Nach langem Warten ist es endlich so weit: "The Walking Dead" kehrt mit der Midseason-Premiere von Staffel 8 zurück und soll endlich den großen Cliffhanger aus Episode 8 auflösen. Ob das den Machern so emotional gelungen ist, wie es uns die ganze Zeit versprochen wurde, liest Du in unserem Review.
Der große Abschied
Es war seit Monaten angekündigt. Ein Großteil aller Meldungen zu Staffel 8B drehte sich in den letzten Wochen nur darum, wie der Tod von Carl Grimes in Episode 9 umgesetzt werden und was für Auswirkungen dieser dramatisch von den Comics abweichende Twist auf die weitere Handlung haben würde. In der aktuellen Folge von Staffel 8 gab es jetzt endlich die Antwort auf die meisten dieser Fragen.
Dafür nimmt die "Ehre" betitelte Folge den Faden nahtlos da wieder auf, wo Episode 8 uns zuletzt zurückgelassen hat. Oder fast zumindest, denn nachdem wir von dem total verheulten Rick der allerersten Folge von Staffel 8 begrüßt wurden, spendieren uns die Macher erst mal einen ausgedehnten Flashback. Hier werden endlich einige offene Fragen aus Episode 6 geklärt, allen voran: Wie wurde Carl eigentlich gebissen und wie zum Kuckuck sind die Saviors aus dem Sanctuary herausgekommen?! Wie sich herausstellt, war es doch nicht (nur) die Schuld von Daryl und Tara ...
"The Walking Dead" drückt auf die Tränendrüse
Auch nachdem die Handlung in die Gegenwart zurückgekehrt ist, spielt sich in Episode 9 alles an zwei unterschiedlichen Fronten ab. Während Carol und Morgan sich um das kleine "Ezekiel-Problem" aus Folge 8 kümmern (dazu später mehr), könnte es in der Kanalisation von Alexandria wohl kaum emotionaler zugehen.
Gleich als Erstes überreicht Carl seinem Vater und Michonne die Abschiedsbriefe, die er für alle geschrieben hat. "Ich wusste nicht, ob du es schaffst, bevor … ich wollte mich auf jeden Fall von euch allen verabschieden", erklärt der Junior seinem um Fassung ringenden Vater und macht damit schon nach wenigen Minuten Handlung eindeutig klar, dass Fans in der nächsten Stunde die Taschentücher griffbereit halten sollten. Ok, noch heule ich nicht ...
Nachdem geklärt wurde, dass die überlebenden Alexandrianer inklusive Judith sich aufs Hilltop durchschlagen sollen, kommt schon jetzt der große Abschied. Während sich Daryl und Co. eher kurz halten, wollen die Macher den Abschied von Baby-Schwester Judith und dem neu dazugekommenen Siddiq offenbar möglichst emotional ausspielen. Carl schenkt seiner Schwester seinen Sheriff-Hut und ich habe so ein leises Gefühl, dass er damit das moralische Erbe (und die zukünftige Führerrolle?) symbolisch an seine Schwester weitergibt.

Dafür sprechen tatsächlich auch die letzten Worte, die Carl dem verstörten Mädchen mit auf den Weg gibt. "Es ist komisch, aber ich musste den Hut nur aufsetzten und dann war Dad bei mir. Ich fühlte seine Stärke in mir. Er hat mir geholfen, vielleicht hilft er dir auch", erklärt er Judith und dann darf natürlich auch der obligatorische Verweis auf die längst verstorbene Mutter nicht fehlen: "Bevor Mum gestorben ist, sagte sie mir, ich würde diese Welt besiegen. Ich konnte es nicht. Aber du wirst sie besiegen, das weiß ich ganz sicher." Ein leichtes Erbe hat er seiner Schwester damit jedenfalls nicht vermacht.
Das bleibende Vermächtnis des Carl Grimes
Als der Abschied von Siddiq an die Reihe kommt, muss ich übrigens unwillkürlich an die diversen Ankündigungen denken, Carl werde ein bleibendes Erbe in "The Walking Dead" hinterlassen, und dass er die Handlung noch lange beeinflussen würde. Nun, es hat ganz den Anschein, als sollte Siddiq sicherstellen, dass das auch tatsächlich so sein wird. "Ich kann dich nicht retten, aber ich kann dich ehren indem ich dich in Erinnerung behalte. Und indem ich allen erzählen, was du getan hast und dass es wichtig war. Genau das werde ich tun. Ich werde dich ehren, Carl", verkündet der mit tränenschwerer Stimme und erhebt den Nachwuchszombiekiller damit noch vor seinem Tod zu einer Art Märtyrer. Zumindest kommt es mir so vor, aber ich will ja nicht zynisch sein. Tatsächlich merke ich, wie ich zunehmend schniefiger werde.
Als alle anderen weg sind und die Saviors mit ihrem Bombardement endlich aufgehört haben, beschließt Rick plötzlich doch noch, Carl aus der Kanalisation wegbringen zu wollen. Vermutlich konnten die Macher eine so wichtige Figur einfach nicht in einem Abwasserrohr sterben lassen ... Natürlich schaffen es Michonne und Rick aber nicht, Carl in eines der unbeschädigten Häuser zu bringen, sondern landen – in der noch ziemlich unversehrten Kirche. Überraschung! Ein bisschen göttlicher Beistand könnte den Figuren aktuell wahrscheinlich wirklich nicht schaden.
