Schon vor dem Release war "Star Wars: Battlefront 2" ein gebranntes Kind: Mit Lootboxen und Mikrotransaktionen machte das Game wochenlang Negativschlagzeilen und bekam Pay-to-Win-Vorwürfe zu hören. Ist die Macht trotzdem mit dem Hochglanz-Shooter? Unser Test klärt auf.
Fast scheint es, als könnten es Entwickler Dice und Publisher Electronic Arts nicht lassen, sich bei ihrer Neuauflage der "Star Wars: Battlefront"-Reihe mit Anlauf in Fettnäpfchen zu werfen: Der 2015 veröffentlichte erste Teil sorgte für Unmut, als sich herausstellte, dass erst zahlreiche kostenpflichtige DLC-Inhalte am Ende einen Shooter hervorbringen würden, der auch langfristig begeistern kann. Nun haben sich die Macher beim zweiten Teil in den Brennpunkt einer Kontroverse um zwielichtige Quasi-Glücksspiel-Systeme manövriert. Dabei wollten sie mit "Star Wars: Battlefront 2" doch sichtlich alles besser machen.
Lässt man Lootboxen, Sternkarten und Ingame-Käufe einmal außen vor, hat der Shooter tatsächlich alles, was sich ein "Star Wars"-Fan von einem Game nur erträumen kann: Gewaltige Schlachten an ikonischen Schauplätzen quer durch alle Epochen der Sternensaga. Atemberaubende Weltraumkämpfe. Ein riesiges Angebot an Helden und Schurken, in deren Rolle Lichtschwerter, Machtkräfte und Blaster geschwungen werden dürfen. Und nicht zu vergessen: einen Singleplayer-Modus mitsamt kanonischer Story, die an die Ereignisse von "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" anschließt.
Singleplayer: Durchschnitts-Story mit Glaubwürdigkeitsproblem
Ein Einzelspieler-Modus wurde beim Vorgängerspiel besonders schmerzlich vermisst, weshalb ich gespannt war, wie Dice diesen Punkt angehen würde. Mit der imperialen Elitesoldatin Iden Versio hat "Star Wars: Battlefront 2" eine Protagonistin, die die Kult-Saga von der dunklen Seite aus erzählen soll – ein ambitioniertes Unterfangen, das leider schnell in Schräglage gerät. Denn natürlich muss Versio einerseits linientreu-imperial, andererseits aber auch sympathisch sein. Das führt zu unglaubwürdigen Dialogen, in denen das Gefühl aufkommt, sie spreche über eine Mischung aus Hippie-Kommune und Heilsarmee – und nicht über ein düsteres Regime, das seine stärksten Waffen ganz unverblümt "Todesstern" und "Sternenzerstörer" nennt. Warum offensichtlich auch Figuren mit halbwegs intaktem moralischem Kompass diesem grotesk überzeichneten Fantasy-Faschismus völlig verfallen können, erklärt "Star Wars: Battlefront 2" viel zu ungenügend und wird dadurch seinem eigenen Anspruch nicht gerecht.
Natürlich kommen Versio aber bald Zweifel an ihren Aufträgen und vorhersehbarerweise trifft sie nach wenigen Missionen auf die "Guten" des "Star Wars"-Universums. Quasi von der ersten Begegnung mit den Rebellen an ergeht sich das Game dann in Fanservice: Iden Versio wird von einer ikonischen Figur zur nächsten weitergereicht; als Spieler schlüpfe ich in der Folge immer wieder auch in die Haut von beliebten Helden und Heldinnen der Saga – da hüpft das Freizeitjedi-Herz. Auch im Gameplay bemüht sich die Kampagne um Abwechslung: Shooter-Schlauchlevels wechseln sich ab mit sehr gelungenen Raumschiffkämpfen, Angriffs- und Verteidigungs-Missionen. Wie auch die Story an sich ist nichts davon sonderlich überraschend und mit fünf bis sechs Stunden Spielzeit ist der Singleplayer auch mit gutem Willen nur als Anhängsel und Tutorial für den Multiplayer zu bezeichnen. Das berühmte "Star Wars"-Feeling kommt dennoch auf.
Grafik & Sound: Über jeden Zweifel erhaben
Das verdankt "Star Wars: Battlefront 2" aber natürlich auch seiner hervorragenden Präsentation. Grafisch gibt es in der getesteten Version auf der Xbox One X von einigen wenigen Detail-Schnitzern nichts zu meckern. Wenn ich etwa als Prinzessin Leia einen organisierten Rückzug vor einer Horde Sturmtruppen organisieren muss, während um mich herum in visuellem Dauerfeuer Jagdflieger abstürzen, AT-STs mit Blasterschüssen die Luft zerfetzen und Granaten explodieren, fühle ich mich tatsächlich in eine perfekt choreografierte Kino-Schlacht hineinversetzt. Der orchestrale Soundtrack tut sein Übriges, die Filmsequenzen zwischen den Missionen sind zudem perfekt animiert, Mimik und Gestik der Charaktere beeindruckend ausdrucksstark.
