Sony hat es wieder getan: Auf der IFA 2016 gab es zwei neue Smartphones – das große Xperia XZ und das kleine Xperia X Compact. Anders als in den Vorjahren ist das Compact-Modell aber keine kleine Variante des High-End-Modells. Welche Abstriche Du beim X Compact machen musst, zeigt unser Test.
"The same procedure as last year, Sony? The same procedure as every year!" Obwohl – nicht ganz. Präsentierte der japanische Hersteller in den vergangenen Jahren immer noch ein neues Modell seiner Z-Reihe, stand 2016 das "X" im Fokus. Die Xperia Z-Serie ist tot – lang lebe das Xperia X. Mit dem Namen scheint Sony einen weiteren wichtigen Aspekt geändert zu haben: War das Xperia Z5 Compact noch eine kleinere, aber technisch genauso potente Version des Xperia Z5, kommt das Xperia X Compact als technisch abgespeckte Variante des Xperia XZ daher. Welche Abstriche müssen Käufer daher machen? Und kann das auf der anderen Seite vielleicht auch Vorteile mit sich bringen? Wir wollten es wissen und haben dem kleinen Sony-Brocken auf den Zahn gefühlt.
Kleine Android-Smartphones muss man suchen
Es gibt sie also noch, die kleinen Smartphones. Allerdings ist die Auswahl gerade im Android-Segment überschaubar. Während Apple seine Flaggschiffe traditionell auch in 4,7 Zoll Größe auf den Markt bringt und mit dem iPhone SE 2016 sogar noch einen 4-Zöller nachreichte, muss man nach Androiden unter 5 Zoll schon sehr gründlich suchen. Das Sony Xperia X Compact dürfte dann schnell ins Auge springen. Dank seines 4,6-Zoll-Displays lässt sich das Smartphone noch prima mit einer Hand bedienen – selbst mit kleinen Frauenhänden. Dabei gibt es jedoch eine Ausnahme, die schon beim Xperia Z5 Compact vor einem Jahr auffiel: Während der Power-Knopf an der rechten Seite noch einigermaßen gut mit dem Daumen zu erreichen ist, erfordert die viel zu weit unten positionierte Lautstärketaste regelrechte Fingerverrenkungen – oder halt doch das Zuhilfenehmen der zweiten Hand.
Xperia X Compact: Ein kleiner Wonneproppen
Sony hat sein Smartphone auch nicht in jeder Hinsicht geschrumpft. Hätten wir ein Baby getestet, dann hätten wir wohl von einem Wonneproppen gesprochen – das Xperia X Compact ist nämlich vergleichsweise klein, mit 9,5 Millimetern aber auch recht dick. Zum Vergleich: Das iPhone SE mit 4-Zoll-Display ist nur 7,6 Millimeter dick, das 4,7 Zoll große iPhone 7 sogar nur 7,1 Millimeter. Bei Sonys Kompaktmodell hat man also ordentlich was in der Hand. Immerhin fällt das mit Kunststoff und Gorilla Glass gefertigte Handy mit 135 Gramm nicht außerordentlich schwer aus. Es ist also nur optisch ein Wonneproppen, der mit seiner glänzenden Plastikrückseite übrigens den Look und die Haptik von Keramik imitieren will. Das sieht gut aus, ist aber sehr empfindlich für Fingerabdrücke und Kratzer. Das restliche Design ist typisch Sony: eckiger als alle anderen, aber abgerundet an den nötigen Stellen um gut in der Hand zu liegen.
Wasserdicht war einmal
Mit der Xperia Z-Reihe scheint auch die IP-Zertifizierung zu Grabe getragen worden sein. Früher wurden die Modelle sogar für die Unterwasserfotografie beworben, die Xperia Z5-Reihe war dann immerhin noch wasserdicht mit seiner IP68-Zertifizierung. Jetzt gibt es nichts derartiges mehr. Offiziell ist das Xperia X Compact also weder gegen Staub noch vor Wasser geschützt.
Es braucht keine Monster-Auflösung ...
Womit das kleine Smartphone-Modell mehr glänzen kann, ist sein Display. Der LCD-Screen bietet zwar nur HD-Auflösung von 1280 x 720 Pixeln, das ist bei einer Display-Größe von 4,6 Zoll aber völlig ausreichend. Inhalte werden scharf dargestellt und lassen sich auch bei – der in Hamburg zugegebenermaßen seltenen –Sonneneinstrahlung noch außerordentlich gut ablesen. Nicht ganz verstehen können wir, warum Sony die automatische Display-Helligkeit anders als auf den meisten Android-Smartphones tief in den Einstellungen versteckt. In den Schnelleinstellungen ist nur das manuelle Regeln möglich.
