Übers Wochenende wurde ein neuer Trailer zur Neuverfilmung von Stephen Kings apokalyptischem Endzeitroman "The Stand – Das letzte Gefecht" veröffentlicht. Mir als Hardcore-Fan sind da so ein paar Sachen aufgefallen.
- Nick Andros verliert sein Auge
- Wölfe und Krähen
- Harold Lauder ist nicht dick?
- Randall Flagg soll sympathisch sein
- Die Bösen sind KEIN irrer Sexkult!
Am 17. Dezember startet "The Stand" auf CBS All Access. Bei uns wird die Horrorserie nach Stephen Kings XXL-Roman voraussichtlich bei Netflix oder Amazon Prime laufen, aber bislang hat sich keiner der beiden Streaming-Anbieter die Rechte für die deutsche Ausstrahlung gesichert. Schauen wir mal.
Ein brandneuer Trailer gewährt uns nun einen rund zweiminütigen Ausblick auf die Pandemie-Serie. Teilweise sehen wir zum ersten Mal ein paar Figuren in ihrer "neuen" 2020er-Version, etwa Heather Graham alias Rita Blakemoor oder Marilyn Manson als durchgeknallter Mülleimermann. Das ist schön, aber mir sind da ein paar andere Dinge aufgefallen. Über die will ich mal kurz sprechen.
Dazu gehören übrigens nicht die zahlreichen Änderungen gegenüber dem Original, was das Geschlecht oder die Hautfarbe einiger Protagonisten angeht. Die sind nämlich schon länger bekannt. Der "weiße Junge" Larry Underwood ist diesmal dunkelhäutig, aus dem herzensguten Farmer Ralph Brentner wurde eine Frau.
Vielleicht waren das gute Entscheidungen, die den Figuren noch mehr Komplexität und Tiefe verleihen, vielleicht wurden hier wesentliche Charaktermerkmale wichtiger Protagonisten der vorherrschenden Wokeness-Kultur geopfert, vielleicht spielt es auch keine große Rolle. Es ist zu früh, jetzt rumzukrakeelen.

Mir sind dafür ein paar andere Details aufgefallen, in denen sich die neue Serienversion von ihrer Buchvorlage unterscheidet. Und auch von der von mir ja sehr gemochten Mini-Serie von 1994. Die hat nämlich ganz entscheidend mitgeprägt, wie wir uns an "The Stand" erinnern und dürfte mittlerweile zum popkulturellen Kanon gehören. Kann mir keiner erzählen, dass er bei dem Intro nicht immer noch Gänsehaut bekommt.
Nick Andros verliert sein Auge
Ja, okay, ist jetzt nicht so die Sensation, wenn man nur das Buch gelesen hat. Nick Andros, der gehörlose Herumtreiber, verliert in einer fiesen Auseinandersetzung sein Auge und rennt fortan mit einer stylishen Augenklappe herum, was ihn für die Damenwelt garantiert direkt 70 Prozent sexier macht.
Aber genau die fehlte in der 1994er-Version von King-Spezi Mick Garris. Da wurde Andros vom damals schwer angesagten Schönling Rob Lowe (u.a. "Parks and Recreation") gespielt und ich vermute, man wollte einen attraktiven Darsteller einfach nicht derart "verunstalten". Machte jetzt keinen großen Unterschied, aber war irgendwie schon ein bisschen komisch, wenn man die Romanvorlage kannte. Im Jahr 2020 wird Nick Andros von Henry Zaga ("The New Mutants") gespielt und siehe da, da isse, die Augenklappe. Das gibt ein Sternchen ins "Na geht doch"-Buch!

Wölfe und Krähen
Randall Flagg, der Schwarze Mann und ultimativer Gegenspieler in "The Stand" (und vielen anderen Geschichten von Stephen King), ist nicht von dieser Welt. Und herrscht über viele Tiere wie Ratten, Krähen und Wölfe, die er nach Belieben kontrolliert.
Im Trailer sehen wir einen verstörten Harold Lauder (gespielt von Owen Teague, und keine Angst, von dem wird gleich noch die Rede sein), der einen weißen Wolf anstarrt. Es ist eindeutig eine Traumsequenz, aber damit dürfte es feststehen: Das Motiv des Wolfes fehlt in der 2020er-Version nicht – anders als in der TV-Fassung von 1994. In der kamen nämlich jede Menge Krähen vor, aber eben kein Wolf. Oder nur so kurz, dass ich mich nicht dran erinnern kann. War wahrscheinlich einfach zu aufwendig und/oder kostspielig, dressierte Wölfe zu buchen. Da wir aber spätestens seit "Game of Thrones" wissen, wie gut (Schatten-)Wölfe beim Publikum ankommen, rechne ich mit einigen "bissigen" Szenen.

