"The Purge", "The Purge: Anarchy", "The Purge: Election Year" und nun also "The First Purge". Schöpfer James DeMonaco und seine Zuschauer können scheinbar nicht genug bekommen von dieser einen Nacht im Jahr, in der alles erlaubt ist – inklusive (und ganz besonders) Mord. Wie gut sich der neueste Streich der Reihe schlägt, liest Du in unserer Filmkritik.
Wie alles begann: Die Story
Die "New Founding Fathers of America" (NFFA) haben die Macht in den USA übernommen und die etablierten Parteien überraschend besiegt. Die neue Regierung hat dem Volk versprochen, eine Ära des Wohlstands und der Sicherheit einzuläuten. Um dies zu erreichen, gehen sie einen unkonventionellen Weg. Auf Staten Island soll ein bisher nie da gewesenes Experiment durchgeführt werden: 12 Stunden lang werden alle Gesetze aufgehoben.
Doch der Versuch läuft nicht ganz so, wie die neuen Machthaber sich das erhofft hatten. Statt reinigender Gewalt gibt es an jeder Straßenecke eine Party. Die NFFA beschließen, der "Purge" ein wenig nachzuhelfen und heuern Söldner an, um die Situation eskalieren zu lassen ...
Wer ist der Nächste?
"The First Purge" macht richtig Laune. Auch beim mittlerweile vierten Teil des Franchise hat die spannende Mischung aus Thriller, Horror und Gesellschaftsdrama nichts von ihrem Reiz verloren. Dass der Zuschauer nun Zeuge der allerersten "Purge" überhaupt wird, verstärkt die albtraumhafte Sogwirkung dieses Gedankenspiels über die Bösartigkeit des menschlichen Wesens sogar noch.
Die bedrohliche Atmosphäre in dem geschlossenen Areal auf Staten Island und die Fassungslosigkeit der handelnden Figuren wurden gut eingefangen und übertragen sich eins zu eins auf den Zuschauer. Natürlich weißt Du im Grunde, was passieren wird. Aber entscheidend ist hier nicht das "Was", sondern das "Wie", "Wo" und vor allem "Wer". Und das hat es in sich: Man ist sich nie richtig sicher, wem als Nächstes die Sicherungen durchbrennen.

Die Politik hinter der "Purge"
In allen "Purge"-Filmen ging es – im dritten Teil deutlicher als in den beiden ersten – auch immer um Politik. Klar, denn diese 12 Stunden des Jahres sind nichts anderes als staatlich verordnete Anarchie. In "The First Purge" verknüpft Drehbuchautor James DeMonaco die offensichtlichen moralischen Aspekte aber mehr denn je mit politischen Fragestellungen.
Das tut der Unterhaltung keinen Abbruch, im Gegenteil: Er nutzt die übermächtigen "New Founding Fathers of America" und ihre skrupellosen Söldnertrupps geschickt, um ein Feindbild aufzubauen, mit dem wohl so ziemlich jeder vernünftig denkende Mensch einverstanden ist. Nicht von ungefähr erinnern die Outfits der bezahlten Killer mal stark an Ku-Klux-Klan, mal eindeutig an Nazi-Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg.
Eine Szene erinnert explizit an die Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King durch vier US-Polizisten, die 1992 gewalttätige Unruhen in Los Angeles auslöste. Wenn diese menschenverachtenden Schurken ordentlich auf die Mütze kriegen, macht das Zuschauen natürlich besonders Spaß. Aber dass die "Purge"-Nacht ursprünglich rassistische Beweggründe hatte, verpasst dem Film einen gesellschaftskritischen Anstrich, der in den Vorgängern so nicht in Erscheinung getreten war.
Verzeihbare Schwächen, starkes Gesamtbild
Trotz aller Politik bleibt "The First Purge" selbstverständlich in erster Linie Unterhaltung – mit all ihren Stärken und Schwächen. Auch wenn einige der Hauptfiguren durchaus Wandlungsfähigkeit beweisen, wird geradezu verschwenderisch mit Klischees umgegangen. Das Ende ist etwas arg kitschig geraten.
Mit 97 Minuten Länge ist "The First Purge" zwar erfrischend kurzatmig, schlägt aber dennoch ein bis zwei Haken in der Story, die man sich auch hätte sparen können, ohne dem Film wehzutun. Das Produktionsdesign ist hervorragend und tut der Atmosphäre in jeder Hinsicht gut. Insbesondere die leuchtenden Kamerakontaktlinsen der "Purge"-Teilnehmer sind ein nettes Gimmick, das nicht nur schick aussieht, sondern auch clever für die Spannungserzeugung genutzt wird und sich perfekt in das starke Gesamtbild einfügt.
"The First Purge": Fazit
"The First Purge" macht vieles richtig und nur wenig falsch. Der Film spielt geschickt mit der eigenen Unberechenbarkeit und ist größtenteils wirklich spannend. Der gesellschaftskritische Aspekt des Franchise-Konzepts ist deutlicher denn je und überrascht mit politischen Aussagen – auch wenn diese nur an der Oberfläche kratzen und niemals die Oberhand über die Entertainment-Mission gewinnen. Starker Auftritt!