... und keinen Monster-Chip ...
Mit Ausnahme einiger Sony-Extras handelt es sich bei der Benutzeroberfläche fast um Stock-Android – ab Werk ist Marshmallow installiert, Nougat soll aber nachgeliefert werden. Betriebssystem und Sony-UI laufen im Alltag sehr flüssig. Dabei waren wir anfangs etwas skeptisch. Anders als beim Xperia Z5 Compact hat das X Compact nämlich keinen aktuellen High-End-Prozessor spendiert bekommen. Während im Xperia XZ der Snapdragon 820 werkelt, muss sich das Compact-Modell mit dem Snapdragon 650 zufriedengeben. Dafür war Sony beim Arbeitsspeicher wohl in Spendierlaune: 3 GB RAM sollen für ausreichend Performance sorgen. In der Tat meisterte das Xperia X Compact im Test die meisten Aufgaben mit Bravour – ins Stocken gerät die Sechskern-CPU mitunter aber beim Bearbeiten von Fotos, beim Fotografieren unter schlechten Lichtverhältnissen und bei grafisch aufwendigen Spielen.
... dafür eine Monster-Kamera?
An anderer Stelle wurde der Rotstift hingegen nicht angesetzt. So bringt das X Compact die gleiche 23-Megapixel-Hauptkamera mit wie das größere und teurere Xperia XZ. Mit beiden Modellen führte Sony etwas ein, das sie Dreifach-Sensor nennen: Ein Laser-Sensor fokussiert angeblich auch bei wenig Licht, der prädiktive Autofokus soll Bewegungen von Motiven quasi voraussehen und ein zusätzlicher RGBC-Infrarot-Sensor einen natürlicheren Weißabgleich ermöglichen. Was nach viel Technik-Gefasel klingt, sorgt in der Praxis für scharfe Bilder mit überwiegend natürlichen Farben. Schwierigkeiten bekommt die Sony-Cam hingegen bei Gegenlicht. Fotos werden dann tendenziell überbelichtet. Bei wenig Licht fällt hingegen recht schnell ein deutliches Bildrauschen ins Auge.
Abstriche wurden wiederum bei der Videofunktion und der Frontkamera gemacht. Im Gegensatz zum Xperia XZ filmt das X Compact maximal in Full HD-Auflösung (dafür aber mit bis zu 60 fps). Die Frontkamera bietet nur 5 statt 13 Megapixel. Selfies werden damit nicht überragend, dafür gibt es viele Möglichkeiten, mit Filtern und Co. herumzuspielen.
Unschlagbare Akkulaufzeit
Obwohl das Xperia X Compact nicht mit der höchsten Display-Auflösung oder dem schnellsten Prozessor daherkommt, bedeutet Compact nicht nur Verzicht. Die kleineren Modelle von Sony sind seit Langem für ihre außerordentliche Akkulaufzeit bekannt. Und auch unser Testgerät reiht sich gerne in diesen elitären Kreis ein. Unbenutzt sank der Akkustand des Smartphones über Nacht gerade einmal um zwei Prozentpunkte, bei durchschnittlicher alltäglicher Nutzung sind locker zwei Tage drin – obwohl der Akku mit seinen 2700 mAh nicht so groß ausfällt wie in manch einem Premium-Phablet. Klein zu sein, hat eben auch seine Vorteile.
Fazit: Die beste Alternative bietet Sony selbst
2016 hat Sony es mal nicht gemacht wie die Jahre zuvor: Statt sein High-End-Modell einfach zu schrumpfen, kommt das Kompaktmodell dieses Jahr auch mit abgespeckter Technik auf den Markt – und mit einem abgespecktem Preis. Für das Xperia Z5 Compact verlangte Sony zum Start noch 549 Euro, das Xperia X Compact startet hingegen mit einer UVP von 449 Euro. Kann dieser Plan aufgehen?
Zumindest der schwächere Prozessor, die niedrigere Display-Auflösung und der Verzicht auf die 4K-Videofunktion sind zu verkraften. Zumal sie einem der Glanzpunkte des Kompaktmodells zugute kommen: der Akkulaufzeit. Wie in den Jahren zuvor zeichnet sich das Compact-Modell der Flaggschiff-Reihe vor allem durch seine gute Kamera und seine starke Akkulaufzeit aus. Anders als in den Jahren zuvor gibt es allerdings keine IP-Zertifizierung mehr. Eine nicht minder attraktive Alternative zum Xperia X Compact bietet Sony daher selbst an: das Xperia Z5 Compact. Das 2015er Modell ist wasserdicht, mit einem Update auf Android 6.0 Marshmallow versorgt und mittlerweile zu ähnlichen Preisen wie das aktuelle Compact-Modell von Sony erhältlich.