Harold Lauder ist nicht dick?
Okay, vielleicht hat der Trailer die entsprechenden Szenen nur nicht gezeigt, aber es sieht so aus, als sei Harold Lauder (siehe oben) in der neuen Version nicht dick. Da erscheint er nämlich in jeder Einstellung rank und schlank und eigentlich viel zu gut aussehend (Owen Teague hat immerhin Patrick Hockstetter in den neuen "Es"-Filmen gespielt).
Im Buch ist Harold aber ein schüchternes, sozial ungelenkes Moppelchen, das unrettbar in die schwangere Studentin Fran Goldsmith verliebt ist. Er spielt für den Verlauf der Geschichte eine entscheidende Rolle und seine Handlungen sind ein unmittelbares Resultat seines Außenseitertums – und das wiederum ist in seiner (zumindest anfänglichen) Dickleibigkeit begründet.
Harold fühlt sich einfach nicht wohl in seinem Körper und leidet unter schlimmen Minderwertigkeitskomplexen. Klar, ich versteh's ja: Fat-Shaming und so. Geht heutzutage einfach nicht mehr. Und wenn wir mal ehrlich sind, ist es ja auch wirklich ein bisschen plump holzhammerartig zu sagen: Der Freak ist der Dicke und der Dicke ist ein Freak.
Aber trotzdem scheint es mir doch ebenso weltfremd und unehrlich, die Rolle des unattraktiven Nerds mit einem Typen zu besetzen, der nebenher als Model arbeiten könnte. Ist auch nicht besser als das saudumme Klischee, einer wunderschönen Frau einfach eine große Brille aufzusetzen und ihre Haare zu verwuscheln, um sie "hässlich" zu machen. Sowas hatten wir doch eigentlich schon hinter uns – aber offenbar nicht, wenn es um Männer geht. Irgendwie panne.

Randall Flagg soll sympathisch sein
Alexander Skarsgård spielt Randall Flagg, den oben bereits erwähnten Mann in Schwarz. Der ist böse, sehr böse sogar; der Gegenspieler zur gottesfürchtigen Mutter Abagail (Whoopi Goldberg), die alle guten und aufrechten Menschen um sich schart. Flagg ist ein moderner Teufel.
Aber, und das mag meine ganz persönliche Lesart sein, ihm verfallen so viele moralisch schwachen und leicht verführbaren Leute, weil er zwar verkommen, dabei eben aber auch unverschämt charmant ist. Beziehungsweise: Sein kann, wenn er denn will. Flagg ist ein charismatisches Schlitzohr, reißt Witze, zitiert die Rolling Stones. Er wirkt wie ein dufter Typ, mit dem man gerne ein Bier trinken gehen würde – und genau das macht ihn so gefährlich.
In Alexander Skarsgårds Performance sehe ich (noch?) nichts von diesem Charisma. Stattdessen: starrer Blick, kalte Augen, keine Gefühlsregung. Der wirkt so flach TV-Bösewicht-mäßig böse, dass ich hier eine schwerwiegende Fehlinterpretation dieser faszinierenden Figur befürchte.

Jamey Sheridan aus der 1994-Version wirkt aus heutiger Sicht vielleicht etwas aus der Zeit gefallen mit seinem krassen Vokuhila, aber er verlieh "seinem" Randall Flagg genau diese unwiderstehliche Kumpelhaftigkeit, diese unprätentiöse "Ich bin einer wie Du"-Fassade, dass er für mich als die definitive Interpretation von Stephen Kings bekanntestem Bösewicht gilt. Und ich glaube, das geht nicht nur mir so.
Die Bösen sind KEIN irrer Sexkult!
Apropos Randall Flagg und seine fiese Gefolgschaft: Was zur Hölle sehen wir da im "The Stand"-Trailer? In Las Vegas, Flaggs Heimatbasis, herrscht offenbar ein postapokalyptischer Sexkult, der fortwährend wüste Orgien feiert. Ein Sammelbecken für alle durchgeknallten Psychos, die rund um die Uhr druff sind und schon immer mal "Mad Max" nachspielen wollten. Und das ist absolut zu 100 Prozent NICHT das, was in Stephen Kings Roman steht.

Die Bösen in "The Stand" sind nicht irre. Sondern, und das macht das alles so tragisch und traurig, ganz normale Menschen. Die verwirrt und verängstigt sind und die sich deswegen nach Struktur und Dominanz sehnen, nach Autorität und Führung, nach jemandem, der ihnen sagt, wo es langgeht. Sie sind nicht per se "böse". Sondern anfällig für die Einflüsterungen eines falschen Predigers, der ihnen eine bessere, stärkere Welt verspricht, in der endlich wieder Recht und Ordnung herrschen.
Diese Leute machen nicht als Erstes wieder die Striplokale auf. Sondern die Polizeiwachen, die Ämter, die Gefängnisse. Das sind keine Wahnsinnigen. Sondern die Rationalen, Vernünftigen, Klaren, Fleißigen. Zumindest glauben sie das, glauben das aus tiefster Überzeugung. Darin liegt die Tragik von "The Stand". Und nicht in einer Gruppe hysterischer Sex- und Drogenfreaks, die die Anarchie schon hinter sich gelassen haben und mittlerweile im Chaos gelandet sind.
Vielleicht ist es ja in der Serie ganz anders, als der Trailer es andeutet. Dann dürft ihr mich alle für diesen Artikel auslachen. Aber ich für meinen Teil habe nach dem Trailer noch mehr Bock bekommen und gleichzeitig steigt meine Nervosität – und zwar nicht im guten Sinne.

Aber egal, wie das neue "The Stand" wird: Die alte Fassung von 1994 wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Wenn sich da gewisse Figuren Lebewohl sagen, ohne zu wissen, dass es zum letzten Mal sein wird, und DANN setzt dieser Song ein ... das wringt mein Herz jedes Mal aus wie ein feuchtes Handtuch.
Ich glaube nicht, dass die neue Serie das auch schaffen wird.