Um die Jahrtausendwende herum galt M. Night Shyamalan als große Hoffnung an Hollywoods Autoren- und Regiehimmel – dank Hits wie "The Sixth Sense", "Unbreakable" oder auch "Signs". Dann jedoch sank der Stern des in Indien geborenen Amerikaners. Mit dem Psychothriller "Split" findet Shyamalan zurück zu alter Form. Unsere Filmkritik erklärt, warum es ist sein bester Film seit mehr als zehn Jahren ist.
Von Michael Schock
- 24 wollen Dir ans Leder: Die Story von "Split"
- Spannung pur – ohne platte Storytricks
- Der Cast: James McAvoy und Anya Taylor-Joy brillieren
- "Split": Fazit
24 wollen Dir ans Leder: Die Story von "Split"
Auf einem Supermarktparkplatz werden die drei Teenagerschwestern Casey, Claire und Marcia betäubt und entführt. Sie finden sich in einem Kellerverlies wieder und befürchten das Schlimmste. Doch ihr kahl geschorener Kidnapper, ein mysteriöser, äußerst seltsamer Mann namens Kevin (James McAvoy, "Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn") krümmt ihnen kein Haar. Als er eines Tages in Frauenkleidern vor den Mädchen erscheint, dämmert es ihnen: Der Mann scheint multiple Persönlichkeiten in sich zu vereinen – 23, um genau zu sein.
Außerhalb des Verlieses geht Kevin munter weiter zu seiner Therapeutin Dr. Karen Fletcher, die auf Fälle wie seinen spezialisiert ist. Sie vertritt die Theorie, dass die verschiedenen Persönlichkeiten in den Erkrankten auch eigene körperliche Eigenschaften haben. Der Therapeutin fällt das plötzlich heitere Gemüt Kevins auf – sie schöpft Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Besonders macht ihr das von Kevin immer häufiger erwähnte "Biest" Angst, anscheinend eine geheimnisvolle 24. Persönlichkeit in seinem Körper. Sie macht nicht nur den anderen 23 Angst, sondern ist auch unglaublich brutal, zu allem fähig und scheint hinter der Entführung der Mädchen zu stecken. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das "Biest" zum Vorschein kommt ...
Spannung pur – ohne platte Storytricks
In bewährter Shyamalan-Tradition kommt auch "Split" nicht ganz ohne überraschende Wendungen aus – aber diese sind nicht penetrant und werden sich cleveren Zuschauern schon beim Schauen des Filmes erschließen. Der Regisseur führt uns hier nicht an der Nase herum, viel mehr hat sich Shyamalan dieses Mal auf eindringliche Bilder und eine dichte Atmosphäre konzentriert. Die Spannung bleibt ab der hervorragend inszenierten Entführung am Anfang konstant hoch, nur minimale Längen finden sich ab und an in der Handlung. Seine Figuren, denn auch hier stammt die Story wieder aus der Feder des Regisseurs, reagieren meist komplett nachvollziehbar und intelligent, was dem Film eine noch bedrückendere Atmosphäre verschafft.
Der Cast: James McAvoy und Anya Taylor-Joy brillieren
Vor all dem überzeugt "Split" aber mit großartigen Leistungen der Darsteller. James McAvoy, der zuletzt als Professor Xavier in den neuen "X-Men"-Filmen schauspielerisch nicht sonderlich gefordert wurde, fährt hier die gesamte Bandbreite seines Könnens auf, und die kann sich sehen lassen. Er erfüllt jede der verschiedenen Persönlichkeiten mit Leben, sodass man nicht mal die wechselnde Kleidung bräuchte, um zu erkennen, wer gerade am Zug ist. In Casey alias Anya Taylor-Joy hat er seine perfekte Gegenspielerin gefunden. Die 20-Jährige brillierte schon vergangenes Jahr im düsteren Indiehorror-Geheimtipp "The Witch" und liefert auch dieses Mal eine so starke Leistung ab, dass ein Hype um die Jungdarstellerin nur noch eine Frage der Zeit ist. Von der anfänglichen Zerbrechlichkeit und Angst in den großen Augen, gewinnt sie in den zwei Stunden merklich und mitreißend an Stärke.
"Split": Fazit
Letztlich bleibt der Dank an M. Night Shyamalan, dass er einen für seine Verhältnisse so "einfachen" Psychothriller geschrieben hat. Mit "Split" zeigt Shyamalan, das er das anscheinend richtig gut kann, ganz ohne doppelten Boden. Zur Seite steht dem Regisseur und Autor ein großartiger Cast mit jungen Nachwuchsdarstellerinnen und einem überragenden James McAvoy in einer buchstäblich facettenreichen Hauptrolle.