"The Umbrella Academy" ist nicht die erste Superhelden-Serie auf Netflix – und wird ganz sicher auch nicht die letzte sein. Eigentlich ist die Bezeichnung "Superhelden"-Serie für die neue Show trotz der zunächst "X-Men"-ähnlichen Prämisse aber gar nicht zutreffend. Überhaupt steckt "The Umbrella Academy" voller Überraschungen ... – ob im positiven oder negativen Sinne, das erfährst Du im Folgenden.
Als Vorlage für die neue Netflix-Serie "The Umbrella Academy" diente die gleichnamige Graphic Novel von "My Chemical Romance"-Sänger Gerard Way und Illustrator Gabriel Bá. Die Reihe, die bei Dark Horse Comics erschien, gilt längst als echter Hit unter Comiclesern und wurde schon mit mehreren Eisner Awards ausgezeichnet. Umso gespannter war ich auf die Serien-Adaption des Stoffs. Nach der Sichtung der ersten vier Folgen kann ich nun bereits sagen: Diese Show kann sich sehen lassen – und wie!
Die Story: Ex-Superhelden auf Abwegen
Betrachtet man die Hintergrundgeschichte zu "The Umbrella Academy", drängt sich der Vergleich mit Marvels "X-Men"-Geschichten unweigerlich auf.
Im Jahr 1989 werden zeitgleich 43 Babys von Frauen zur Welt gebracht, die vor diesem Tag nicht einmal schwanger waren. Diese Kinder weisen schnell die unterschiedlichsten außergewöhnlichen Kräfte auf. Der wohlhabende Reginald Hargreeves nimmt deshalb kurzerhand sieben dieser "Wunderkinder" auf, gibt ihnen Aliasse in Form von Nummern und bildet sie auf seinem Anwesen zu Helden aus, die die Welt retten sollen. So weit, so bekannt.

Trotzdem liegen zwischen dem Plot der neuen Netflix-Serie und den üblichen Superhelden-Abenteuern Welten. Der Grund: Ziehvater Hargreeves ist alles andere als ein gutmütiger Professor X – besonders gegenüber der "unbegabten" Number Seven. Und so haben die Protagonisten ihre unfreiwilligen Heldenzeiten längst hinter sich gelassen. Als ihr "Dad" jedoch unter mysteriösen Umständen stirbt, sieht sich die Gruppe gezwungen, nach jahrelanger Funkstille wieder zusammen zu kommen ...
Somit zeigt die Serie keine Superhelden im eigentlichen Sinne. Stattdessen konzentriert sich die Show ganz auf die zerrütteten Beziehungen innerhalb der dysfunktionalen "Familie" sowie die Probleme, Unsicherheiten und Traumata, mit denen jedes einzelne Mitglied zu kämpfen hat. Aber die Welt muss nebenbei natürlich auch gerettet werden.
Schräger geht immer
Was jedoch wirklich überrascht – und zwar im positivsten Sinne – ist das hohe Erzähltempo und der herrlich skurrile Ton der Serie.
Schon in der ersten Folge wird der Zuschauer geradezu in das Chaos der "Umbrella Academy" hineingestürzt. Während man noch versucht, angesichts der zahlreichen Charaktere durchzublicken, nimmt die Handlung rasch an Fahrt auf. Dabei werden Informationen nur häppchenweise preisgegeben und grundsätzlich immer mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet werden. Was natürlich unweigerlich dazu führt, dass man direkt die nächste Folge sehen will, nein, MUSS.
Showrunner Jeremy Slater ("Death Note") weiß allerdings nicht nur Spannung aufzubauen. Er schafft es auch immer wieder, die Atmosphäre mit schrägen Elementen aufzulockern. Da trägt ein Killer-Duo schon einmal ohne ersichtlichen Grund gigantische Comic-Tierkopf-Masken. Oder der Schimpansen-Butler erteilt weise Ratschläge, bevor das Haus plötzlich im Querschnitt erscheint und der gesamte Cast eine Lipsync-Performance zu "I Think We're Alone Now" hinlegt. Apropos: Der Hit- und Ohrwurm-lastige Soundtrack zur Serie spielt generell fast schon eine Rolle für sich.
Darsteller sind die wahren Helden
Der größte Trumpf im Ärmel von "The Umbrella Academy" sind jedoch die vielschichtigen Charaktere, gespielt von einer erstklassigen Besetzung.
Unverkennbar wäre da zunächst einmal Hollywoodstar Ellen Page ("Inception") als Vanya alias Number Seven. Letztere musste sich von ihrem Ziehvater immer wieder anhören, sie sei "nichts Besonderes", "nur gewöhnlich", da sie im Gegensatz zu ihren "Geschwistern" keine Kräfte hat. Jahre später spielt sie in ihrem neuen Leben noch immer nicht die erste Geige – im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei mimt Page die Rolle der schüchternen, einsamen Außenseiterin so authentisch, dass man sie mehr als einmal einfach nur in den Arm nehmen möchte.
Im krassen Gegensatz zu Pages Rolle steht der Part von Jungdarsteller Aidan Gallagher. Dieser steckt als Number Five zwar im Körper eines 13-Jährigen, ist eigentlich aber ein altkluger 58-Jähriger – eine anspruchsvolle Rolle, in der Gallagher dennoch immer wieder glänzen kann.
Auch der Rest des Casts macht seine Sache mehr als gut. Tom Hopper, den viele noch als Dickon Tarly aus "Game of Thrones" kennen, gibt den (meist) sanftmütigen Riesen Luther. "Misfits"-Star Robert Sheehan spielt den charmanten, aber drogensüchtigen Freak Klaus. Emmy Raver-Lampman verkörpert die ebenso schöne wie berühmte Allison. Und David Castaneda schließt die Runde der noch lebenden "Academy"-Mitglieder als Selbstjustizler Diego ab.
Alles in allem ist somit sowohl Charakter-Riege als auch Besetzung eine absolut runde Sache.
Fazit: Was will man mehr?
Eine Staffel 2 vielleicht. Denn das Einzige, was mich an "The Umbrella Academy" wirklich stört, ist, dass Netflix uns zum Serienstart gerade einmal zehn einstündige Folgen gönnt. Geduld ist schließlich nicht unbedingt meine Stärke. Dass die x-te TV-Adaption eines Comics so unkonventionell und mitreißend ausfallen würde, damit habe ich auf jeden Fall nicht gerechnet.