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"The Dark Pictures: Man of Medan" Preview: Horrorparty like it's 1999

The Dark Pictures Man of Medan
Dieser untote Geselle hat ganz sicher keine Nassrasur im Sinn. Bild: © YouTube/PlayStation 2019

"The Dark Pictures" von den Machern des PS4-Schockers "Until Dawn" erinnert an die Kult-TV-Serie "Geschichten aus der Gruft". Die Spielereihe will kurze Horrorstorys mit wechselnden Figuren und Handlungen erzählen, in denen nur eines stets sicher ist: Es wird blutig! Als Horrorfan bin ich nach dem Anspielen der ersten Episode "Man of Medan" aber skeptisch – aus zwei Gründen.

2015 kam "Until Dawn" für die PS4 raus. Wer den filmreif inszenierten Slasher gespielt hat, der weiß genau, wie er sich die "Dark Pictures"-Games vorstellen muss: wie spielbare Kinofilme, auf deren Ablauf man nur begrenzt Einfluss hat. Ich habe die erste Episode mit dem Titel "Man of Medan" angezockt und bin nun ein wenig ernüchtert. Das liegt zum einem an der Grundsatzfrage, ob die Design-Philosophie der Entwickler Supermassive Games wirklich der beste Ansatz für eine spielbare Horror-Anthologie ist. Und zum anderen am völlig überraschend vorgestellten Multiplayer-Modus.

Erst Party, dann Panik

In "Man of Medan" geht es um eine Gruppe Teenies, die einen feucht-fröhlichen Segeltörn unternehmen wollen, sich aber schon bald auf einem unheimlichen Geisterschiff wiederfinden. Was hat es mit dem verfluchten Kahn auf sich? Welche Rolle spielt das untergegangene Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg, das die feierwütigen Millennials gefunden haben? Und hat die verdächtig unerfahrene Skipperin Fliss ein paar Leichen im Keller? All das werden wir in den drei bis fünf Stunden herausfinden, die "Men of Medan" dauern soll.

Na, erkannt? Das ist Shawn Ashmore, besser bekannt als Iceman aus den alten "X-Men"-Filmen. fullscreen
Na, erkannt? Das ist Shawn Ashmore, besser bekannt als Iceman aus den alten "X-Men"-Filmen. Bild: © Bandai Namco 2019

Typisch für Supermassive Games ist die ziemlich simple Bedienung: Du erkundest die Umgebung, suchst nach Hinweisen und musst regelmäßig schwerwiegende Entscheidungen treffen, manchmal sogar über Leben und Tod. Und weil das noch nicht genug Stress ist, jagen immer wieder eingestreute Quick Time Events den Puls in die Höhe – hast Du zur falschen Zeit den falschen Knopf gedrückt, kann das im schlimmsten Fall das Ableben einer Figur bedeuten. Hier heißt übrigens tot wirklich tot, Rücksetzpunkte oder zweite Versuche gibt es nicht!

Moment mal – mit Multiplayer-Modus?

Beim Anspieltermin in Hamburg enthüllte Supermassive die große Überraschung: Die Spiele der "Dark Pictures"-Reihe werden über gleich mehrere Mehrspieler-Optionen verfügen. Im "Gemeinsame Story"-Modus spielst Du online mit einem Freund, wobei ihr zwischen allen Charakteren wechselt, sodass ihr die Geschichte immer wieder aus einem anderen Blickwinkel erlebt. Natürlich solltest Du Deinem Mitspieler vertrauen können: Seine Entscheidungen im Spiel betreffen auch Dich – und andersrum.

Dann gibt's noch die Option "Filmabend". Hier spielst Du in einer Gruppe von maximal fünf Mutigen lokal im Koop, wobei ihr den Controller ständig weitergebt.  Das bietet Spannungspotenzial: Wirst Du nur Deinen eigenen Charakter retten oder versucht ihr gemeinsam, alle Figuren am Leben zu halten?

Die Fünf Freunde hatte ich immer ein wenig anders in Erinnerung, aber gut. fullscreen
Die Fünf Freunde hatte ich immer ein wenig anders in Erinnerung, aber gut. Bild: © Bandai Namco 2019

Die Ankündigung, dass "Man of Medan" Multiplayer-Optionen haben wird, sorgte bei den Gästen auf dem Preview-Event nicht gerade für Begeisterung – ich habe in sehr viele skeptische Gesichter geblickt. Nach meiner Anspiel-Session kann ich bestätigen: Die Zweifel sind berechtigt.

Gruselige Gesichtskirmes

Nun denkst Du vielleicht, dass ich es schon aus Prinzip ablehne, ein Horrorspiel mit Anderen zu zocken – immerhin verspüren wir den größten Schauer doch dann, wenn wir ganz alleine sind. Aber sind wir mal ehrlich: Schon "Until Dawn" war ja nicht wirklich gruselig, sondern setzte eher auf fies-einfallsreiche Todesszenen und einen gewissen Trash-Charme, garniert mit gelegentlichen Jumpscares. Großartig anders ist "Man of Medan" auch nicht. Sowas kann man wirklich zusammen mit seinem Kumpel, Nachbarn oder Lebensabschnittsgefährten zocken, da bin ich zur Abwechslung mal nicht so pingelig.

