"The Crew 2" ist als Rennspiel ein Reinfall, der vor allem wegen seiner unfairen KI-Gegner mehr nervt und frustriert als unterhält. Zum Glück gibt es aber einen einfachen Weg, um mit dem Open-World-Racer trotzdem eine Menge Spaß zu haben.
- Nimm Dir die Freiheit, Nein zu sagen!
- Land of the Free, Home of the Brave
- Als Transformer-Pilot durch die USA im Kleinformat
- Vom Land ins Wasser in die Luft und wieder zurück
- Take me home, country roads ...
- Ein einziger großer Spielplatz
- Highlight für Renn-Muffel: der Fotomodus
- Rennen fahren in "The Crew 2" macht keinen Spaß – aber alles andere umso mehr
Kurz nach den ersten frustrierenden Begegnungen mit der Gummiband-KI von "The Crew 2" stand für mich fest, dass der Spielfortschritt den Ärger einfach nicht wert ist. Egal, wie viel Zeit ich herausfahre – die Computergegner kleben mir, losgelöst von jedem Realismus, immer am Heck. Ein kleiner Fehler, und selbst Rennen am Anfang der Karriere meines Spielcharakters sind unrettbar verloren. "Ubisoft, ihr könnt mich mal, ich fahr' hier keine Rennen mehr", lautete mein Beschluss schon nach ein paar Stunden Spielzeit. Im Rückblick eine gute Entscheidung, denn so lernte ich die wahren Tugenden des Games schätzen.
Nimm Dir die Freiheit, Nein zu sagen!
"The Crew 2" zwingt niemanden, sich mit Gegnern zu messen. Ich kann auch von Anfang an ganz ungezwungen durch die Spielwelt rasen. Dann entpuppt sich ein durchwachsenes Rennspiel als Spielwiese für Geschwindigkeits-Junkies, als Urlaubs-Simulator für Landschaftsfotografen und als Open-World-Game, das seine Idee von absoluter Freiheit vorbildlich umsetzt. Wer jeden Gedanken an Wettbewerb und Konkurrenz verdrängt und einfach drauflos fährt, kann hier richtig viel Spaß haben.
Land of the Free, Home of the Brave
Das liegt zum einen am Schauplatz: Ubisoft hat hier eine Art Mini-USA gebaut, in der die Weitläufigkeit des nordamerikanischen Kontinents etwas eingekürzt ist, die großen Städte, wichtigen Landmarken und Klimazonen aber beibehalten und (verkleinert) als digitaler Spielplatz realisiert wurden.
Der sieht in den Städten dank schwacher Texturen zugegebenermaßen oft etwas steril und dank fehlender Fußgänger ziemlich tot aus. In der Wildnis aber, in den Bayous der Südstaaten, den Canyons des Mittleren Westens, den sonnigen Buchten von Miami und Los Angeles oder im üppigen Gras- und Bergland an der kanadischen Grenze, kann "The Crew 2" glänzen.
Als Transformer-Pilot durch die USA im Kleinformat
Zum anderen liegt der Reiz in der waghalsigen Design-Entscheidung, die Spieler nicht nur in Rennwagen auf die Piste zu schicken, sondern auch mit Motorrädern, Monster-Trucks, Booten und sogar Flugzeugen – wobei zwischen Land, Luft und Wasser jederzeit auf Knopfdruck gewechselt werden kann. Mit Realismus hat dieses Transformer-Feature natürlich nichts zu tun, aber mit der Realität hat "The Crew 2" als erklärter Arcade-Racer eh nichts am Hut.
Fahrphysik? Nebensache: Meist gilt hier noch nicht einmal Physik im allgemeinen Sinne – so gibt es etwa keinerlei logischen Grund dafür, dass Straßenlaternen bei Kollisionen aus dem Weg fliegen und Holzzäune dagegen unnachgiebig Widerstand leisten. Nachvollziehbare Handlung? Unnötig: Ich bin ein aufstrebender Renn-Star im Extrem-Business und mein Spielfortschritt wird gemessen, indem ich durch das Gewinnen von Rennen und das Stehen waghalsiger Stunts Social-Media-Follower sammle. Mehr muss man nicht wissen.
