Filmkritik

"The Midnight Sky"-Kritik: Neue Sternstunde mit George Clooney?

The Midnight Sky Netflix
Frostige Angelegenheit: Augustine (George Clooney) und Iris (Caoilinn Springall) müssen einen beschwerlichen Weg durchs Eis auf sich nehmen. Bild: © Netflix 2020

George Clooney meldet sich mit "The Midnight Sky" in einer Doppelfunktion zurück: Er spielt in dem Sci-Fi-Drama auf Netflix nicht nur die Hauptrolle, sondern zeichnet auch für die Regie verantwortlich. Ob der Film ein heißer Oscarkandidat ist oder besser irgendwo im Orbit verloren gehen sollte, verrät Dir unsere Kritik.

Darum geht's in "The Midnight Sky"

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"Hallo, kann uns jemand hören?" Bild: © Philippe Antonello/NETFLIX 2020

Nördlicher Polarkreis, 2049: Die Erde, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Die meisten Gebiete sind unbewohnbar und die Menschen haben den Planeten verlassen. Im All gibt es inzwischen zahlreiche bewohnbare Alternativen. Doch Wissenschaftler Augustine (Clooney) hat sich dazu entschlossen, auf der Erde in seiner Forschungsstation zu bleiben. Er ist schwer krank und hat ohnehin nicht mehr lange zu leben.

Dann entdeckt Augustine allerdings ein bei ihm auf der Erde zurückgebliebenes Kind, das er zu dessen Eltern bringen will. Gar nicht so einfach, wenn jeder Versuch der Kontaktaufnahme ins All scheitert. Es hilft nichts: Er muss mit der wortkargen Iris den beschwerlichen Weg durchs Eis zu einer anderen Station bestreiten – in der Hoffnung, dort besseren Empfang zu haben.

Parallel wird die Geschichte der Besatzung des Raumschiffs Aether erzählt. Die Crew-Mitglieder waren zwei Jahre im All unterwegs, um weitere bewohnbare Planeten zu finden. Nun sind sie auf dem Rückweg und freuen sich, bald ihre Heimat zu erreichen.

Per Funkgerät treten die Augustine und die Crew endlich in Kontakt. Dabei muss der Wissenschaftler den Heimkehrern klarmachen, dass sie nicht zurückkehren können. Alle haben die Erde verlassen, auf sie wartet nichts und niemand mehr ...

Was will der Film sein?

Mit "The Midnight Sky" erzählt George Clooney eigentlich zwei Geschichten in einer. Während mich die Geschichte rund um Augustine an das Survival-Drama "Arctic" mit Mads Mikkelsen oder gar "Der Marsianer" mit Matt Damon erinnert, wirkt der zweite Teil wie "Interstellar" oder "Gravity". Egal, welche Geschichte gerade erzählt wird, eins haben beide gemeinsam: die unaufgeregte Erzählweise. Es gibt so gut wie keine Action, stattdessen stehen die Dialoge im Fokus.

Ich liebe diese Art von Filmen, doch deren Geschichte muss fesseln. Und das hat "The Midnight Sky" bei mir nicht geschafft. Während ich die oben genannten Filme packend und mitreißend finde – selbst "Interstellar" mit seinen fast drei Stunden Laufzeit – ist George Clooneys Film zeitweise wirklich zäh. Es wird nie so recht klar, auf was "The Midnight Sky" eigentlich hinaus will.

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Hält sich mit Singen bei Laune: Sanchez (Demián Bichir). Bild: © Netflix 2020
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Auf ihrem ersten großen Abenteuer im Weltall: Maya (Tiffany Boone). Bild: © Netflix 2020
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Will gerne zu seiner Familie zurück: Mitchell (Kyle Chandler). Bild: © Philippe Antonello/NETFLIX 2020
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Sully (Felicity Jones) und Adewole (David Oyelowo) erwarten ein Kind – im All! Bild: © Philippe Antonello/NETFLIX 2020
The Midnight Sky Bichir
The Midnight Sky Tiffany Boone
The Midnight Sky Kyle Chandler
The Midnight Sky Felicity Jones David Oyelowo
Gewusst?
"The Midnight Sky" basiert auf dem Roman "Good Morning, Midnight" von Lily Brooks-Dalton.

Sobald die Storyline mit Augustine und Iris langsam interessant wird, gibt es einen Wechsel zur Crew der Aether. Wird es dort mal etwas interessanter, geht's zurück zu Augustine. Ich hätte rückblickend lieber einfach Augustine und Iris dabei zugesehen, wie sie das Beste aus ihrer Zeit auf der Erde machen.

