120-Hertz-Display. Das auch rund 1.300 Euro teure Galaxy Note 20 Ultra muss sich erst im Test beweisen, hat dem Xperia aber schon einmal einen Eingabestift und das dynamische 120-Hertz-Display voraus.

Das hat mir gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ Schickes, ausgereiftes Design + Scharfes, kontrastreiches OLED-Display mit genauen Farben + Sehr gute Ausstattung inklusive IP68 und Kopfhöreranschluss + Rasante Performance + Sehr gute Kameras |
- Display nur mit 60 Hertz - Laufzeit dürfte besser sein |