- Über 250 Fahrzeuge von mehr als 50 Herstellern, darunter Autos, Motorräder, Boote, Flugzeuge und Monstertrucks
- 14 Renn- und Event-Disziplinen, darunter Street Racing, Rallye, Aerobatics, Boot-Slalom, Motorrad-Freestyle und Formel 1
- 1 Season-Pass mit 3 exklusiven Fahrzeugen, 2 exklusiven Outfits, einer exklusiven Heimatbasis und Early-Access-Zugriff auf 22 Post-Launch-Fahrzeuge
- Optionale Mikrotransaktionen: Fahrzeuge können nicht nur mit der Spielwährung, sondern auch mit Echtgeld-Credits gekauft werden
Vom Land ins Wasser in die Luft und wieder zurück
Was also tun, wenn ich mir die frustrierenden Rennen nicht antun will? Ausnutzen, was mir unzählige Roadmovies über Amerika beigebracht haben und zu ausgedehnten Roadtrips aufbrechen! Also stelle ich einen der nach Genre sortierten Radiosender laut und heize von meinem Stützpunkt in Miami aus einfach mal los. Durch die Stadt, die Hügel rauf, von der Klippe runter – und per Druck auf den rechten Analog-Stick wird mein Auto zum Boot, mit dem ich raus aufs Meer düse. Da entdecke ich eine Reihe von Ölbohrplattformen. Ein Tastendruck und mein Boot wird zum Flugzeug, das ich in waghalsigen Kapriolen durch die Kran-Aufbauten auf den künstlichen Inseln fädle. Meine Follower sind natürlich begeistert.
Take me home, country roads ...
Dann steht mir der Sinn nach etwas mehr Natur. Ich rufe die Schnellreise-Karte auf, teleportiere mich in die Sümpfe Louisianas, stelle das Radio auf Country und brettere im Jetboat durch flache Gewässer, in denen Krokodile verschreckt das Weite suchen. Kurze Flugeinlage, dann geht's mit dem Motorrad weiter durch üppige Nadelwälder, mit dem Sportwagen durch den Gegenverkehr auf dem Highway oder von majestätischen Seeadlern begleitet über riesige weiße Salzebenen.
Apropos Microsoft: Die unkomplizierte Flugzeug-Steuerung von "The Crew 2" macht mir wieder einmal deutlich, wie sehr ich mir ein neues Arcade-Flugspiel wie "Crimson Skies" wünsche. Falls hier jemand mitliest – bitte mal drüber nachdenken. Danke.
Ein einziger großer Spielplatz
Meine Ziele und Herausforderungen setze ich mir dabei zum Großteil selbst: Wie lang kann ich wohl meinen Rallye-Buggy mit Höchstgeschwindigkeit durchs Gehölz steuern, bevor ich einen Baum treffe? Wie tief kann die Brücke sein, damit mein Flugzeug noch unten durch passt? Schaffe ich es wohl, mich einem fahrenden Güterzug aus der Luft so langsam zu nähern, dass ich mich in ein Motorrad verwandeln und darauf landen kann? Und ist der Monstertruck-Spielplatz mit seinen Rampen und Loopings wohl auch mit dem Motocross-Motorrad brauchbar? Weil jede irre Aktion auch Follower bringt, komme ich dabei sogar im Spiel voran – ganz ohne Rennen.
Auf PS4 und Xbox One werden laut Ubisoft Mitgliedschaften bei PS Plus und Xbox Live Gold benötigt, um die Online-Funktionen voll auszuschöpfen.
Highlight für Renn-Muffel: der Fotomodus
Zwischendurch ploppen aber auch immer wieder freiwillige Aufgaben auf, die mir "The Crew 2" stellt und bei denen es auch etwas Geld zu gewinnen gibt, das später in neue Fahrzeuge fließt. Meist geht es bei den Herausforderungen um Fotosafaris, bei denen ich den eingebauten Fotomodus für Schnappschüsse von berühmten Bauwerken oder wilden Tieren nutzen soll – was ich bald auch außerhalb der Aufgaben mit Freude tue, weil die Spielwelt einfach so viele wunderschöne Schauwerte hergibt.
Rennen fahren in "The Crew 2" macht keinen Spaß – aber alles andere umso mehr
Mag sein, dass ich mit dem fast völligen Vernachlässigen der zahlreichen Renn-Events und der "Story" an der Vision der Entwickler ein Stückweit vorbeispiele. Mag sein, dass sich das Game auch recht schnell abnutzt, wenn man es als Ausflugs-Simulator (fast) ohne jeden sportlichen Ehrgeiz nutzt.
Ich behaupte aber mal: Wer nie mit einem aufgetunten Kleinflugzeug haarscharf zwischen Hochhäusern hergejagt ist, um im Vorbeifliegen einen Pelikan möglichst episch in Szene zu setzen, hat "The Crew 2" auch nicht richtig gespielt! Und dass ich diesen Satz über ein Rennspiel schreiben kann, spricht eigentlich Bände über seine Qualitäten – so groß seine Makel auch sein mögen.