Aber: Dann muss so ein Mehrspieler-Modus auch wirklich sitzen. Und hier sehe ich ein grundlegendes Problem von "Man of Medan". Denn was bei anderen Games schon nervt, ist für die cineastisch inszenierte Geistergeschichte ein absoluter Atmosphäre-Killer: Auf meinen Mitspieler warten zu müssen, bis er den richtigen Knopf gedrückt hat. Das bremst nicht nur jede Dynamik einer Szene aus, es sorgt auch für unfreiwillige Komik.

Nein, die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt, diese Dame denkt nur sehr angestrengt nach. fullscreen
Nein, die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt, diese Dame denkt nur sehr angestrengt nach. Bild: © Bandai Namco 2019

In solchen Momenten zeigt mir die Kamera nämlich eine Nahaufnahme meines aktuellen Charakters. Der rollt mit den Augen, schürzt die Lippen, zuckt mit den Schultern oder wackelt mit dem Kopf, das ganze Gesicht ist in Bewegung – das soll die Figuren natürlich lebensechter und "menschlich" machen, unterstreicht durch die überbetonte XXL-Mimik aber nur die Künstlichkeit der Szene. Erinnerte mich beim Spielen ein bisschen an die Gesichts-Akrobatik der Charaktere im Detektivspiel "L.A. Noire" von 2011. Schon damals hat dieses Feature für sanften Spott gesorgt.

Spielbare Horrorfilme wie aus dem letzten Jahrtausend

Grund Nummer zwei, warum ich von "Man of Medan" nur so mittel-begeistert bin: Die Design-Philosophie von Supermassive Games steht der eigentlich so reizvollen Idee einer spielbaren Horror-Anthologie im Weg. Wie schon im PS4-exklusiven "Until Dawn" steht in der ersten Episode von "The Dark Pictures" eine Gruppe von attraktiven Teenies im Mittelpunkt, die sich mit den sprichwörtlichen, in diesem Fall sogar buchstäblichen Geistern der Vergangenheit herumschlagen müssen.

Das klingt ein bisschen nach "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast". Nur kam dieser Teenie-Slasher im letzten Jahrtausend in die Kinos – 1997, um genau zu sein. Mittlerweile gibt es wirklich originelleren und aufregenderen Horror, der frische, unverbrauchte Geschichten erzählt.

Auch supersimple "Geschicklichkeitstests" sind wieder mit dabei. fullscreen
Auch supersimple "Geschicklichkeitstests" sind wieder mit dabei. Bild: © Bandai Namco 2019

Dazu kommt dieser immer eine Spur zu steife Pseudo-Realismus, der wenig inszenatorische Spitzen zulässt. Klar, auch "Man of Medan" wird ein paar unvorhergesehene Twists und Schocks haben. Aber das Prickelnde einer Anthologie ist doch, dass sie zwischen völlig unterschiedlichen Stilen, Inhalten und Herangehensweisen wechseln kann.

Hier hat sich Supermassive Games bislang wenig experimentierfreudig gezeigt. Gruselig soll es sein, aber nicht ZU gruselig. Realistisch, aber nicht ZU realistisch. Abgedreht, aber nicht ZU abgedreht. "Man of Medan" fühlt sich an wie der spielgewordene Kompromiss.

Die Ourang Medan
Vorlage für "Man of Medan" ist das real existierende holländische Dampfschiff Ourang Medan, dessen Besatzung 1947 aus nicht zweifelsfrei geklärter Ursache starb.

Es ist Horror! Aber in der Light-Variante

Wir brauchen wirklich nicht noch mehr Spiele, die unsere Nostalgie für die 80er und frühen 90er bedienen, davon ist der Markt gerade überschwemmt. Aber in diesem speziellen Fall lohnt es sich doch, mal einen Blick aufs große TV-Vorbild "Geschichten aus der Gruft" von 1989 zu werfen. Hier wusste man als Zuschauer wirklich nie so ganz, was einen in der aktuellen Folge erwartete. Mal war es wohliger Schauer, dann haarsträubender Splatter, mal ein moralisches Lehrstück in Form einer Horrorgeschichte, dann wieder ein herrlich stumpfes Gemetzel ohne tiefere Aussage. Die Serie war unberechenbar.

Anders als diese Szene: Ein paar Minuten nach Spielstart wird sicher keiner der Hauptcharaktere ins Gras beißen. fullscreen
Anders als diese Szene: Ein paar Minuten nach Spielstart wird sicher keiner der Hauptcharaktere ins Gras beißen. Bild: © Bandai Namco 2019

Ich wünsche mir für alle weiteren Episoden von "The Dark Pictures" mehr Mut zum Risiko, zum künstlerischen Wagnis. Und ja: Auch ruhig mal mehr Sex und Gewalt! Natürlich immer im Rahmen des Zulässigen – aber wenn es ein Genre gibt, das geradezu die Pflicht hat über die Stränge zu schlagen und Sittenwächter zu empören, dann ist es ja wohl Horror.

Also, Supermassive Games: Traut euch endlich mal was!

Release
"The Dark Pictures: Man of Medan" erscheint am 30. August für PC, PS4 und Xbox One.
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