Videospiele, Sammelkarten, Manga, eine Anime-Serie, eine weltweit gefeierte App und satte 21 Anime-Kinofilme kann das Pokémon-Franchise bereits vorweisen. Mit "Pokémon Meisterdetektiv Pikachu" geht erstmals eine Realverfilmung mit den japanischen Pocket Monsters (Taschenmonster) an den Start. Ob die neue Adaption elektrisiert oder Fans den Donnerschock ihres Lebens erleiden, verraten wir hier.
- Auf nach Ryme City
- "Herzlich Willkommen in der Welt der Pokémon!"
- Pokémon > Menschen
- Familienfilm trifft "Deadpool"-Stimme
- Fazit
Auf nach Ryme City
"Ryme City, eine Stadt, in der Menschen und Pokémon in Harmonie zusammenleben" – so lautet das blumige Versprechen eines Werbevideos, das Tim sich ansieht. Der etwas eigenwillige Protagonist ist auf dem Weg in die Metropole, nachdem er über den mutmaßlichen Unfalltod seines dort lebenden, von ihm entfremdeten Vaters informiert wurde.
Womit Tim nicht rechnet, ist ein sprechendes Pikachu, das nur er verstehen kann. Die Elektro-Maus behauptet, Tims Vater sei nicht tot. Zur Erinnerung: Normalerweise beschränkt sich der Wortschatz von Pokémon auf Variationen des eigenen Namens. Und dann steht plötzlich Jung-Reporterin Lucy bei Tim auf der Matte, die eine große Verschwörung wittert – Gift- und Genexperimente inklusive.
Trotz dieses anscheinend verzwickten Falls: Mit großen Twists und Überraschungen wartet "Detective Pikachu", so der Originaltitel, nicht auf. Die Handlung des ersten Pokémon-Realfilms ist weitestgehend vorhersehbar. Das ist allerdings keine große Überraschung, schließlich richtet sich der Film in erster Linie an Kinder und Jugendliche. Zu vertrackt soll es offenbar nicht zugehen, um die Aufmerksamkeit der Nachwuchs-Fans nicht zu verlieren.
Das erklärte Ziel: Eine neue Generation für das Franchise zu begeistern, während die Älteren in Erinnerungen an die 1990er-Jahre und unterhaltsame Stunden mit dem Game Boy schwelgen.

"Herzlich Willkommen in der Welt der Pokémon!"
Letzteres gelingt dem neuen Pokémon-Film mit Bravour. "Pokémon Meisterdetektiv Pikachu" steckt voller Anspielungen auf den ersten Pokémon-Film von 1998, die Anime-Serie und die Videospiele. Wenn Schiggys die Feuerwehr unterstützen und ein singendes Pummeluff eingeschnappt seinen schlummernden Zuhörer betrachtet, kann man sich als Pokéfan ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Überhaupt sind es die kleinen alltäglichen Szenen, die die Stärke von "Detective Pikachu" ausmachen. Die niedlichen bunten Taschenmonster sind so lebensecht animiert, dass sie sich nahtlos in die reale Umgebung einfügen. Wenn Machomei den Verkehr regelt, Kappalores im Café kellnert oder Krakeelo als Lautsprecher fungiert, bringt das weder die Bewohner von Ryme City noch die Kinogänger aus dem Konzept.
Die Filmemacher von Warner Bros. und Legendary gehen noch einen Schritt weiter: In ihrer Pokémon-Welt gilt es als nicht normal und eigenartig, keinen Pokémon-Partner zu haben – so wie Tim. Wer will schon kein Pokémon haben? Eine Frage, die sich auch die Kinogänger stellen dürften.
Pokémon > Menschen
Generell sind die Pokémon die unangefochtenen Stars des Films. Anders als in der Serie gibt es keinen Trainer, dessen Geschichte in den Vordergrund tritt. Schon vor Kinostart konzentrierte sich das Marketing ganz auf den flauschigen gelben Titelhelden, der im O-Ton von "Deadpool"-Star Ryan Reynolds gesprochen wird – und das funktioniert super: Reynolds schafft es, das koffeinsüchtige CGI-Monster geradezu menschlich wirken zu lassen.
Apropos menschlich: Zusätzlich soll eine Buddy-Dynamik mit dem menschlichen Protagonisten Tim zum Tragen kommen, was allerdings nur eingeschränkt funktioniert. Der Grund: Im Vergleich zu Pikachu mit seinem Charme und Humor wirkt Tim-Darsteller Justice Smith ("Jurassic World: Das gefallene Königreich") ziemlich blass und in vielen Situationen geradezu verbissen. Daran sind auch die Dialoge schuld, die der Figur Tim nur wenig Charaktertiefe zugestehen. Die Sympathiepunkte gehen deshalb eindeutig auf das Konto von Pikachu.
Der einzige menschliche Darsteller, von dem ich persönlich gern mehr gesehen hätte, ist Ken Watanabe. Der Schauspieler hat nur eine kleine Nebenrolle, zeigt aber deutlich mehr Präsenz als der Rest des realen Casts.

Familienfilm trifft "Deadpool"-Stimme
Mit dem Fokus auf Ryan Reynolds als Pikachu ergibt sich ein weiterer Schwachpunkt. Der Hollywoodstar und auch sein deutscher Synchronsprecher Dennis Schmidt-Foß sind für mich wie für viele andere Marvel-Fans untrennbar mit dem brutalen Söldner Deadpool verbunden. Beim Namen "Ryan Reynolds" hatte ich deshalb mit einem deutlich schrägeren und erwachseneren Humor gerechnet.
Dass diese Erwartungshaltung nicht unbedingt zu einem FSK-6-Film wie "Detective Pikachu" passt, ist klar. Dennoch habe ich auf wenigstens ein paar Witze gehofft, die sich an das erwachsene Publikum richten.
Die Videospielverfilmung scheint generell nicht immer zu wissen, für wen sie produziert wurde. Um die junge Generation an Bord zu holen, wäre ein jüngerer menschlicher Hauptdarsteller die bessere Wahl gewesen. Um ein erwachsenes Publikum zu erreichen, hätte Pikachus Humor etwas bissiger sein dürfen.
Fazit: Der Anfang ist gemacht
Ist "Pokémon Meisterdetektiv Pikachu" erfolgreich, werden die Sequels und Spin-offs nicht lange auf sich warten lassen. Auch die sehe ich mir sicherlich an. Schließlich macht der aktuelle Film die Schwächen im Drehbuch und die Unsicherheit in Sachen Zielgruppe durch die wunderschön umgesetzte Live-Action-Welt wett. Ich würde sofort in den Zug nach Ryme City steigen, sollte mir jemand ein Ticket schicken. Und gegen einen Pokémon-Partner hätte ich auch nichts einzuwenden ...