Mit "Shadow of the Colossus" hat Bluepoint Games dem Klassiker von 2005 ein neues Gewand angepasst: Die PS4-Version lässt das ursprüngliche PlayStation-2-Spiel komplett zeitgemäß aussehen und macht so alle Ausreden überflüssig – das Meisterwerk gehört in jede Spielesammlung. Warum das so ist? Wir klären auf.
Es gibt Remaster, es gibt Remakes und es gibt "Shadow of the Colossus" für die PS4. Muss man sich bei vielen Neuauflagen nach dem jeweiligen Sinn fragen, ist „SotC“ eines der gelungensten Remakes bisher – Grund dafür ist vor allem die Liebe der Entwickler zum Detail. Dabei gab es bereits 2011 ein Remaster des Spiels, trotzdem sollte man das neue Remake nicht als bloßen Aufguss übergehen.
Bluepoint hatte bereits damals für den PS3-Port gesorgt – das Studio ist bekannt dafür, Klassikern zu neuem Glanz zu verhelfen und Spiele auf andere Systeme zu bringen: "Metal Gear Solid 2", "Gravity Rush Remastered" oder die "Uncharted: Nathan Drake Collection" sind da nur einige Beispiele.
Macht aus wenig viel: Die Handlung erscheint zuerst einfach
Die Story von "Shadow of the Colossus" erscheint, wie auch das Gameplay, auf den ersten Blick einfach, entwickelt sich dann aber zu einem vielschichtigen Abenteuer: Der junge Krieger Wander will die schöne Mono wieder zu Leben erwecken und sucht dazu mit seinem treuen Pferd Agro einen alten Tempel auf. Dort verspricht eine unbekannte Macht, seinen Wunsch zu erfüllen, sollte er 16 mächtige Kolosse besiegen, die im einsam weiten Land verstreut sind. Dabei stehen ihm nur Pfeil und Bogen sowie sein Schwert zur Verfügung, das geheimnisvolle Kräfte besitzt. Auf Rollenspiel-Elemente, wie ein Skill-System oder ein Inventar, verzichtet "Shadow of the Colossus" weitgehend, was das Spiel aber in keinem Fall eindimensional macht.
"Shadow of the Colossus" auf PS4 bleibt dem Original treu
Die Grafik des "Shadow of the Colossus"-Remake ist atemberaubend schön und wirkt aktueller als "The Last Guardian" (2016), ebenfalls von Schöpfer Fumito Ueda. Trotzdem erkennt man in jeder Einstellung das Original von 2005 wieder – feinfühlig wurde die Atmosphäre konserviert, während man die Spielwelt von Grund auf neu nachgebaut hat. So werden Fans der ursprünglichen Version(en) mit Faszination das Remake neu entdecken. Spieler, die "Shadow of the Colossus" bisher verpasst haben, erhalten aber gleichzeitig nicht das Gefühl, hier ein Retro-Game vor sich zu haben.
Gänsehaut: Die Giganten lassen den Atem stocken

Dass Fumito Ueda den riesigen Trico aus "The Last Guardian" als weitergedachten Koloss entworfen hat, liegt nahe. Nun ist zu sehen, wie das Remake vom Nachfolger profitiert hat: Die Details des Fells, Bewegungsabläufe durch völlig neu gestaltete Animationen – die Monster sind mithilfe aktueller Technik von Grund auf neu erschaffen worden. Schreitet ein Hochhaus-großer Koloss auf den Spieler zu oder klammert man sich mit Spielfigur Wander in schwindelerregender Höhe an einem Giganten fest, während dieser mit Gebrüll versucht, den jungen Krieger abzuschütteln, dann ist Gänsehaut fast garantiert. Das beinahe minimalistische Gameplay – den Koloss finden; irgendwie auf den Koloss aufsteigen; den Koloss töten; auf zum nächsten Boss – wird von den imposanten Giganten, dem tollen Soundtrack und der dichten Atmosphäre getragen, was beim "Shadow of the Colossus"-Remake auch im dritten Anlauf völlig fesselnd ist.
Längst mehr als ein Remaster: Beeindruckende Technik

Die Welt von "Shadow of the Colossus" ist atemberaubend: Bereits auf der PS2 war das Spiel technisch visionär. Das Remake bezaubert mit einem außergewöhnlichen Detail-Level, das auch den genaueren Blick in die Ferne erlaubt oder auch wunderschön dargestelltem Wasser. Die Landschaft wirkt voller Leben und die Lichteffekte lassen nicht nur Besitzern eines HDR-fähigen Fernsehers das Herz aufgehen. Noch dazu hat Bluepoint einen Performance-Mode für die PS4 Pro eingebaut, der bei leichten Abstrichen in Sachen Auflösung eine stabile Bildrate von 60 FPS ermöglicht – absolut empfehlenswert. Klar, besonders viele Spielfiguren gibt es in der weitläufigen Welt nicht – was der Performance zuträglich ist – dennoch ist ein Spiel mit einer solch butterweichen Darstellung selbst auf der PS4 Pro nichts alltägliches.
Bonus für Instagram-Fans: Der Foto-Modus

Drückt man im Spiel auf dem Steuerkreuz nach unten, friert das Geschehen ein und der neue Foto-Modus öffnet sich. Dieser ist lediglich im Remake verfügbar und ein imposantes Extra-Feature. Hier lässt sich die Kamera fast beliebig verschieben, Lichteffekte und verschiedene Filter im Instagram-Stil anpassen oder die Schärfentiefe verändern. Klar, das ganze ist im Grunde nicht viel mehr als eine Spielerei – sie unterstreicht aber, zu was die Grafik-Engine von "Shadow of the Colossus" im Stande ist und stellt einen saftigen Bonus für ein sowieso tolles Game dar, vor allem für echte Fans.
Es bleibt kaum ein Wunsch offen

Was also, hätte man besser machen können? Ein Spiel von Grund auf neu erschaffen und dabei alles erhalten, was Liebhabern des Originals am Herzen liegt – klingt nach einer gefährlichen Mission für Bluepoint Games: Ein Müh zu viel Neues und schon sind die Retro-Fans vergrätzt – etwas zu wenig und das Potential der PS4 wird verschenkt. Am ehesten zu spüren ist dieser Konflikt bei der Steuerung: Diese hätte durchaus etwas "mehr Remake" vertragen und ist – treu dem Original und trotz des zusätzlich auswählbaren "Classic-Modes" – noch immer recht störrisch und erzeugt schon mal Frust. Aber die Entwickler haben es dennoch geschafft, den "Sweet-Spot" zu treffen, der das "Shadow of the Colossus"-PS4-Remake zum Beweis dafür macht, dass Neuauflagen durchaus Sinn ergeben können – auch in Zeiten, in denen gefühlt kaum noch Neues auf den Release-Listen landet.