Und auch der große Knall am Ende bleibt aus. Man kann nicht einmal sagen, dass der Film die Moralkeule schwingt und uns Menschen mahnend den Spiegel vorhält. Ja, die Erde ist nicht mehr bewohnbar und ja, offenbar ist daran der Mensch schuld. Aber ob es die Folgen unserer heutigen Lebensweise sind, die den Planeten zerstörten, oder was genau die Erde unbewohnbar macht, bleibt offen.

Was will der Film sein: Eine Mahnung, sich mehr dem Umweltschutz zu widmen? Eine düstere Vorstellung dessen, wie das Leben in 30 Jahren aussehen könnte? Ein Familiendrama? Irgendwie ist "The Midnight Sky" alles davon – und zugleich nichts.

Visuell ganz vorne mit dabei

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Faszinierend: Die Aether im All. Bild: © NETFLIX 2020
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Die Welt von oben, gezeichnet von der Zerstörung durch den Menschen. Bild: © Philippe Antonello/NETFLIX 2020
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Ganz schön einsam in der Forschungsstation. Bild: © Philippe Antonello/NETFLIX 2020
The Midnight Sky The Aether
The Midnight Sky Kyle Chandler
The Midnight Sky George Clooney

Immerhin: Visuell ist "The Midnight Sky" wirklich toll. Meistens zumindest. Vor allem die Außenaufnahmen der Aether sind spektakulär. George Clooney hat sich bei der Gestaltung mit Sicherheit von seinen Erfahrungen während des "Gravity"-Drehs inspirieren lassen. Das Raumschiff vermittelt eine Kälte und Sterilität, die im direkten Kontrast zur Erde steht, obwohl dort eisige Temperaturen herrschen.

Dann gibt es allerdings hier und da Aufnahmen, bei denen unverkennbar ist, dass die Schauspieler vor einem Green- oder Bluescreen stehen. Der Film bekommt plötzlich eine Künstlichkeit, die vorher nicht da war – wie zum Beispiel in der Einstellung, in der Augustine und Iris die zweite Forschungsstation von einer Anhöhe aus beobachten.

Eine Szene bleibt jedoch nachhaltig im Gedächtnis, da sie dramaturgisch und visuell unglaublich gut ist. Ich will an dieser Stelle nichts verraten, wenn Du die Szene siehst, weißt Du, welche ich meine. Stichwort: Reparaturausflug. Sie beginnt harmlos, wird aber von Sekunde zu Sekunde dramatischer. Als Zuschauer bleibt einem nichts weiter übrig, als fassungslos dabei zuzusehen.

Weniger ist mehr

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Augustine und Iris müssen sich allen Widrigkeiten zum Trotz durchs Eis schlagen. Bild: © Netflix 2020

Wo die Story ein wenig hinkt, punkten vor allem George Clooney und Iris-Darstellerin Caoilinn Springall. Es ist die erste Filmrolle des kleinen Mädchens – und es dürfte nach ihrer Leistung in "The Midnight Sky" mit Sicherheit nicht ihre letzte sein. Sie sagt kaum ein Wort, weshalb es vor allem auf ihre Mimik und Körpersprache ankommt. Dieses Mysterium, das ihren Charakter umgibt, hat sie auf den Punkt verkörpert.

Dass George Clooney schauspielern kann, wissen wir. Er hätte die Szenen in der Forschungsstation auch problemlos alleine tragen können. Doch gerade das Zusammenspiel von Clooney und Springall kann sich wirklich sehen lassen.

Fazit: Der Griff nach den Sternen ging daneben

"The Midnight Sky" ist kein schlechter Film, aber eben auch keiner, der einen vom Hocker reißt. Auch wenn diese Art von ruhigen Science-Fiction-Filmen seit einiger Zeit in Mode ist, ist man mit "Der Marsianer", "Interstellar" oder auch "Ad Astra" besser bedient.

Visuell ist der Film von George Clooney wirklich stark und auch die Schauspieler sind toll, doch das reicht leider nicht für einen guten Film. Über die maue Story kann beides nicht hinwegtrösten. "The Midnight Sky" zu gucken, ist zwar keine Zeitverschwendung, man kann die zwei Stunden aber durchaus besser nutzen. Zumindest der kleine Twist am Ende hat mich überrascht und für die zwei Stunden Laufzeit entschädigt.

Dennoch steht fest: Nach dem Film bleiben keine großen Gedanken über unser Dasein, das Leben im All oder unseren Umgang mit unserem Heimatplaneten – im Gegenteil. Aus den Augen, aus dem Sinn!

TURN ON-Score: 2,5/5

Sendehinweis
"The Midnight Sky" von und mit George Clooney startet am 23. Dezember 2020 auf Netflix.
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