I have a dream ...
Man merkt an dieser Stelle deutlich, dass der finale Abschied bereits um die Ecke lauert. Carl gibt sein Bestes, um seinen Vater an seine friedliche Seite und die "guten alten Zeiten" zu erinnern, und berichtet von einem Traum, den er hatte. Spätestens jetzt wird klar, dass all die idyllischen Zukunftsvisionen, die uns die Macher während der gesamten bisherigen Folge (und zu Beginn der Staffel) beschert haben, lediglich dem Traum eines sterbenden Jungen entsprungen sind. Rick scheint die Ansprache seines Sohnes aber trotzdem zu motivieren (wobei er seinem sterbenden Sohn vermutlich gerade alles versprechen würde).
Was jetzt kommt, überrascht mich tatsächlich: Carl greift nach seiner Pistole und will sich selbst erschießen. Obwohl Michonne es ihm ausreden will, besteht er darauf, es selbst tun zu können und für sich auch tun zu müssen. Als Rick und Michonne vor der Tür wartend durch den schallgedämpften Schuss aufgeschreckt werden, muss ich doch langsam zum Taschentuch greifen. Damit ist die Ära Carl Grimes also endgültig beendet. Oder?
Offenbar nicht ganz. Am Ende bekommen wir einen erschöpften Rick zu sehen, der am Baum neben dem Grab seines Sohnes eingeschlafen war. Mit der hier eingebauten Traumsequenz scheinen die Macher verdeutlichen zu wollen: Carls Traum ist jetzt auch der Traum seines Vaters. Die Zukunft nach dem All-out-War gegen die Saviors könnte also tatsächlich deutlich rosiger aussehen (für Zombieapokalypsen-Verhältnisse).
Da war doch noch was ...
Hatte ich erwähnt, dass die Handlung in Episode 9 mal wieder geteilt war? Zwar muss der andere Teil der Geschichte sich in dieser Folge ganz eindeutig dem ausgiebigen und dramatischen Tod von Carl Grimes unterordnen, doch so ganz wollen wir Carol, Morgan und Ezekiel dann natürlich trotzdem nicht vergessen.
Nachdem die Saviors das Königreich übernommen haben, führt Carol die Geflohenen zu ihrer kleinen Hütte – wie gelegen kommt es jetzt eigentlich, dass sie darauf bestanden hatte, vor den Toren der Stadt für sich sein zu wollen? Henry will sich der toughen Kämpferin natürlich anschließen, um gegen die Saviors zu kämpfen, aber Carol erlaubt das selbstverständlich nicht. Hallo?! Hat noch jemand NICHT damit gerechnet, dass sich der Junge an ihre Anweisung hält?
Während sich Carol und Morgan durchs Königreich schleichen und (natürlich) flüsterleise nach und nach Saviors ausschalten, dürfen wir parallel dazu bei Ezekiel und Negans Handlanger Gavin Mäuschen spielen. Irgendwie habe ich das Gefühl, als wollten die Macher in dieser Folge unbedingt demonstrieren, dass auch die Saviors nicht alle böse sind und zum Teil sogar nur "Opfer widriger Umstände" – oder so.

Am Ende überrascht mich tatsächlich nicht, dass die Saviors trotzdem alle (inklusive Gavin) draufgehen, sondern dass es nicht der zum Psycho mutierte Morgan ist, der Gavin seinen Stock durch die Kehle jagt. Mal ehrlich, wie eklig war das bitte, als Morgan dem Savior durch die kleine Bauchwunde mal eben die halben Eingeweide rausgerissen hat? Musste das wirklich sein?! Pfui!
Aber zurück zum Punkt: Als Gavin plötzlich im letzten Moment von Klein-Henry hinterrücks abgestochen wird, bin ich ehrlich überrascht. Aber immerhin haben die Macher Morgan so gerade noch mal davor bewahrt, wieder (endgültig) zum eiskalten Meuchelmörder zu werden. Ob es für das Kind unbedingt die beste Plot-Entscheidung war – naja ...
Mein Fazit zur neunten "The Walking Dead"-Folge von Staffel 8
Wer "The Walking Dead" vor allem wegen krachender Gefechte und heftiger Beißer-Attacken mag, der wird von Episode 9 ziemlich enttäuscht. Zwar gibt es im Königreich ein paar kleinere Gefechte und einen ziemlich ekligen Showdown zwischen Morgan und einem Savior – ich werde nicht müde, darauf herumzureiten! – aber das Hauptaugenmerk der Handlung liegt in dieser Folge ganz eindeutig auf dem emotionalen Abschied von Carl Grimes.
Tatsächlich haben die Macher hier im Vorfeld nicht zu viel versprochen. Es ist deprimierend. Es ist emotional. Und als die von Chandler Riggs gespielte Figur am Ende endlich unter der Erde ist, erwische ich mich tatsächlich dabei, wie mir eine Träne aus dem Augenwinkel kullert. Ziel erreicht.
Gedanken, die mir nach Episode 9 noch im Kopf herumschwirren
- Ob Negan wohl wirklich jemals zum Gärtner mutieren wird?
- Bleibt Morgan weiter auf seinem Killer-Trip?
- Muss Morgan eigentlich unbedingt von einem Extrem ins andere fallen?!
- Was steht in den Briefen von Carl?
TURN ON-Score: 4,5/5