Steuerung: Am Boden solide, in der Luft ein Gedicht
"Star Wars: Battlefront 2" spielt sich, wie man es von einem auf Hochglanz getrimmten modernen Shooter erwarten darf: Die unterschiedlichen Waffen geben wuchtiges Feedback, Fernkampfgefechte gehen leicht von der Hand. Nicht ganz so intuitiv läuft die Steuerung von Helden mit Nahkampfwaffen wie Lichtschwertern; hier gerät das Zielen manchmal zum Eiertanz und Präzision weicht eher grob gepeiltem Herumhacken. Die Steuerung der Raumjäger fühlt sich dafür absolut fantastisch an: Nach kurzer Eingewöhnungszeit heize ich im Tie-Jäger oder X-Wing in waghalsigen Manövern durch den Raum. Die Raumkämpfe fühlen sich elegant und präzise an und sind in Sachen Steuerung vielleicht die größte Verbesserung, die "Star Wars: Battlefront 2" im Vergleich mit dem Vorgänger bietet.
- Fundorte aller Sammelobjekte in der Kampagne
- Überblick & Level-Guide für die Klassen im Multiplayer
- Guide zum Freischalten von Helden
Multiplayer: Zwei Schlachtmodi plus Beiwerk
Zusätzlich zur Kampagne bietet das Game für Einzelspieler noch einige Arcade-Herausforderungen, in denen kleine Gefechte des großen Sternenkrieges gegen die KI ausgefochten werden können – allein oder im lokalen Koop-Modus. Im Kern ist "Star Wars: Battlefront 2" aber natürlich ein Online-Multiplayer-Shooter mit einem Klassen-System á la "Battlefield" und kreist um zwei "große" Spielmodi: "Galaktischer Angriff" und "Sternenjäger-Angriff". Beide legen den Fokus auf große Schlachten mit mehreren Dutzend Spielern und funktionieren im Grunde als Abfolge von Etappenzielen – ähnlich wie der "Walker Assault" aus dem ersten "Star Wars: Battlefront".
So muss ich etwa in einer Mission auf Seiten der Ersten Ordnung die anrückenden Rebellen an der Sabotage der Basis hindern. Gelingt meinem Team das nicht, müssen wir als nächstes die Tore eines Gefängnisses vor den Eindringlingen schützen. Wenn auch das fehlschlägt, müssen wir die Befreiung von Gefangenen aus diesem Gefängnis verhindern und so weiter. "Sternenjäger-Angriff" verlegt das Geschehen – wie erwartet – in den Orbit und ist dank der vorzüglichen Raumschiff-Steuerung noch ein Stück spaßiger als die Bodenkampf-Variante.
Eher auf kürzere Gefechte ausgelegt sind die Modi "Helden vs. Schurken", "Angriff" und "Gefecht". In ersterem Modus treten zwei vierköpfige Heldenteams gegeneinander an, was kurzweilig, aber wegen der mäßig präzisen Steuerung eher was für eine Runde zwischendurch ist. "Angriff" ist im Grunde ein Team-Deathmatch-Modus und "Gefecht" ein zielorientierter Modus auf kleineren Karten. Nice to have, aber gegenüber den zwei Hauptmodi zu vernachlässigen.
Der große Haken: Kisten, Kredits, Kontroversen
Alles in allem wäre "Star Wars: Battlefront 2" damit ein ordentlicher Shooter im "Star Wars"-Universum. Wäre. Leider kann das Game aber nicht losgelöst von der Lootboxen-Kontroverse betrachtet werden, denn auch wenn die Mikrotransaktionen zum Zeitpunkt meines Tests (noch?) abgeschaltet waren: Es ist nicht zu übersehen, dass "Star Wars: Battlefront 2" von Lootboxen und der Idee käuflicher Vorteile regelrecht durchwoben ist.
