Mit "The Rain" bringt Streaminganbieter Netflix in Kürze seine erste skandinavische Originalserie heraus und das Motiv könnte wohl kaum dystopischer ausfallen. Immerhin wurde fast die gesamte Weltbevölkerung durch ein Virus ausgelöscht, das durch Regen übertragen wird. Da fallen Vergleiche zu AMC's Erfolgsserie "The Walking Dead" natürlich nicht schwer.
Serien mit Endzeitmotiv sind aktuell absolut im Trend, das zeigt unter anderem die riesige Fangemeinde, über die sich "The Walking Dead" nach wie vor freuen darf. Doch könnte "The Rain" für Netflix das werden, was die Zombieserie für US-Sender AMC ist? Und: Taugt "The Rain" für Zombieentzug-geplagte Fans als Pausenfüller, um die Zeit bis zum Start von "The Walking Dead"-Staffel 9 zu überbrücken? Ich habe mir die neue Serie diesbezüglich einmal genauer angesehen.
"Bleib trocken. Bleib am Leben": Die Story von "The Rain"
Man könnte den Grundplot von "The Rain" fast für harmlos halten. Tödlicher Regen? Das klingt, als ob ein Regenschirm das Problem direkt lösen könnte, höre ich eine Kollegin humorvoll frotzeln. Doch ganz so einfach ist das Ganze in Netflix' neuer Serie natürlich nicht. Weder mit Blick auf die globale Problematik noch in Bezug auf die persönliche Involvierung der Protagonisten.
In erster Linie Simone Andersen (Alba August) und ihr kleiner Bruder Rasmus (Lucas Lynggaard Tønnesen). Denn die beiden gehören sechs Jahre nach Beginn der Katastrophe nicht nur zu den offenbar letzten Überlebenden in ihrer Heimat Dänemark. Ihre Familie trägt auch die Verantwortung für die ganze Miesere! Oder besser gesagt, ihr Vater Frederik, der im Auftrag des Konzerns Apollon – und vor allem zur Rettung seines zuvor todkranken Sohnes Rasmus – einen Virus entwickelt hat, der multiresistente Bakterien töten kann.
Das Experiment der verzweifelten Eltern am eigenen Sohn glückt und Frederik Andersen (Lars Simonsen) beschließt, den Virus freizusetzen, um damit "eine sterbende Welt zu retten", wie er leidenschaftlich seiner Frau zu verstehen gibt. Doch seine Schöpfung entwickelt ein schreckliches Eigenleben und jeder, der mit dem vom Regen verbreiteten Virus in Kontakt kommt, stirbt innerhalb kürzester Zeit einen qualvollen Tod.
Um seinen Fehler wiedergutzumachen und den verbliebenen Rest der Menschheit zu retten, lässt der Wissenschaftler seine Kinder alleine im Bunker zurück. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass niemand Rasmus finden dürfe, weil er "der Schlüssel zu all dem" sei.
Erst Jahre später wagen sich die Geschwister wieder aus dem Bunker heraus. Und müssen nun nicht nur lernen, sich in dieser neuen bedrohlichen Welt zurechtzufinden. Sie müssen auch herausfinden, wem sie vertrauen können. Denn in einer Welt ohne gesellschaftliche Regeln kann jeder Fremde zur potenziell tödlichen Bedrohung werden, wie beide schnell feststellen müssen. Können sie der kleinen Gruppe junger Überlebender trauen, der sie sich zwangsweise anschließen?
Tröpfchenweise nervenaufreibende Spannung
Es ist ein geradezu genialer Coup, der Netflix mit "The Rain" gelungen ist. Nicht nur, dass die Serie sich von Anfang an durch ein hohes Maß an psychologischer Spannung auszeichnet. Regen als tödliche Bedrohung zu nutzen, ist ebenfalls ein mehr als kreativer neuer Ansatz für das Endzeitszenario.
Immerhin wird das Nass aus den Wolken in so ziemlich jeder anderen postapokalyptischen Serie und Film als lebensrettend und mehr als willkommen dargestellt. Ohne Wasser kein Leben. Doch dieses Konzept stellen die Macher der neuen Serie rund um Showrunner Jannik Tai Mosholt völlig auf den Kopf. Und setzen es gekonnt in Szene.
Wenn zu Beginn jeder einzelne Tropfen in Slow Motion und Großaufnahme gezeigt und dadurch in seiner Bedeutung aufgeladen wird, steigt auch beim Zuschauer die Spannung exponentiell an. Zumal schnell klar wird, dass auch jedes andere Gewässer – sei es nun stehend oder nicht – ebenfalls den Virus trägt.
Taugt "The Rain" für "The Walking Dead"-Fans?
Fans von "The Walking Dead" kennen postapokalyptische Szenarien natürlich längst zur Genüge. Immerhin schlagen sich Rick Grimes (Andrew Lincoln) und Co. inzwischen seit acht Staffeln durch die Zombieapokalypse. Doch wo "TWD" dank wandelnder Untoter immer ein gewisses Maß an "Das ist ja alles nur 'ne Geschichte"-Feeling behält, besticht "The Rain" durchweg durch bedrückenden Realismus.
Immerhin wissen wir alle längst, welchen Schaden ein Schauer in Zeiten sauren Regens anrichten kann. Ein Virus, der durch die Luft oder den Regen übertragen wird? In einer Welt, in der es noch immer zahlreiche biologische Kampfstoffe gibt, kein unvorstellbares Szenario. Genau mit diesem Realismus packt "The Rain" seine Zuschauer – und reichert das Ganze durch menschliche Tragödien und spannende zwischenmenschliche Interaktion an.
Ein Faktor, der auch in "The Walking Dead" nach wie vor große Bedeutung hat. Immerhin betonte Serienschöpfer Robert Kirkman und auch Franchise-Oberboss Scott M. Gimple bereits mehrfach, dass es in "TWD" nicht in erster Linie um die Zombies gehe, sondern um die Menschen.
Wer die AMC-Serie also nicht nur der Beißer wegen anschaut, und auch einer etwas größeren Portion Realismus nicht abgeneigt ist, der wird mit "The Rain" einen mehr als würdigen (nicht nur) Pausenfüller finden, um sich die Zeit bis zum Start von Staffel 9 zu vertreiben. Ich persönlich kann es jedenfalls kaum erwarten, mir sämtliche acht Episoden der ersten Staffel anzusehen, sobald "The Rain" ab dem 4. Mai auf Netflix startet.