Deutlichstes Symptom dieses Ärgernisses ist ein völlig überkomplexes Aufwertungs- und Fortschritts-System, das mithilfe von sogenannten Sternkarten funktioniert. Diese Sammelkarten ziehe ich in erster Linie aus Lootboxen, die ich mit Kredits – der Spielwährung – kaufe oder für "Meilensteine" wie tägliches Einloggen bekomme. Damit kann ich dann die verschiedenen Helden-, Truppen- und Raumjägerklassen verbessern. Neue Karten können mithilfe einer weiteren, sekundären Spielwährung namens "Herstellungsteile" auch ohne Lootboxen freigeschaltet werden, die Karten selbst wiederum lassen sich auch noch aufwerten und schalten dann Slots für noch mehr Karten frei mit denen ich meinen Spielfiguren noch stärkere Vorteile verschaffe.
Wie im Casino: "Belohnungen" an jeder Ecke
Dazu steige ich auch als Spieler noch im Rang auf, Waffen lassen sich zusätzlich verbessern, dazu kommen Boni verschiedenster Art. Gefühlt schaltet jeder kleine Schritt in "Star Wars: Battlefront 2" irgendetwas frei, gibt mir irgendeine Belohnung oder die Chance, irgendetwas aufzuwerten. Ständig huschen Zahlenkolonnen über den Bildschirm und teilen mir mit, was ich wodurch schon wieder gewonnen habe. Dazu erinnert mich das Spiel ständig daran, doch unbedingt meine Belohnungen im Karriere-Menü abzuholen, meine Lootboxen zu öffnen und meine Kredits für neue, zufällig befüllte Kisten auszugeben.
"Star Wars: Battlefront 2" blinkt dauerhaft wie ein hyperaktiver Slot-Automat und zieht alle Aufmerksamkeit auf seine völlig überladenen Fortschritts-Mechaniken. Unterm Strich ist die Ausbeute trotzdem ernüchternd: Gezielter Fortschritt in einer Klasse ist nur frustrierend langsam möglich, denn zwischen nützlichen Dingen stecken in den Kisten ja auch noch Emotes, Siegposen und Kostüme. Das drückt die Wahrscheinlichkeit, ausgerechnet für die präferierte Klasse eine passende Karte zu ziehen, noch weiter.
Die Menge erspielter Kredits ist zudem recht gering, mehrere Stunden Spielzeit lassen mich vielleicht drei bis vier Lootboxen öffnen. Im Arcade-Modus gibt es sogar ein Limit von 500 Kredits pro zwölf Stunden Spielzeit – eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass Lootboxen nicht unter 2200 Kredits zu haben sind und das Freischalten neuer Helden gern das Fünffache kostet. Das Zukaufen weiterer Kisten soll hier wohl regelrecht provoziert werden; echte Fortschritte via Singleplayer zu erspielen ist so gut wie unmöglich.

Dass die Sternkarten im Multiplayer auch noch handfeste Vorteile bieten, ist auch ohne den aktuell abgeschalteten Echtgeld-Einsatz problematisch: Ein ebenbürtiges, faires Kräftemessen ist hier jedenfalls von vornherein unmöglich. Das ganze Ausmaß lässt sich aber wohl erst in einigen Monaten absehen, wenn das Gefälle zwischen Neueinsteigern und der Sternkarten-Elite noch gewachsen ist. Dem kurzfristigen Spaß tut das System – bislang – noch wenig Abbruch. Aber wer weiß schon, wie es um die Langzeitwirkungen bestellt ist ...
Fazit: Mechanik essen Seele auf
"Star Wars: Battlefront 2" ist kein schlechtes Spiel, im Gegenteil: Es ist sogar ein mindestens grundsolides, stellenweise sogar ausnehmend gutes Spiel, das den Geist des "Star Wars"-Universums gekonnt einfängt und als moderner Shooter absolut überzeugt – sogar trotz einer durchschnittlichen Story in einem netten, aber weitgehend ebenfalls durchschnittlichen Singleplayer. Allerdings ist es begraben unter einem überkomplexen Wulst von Progressions-Systemen, die nicht nur schwer zu durchschauen, sondern auch noch extrem unbefriedigend sind, sich ständig in den Vordergrund drängen und zudem fest auf den Zukauf von Lootboxen mit Echtgeld ausgelegt scheinen.
Die große Frage ist: Muss das in einer Testwertung eine Rolle spielen? Ich finde: Ja, denn so zentral, wie dieses System für den Spielfortschritt ist, ist es sogar bei abgeschalteten Mikrotransaktionen schwer zu ignorieren und stellt aufgrund seiner bloßen Umständlichkeit schon ein sehr unelegantes Ärgernis dar. Ob Lootboxen und Mikrotransaktionen überhaupt einen Platz in Vollpreis-Videospielen haben sollten, ist eine andere Diskussion. Für "Star Wars: Battlefront 2" lässt sich immerhin feststellen, dass sie einem guten Spiel eine ganze Menge Charme rauben können.