Unsere Kritik zu "Red Sparrow": Spione, die sich lieben lassen

Oscarpreisträgerin Jennifer Lawrence wird in "Red Sparrow" zur Spionin wider Willen.
Oscarpreisträgerin Jennifer Lawrence wird in "Red Sparrow" zur Spionin wider Willen. Bild: © 20th Century Fox 2018

Agententhriller drehen sich heute meist um Gadgets und Geschwindigkeit. Was "Red Sparrow" mit Jennifer Lawrence anders macht – und ob sich ein Ausflug in diese Welt der Spionage lohnt – liest Du in unserer Filmkritik.

Von der Ballerina zum Spatzen: Die Story

Dominika Egorowa (Jennifer Lawrence) ist ein Star des legendären Moskauer Bolschoi-Balletts – bis sie sich bei einem Unfall auf der Bühne so schwer verletzt, dass ihre Karriere in Gefahr gerät. Doch auf die stattlichen Zuwendungen des Bolschoi kann sie nicht verzichten, es finanziert sogar die Wohnung, in der Dominika mit ihrer gebrechlichen Mutter lebt.

Ihr Onkel Wanja bietet einen Ausweg an, der aber in Wirklichkeit keiner ist: Einen Oligarchen und Ballettfreund soll sie umgarnen, um dessen Handy austauschen zu können, nur ein kurzer Flirt, keine große Sache, der Staat werde sich schon erkenntlich zeigen.

Aber Wanja und seine Hintermänner haben andere Pläne. Das Treffen verläuft grausig und Dominika ist nun eine Zeugin. Um ihr Leben und die Pflege ihrer Mutter zu retten, lässt sie sich zum roten Spatz ausbilden und wird Teil einer Elitetruppe, die sich der Verführung und emotionalen Manipulation widmet.

Unterdessen muss die CIA ihren Agenten Nate Nash (Joel Edgerton, "Bright") aus Russland abziehen, weil Nash bei einem Treffen mit einem Informanten aufflog. Doch die Gegenseite kennt den Namen des Maulwurfs nicht und setzt Dominika auf Nash an, um dessen Identität herauszufinden …

"Red Sparrow": Russland grau in grau

Regisseur Francis Lawrence, der seine Namensvetterin Jennifer schon in drei "Hunger Games"-Teilen inszenierte, hat sich mit "Red Sparrow" eines ziemlich holzschnittartigen Stoffes angenommen. Folter und Auftragsmord sind Alltag im russischen Geheimdienstgeschäft, der slawische Akzent rollt dazwischen schwer durch die Stimmen der Synchronsprecher.

Auch die Ausbildung der Spatzen, geleitet von einer betont eisigen Matrone (Charlotte Rampling), bedient sich bei filmischen Totalitarismus-Klischees. In grauen Overalls stecken die jungen, ausnahmslos attraktiven Rekrutinnen und Rekruten, deren Willen im Namen der Nation gebrochen werden muss, damit sie irgendwann den Willen der Anderen brechen können.

Wie ausgerechnet auf diese Weise Empathie und Verführungskraft gelehrt werden sollen, bleibt noch eine der uninteressanteren Paradoxien des Films. Faszinierender ist da schon, wie konsequent Lawrence und Autor Justin Haythe ("A Cure for Wellness"), der hier eine Vorlage von Autor Jason Matthews adaptiert hat, ihre wundersame Nostalgie betreiben. Der Kalte Krieg habe nie geendet, sagt die Matrone einmal.

"Red Sparrow" zeichnet ein Russland in gnadenlosen Grautönen. fullscreen
"Red Sparrow" zeichnet ein Russland in gnadenlosen Grautönen. Bild: © 20th Century Fox 2018
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Szenenbild aus "Red Sparrow" Bild: © 20th Century Fox 2018
"Red Sparrow" zeichnet ein Russland in gnadenlosen Grautönen.
Szenenbild aus "Red Sparrow"

Verführung im Auftrag des Vaterlandes

Nie angebrochen scheint hier dagegen das Informationszeitalter zu sein. Spionage ist in der Welt der Spatzen keine Sache von Technologie, schon gar nicht von digitaler Vernetzung. Eine Informatin schleppt doch tatsächlich einen Stapel Disketten zum vereinbarten Treffpunkt. Agenten sind hier noch vor allem Körperwesen, doch ihre Kunst ist nicht die des Kampfes, sondern die der Erotik.

Darin steckt natürlich stets noch ein Geheimnis, ein Spiel mit dem Sichtbarmachen und dem Vorenthalten. Mit ihren jeweiligen Apparaten im Nacken – der von Dominika dabei ungleich bedrohlicher – umtanzen sie und Nash einander. Jeder Schritt könnte dabei von aufrichtigem Gefühl geleitet sein oder von purer Berechnung.

Selbstverständlich entwickelt man als Zuschauer eine Ahnung, eine Vermutung über die jeweils wahren Motive. Doch genauso selbstverständlich prickelt die Möglichkeit zwischen den Bildern und den Worten, genährt nicht zuletzt durch zahllose Filmbeispiele aus zahllosen Genres, dass sich dies alles auch ganz anders verhalten könnte. Diesem Prickeln ist es zu verdanken, dass das anachronistische Weltbild des Films irgendwann in den Hintergrund tritt.

Verführung ist die stärkste Waffe der "Sparrows". fullscreen
Verführung ist die stärkste Waffe der "Sparrows". Bild: © 20th Century Fox 2018
Jennifer Lawrence in "Red Sparrow" fullscreen
Jennifer Lawrence in "Red Sparrow" Bild: © 20th Century Fox 2018
Verführung ist die stärkste Waffe der "Sparrows".
Jennifer Lawrence in "Red Sparrow"

Momente plötzlicher Verletzlichkeit

Zu Beginn stürzt sich Jennifer Lawrence entsprechend lustvoll in die Darstellungsklischees stalinistischer Apparatschiks mit ihrer unbewegten Mimik, doch allmählich lässt sie immer mehr Gefühle nach außen dringen. Sie tut es subtil, mit weicher gewordenen Blicken, mit Momenten einer plötzlichen Verletzlichkeit, die so schnell wieder verschwinden können, wie sie zuvor aufflackerten.

Der müde Ernst, mit dem Joel Edgerton in seine Umwelt schaut, kann mit dieser zarten Metamorphose nicht mithalten. Doch sein Nash ist ohnehin wenig mehr als eine Projektionsfläche für die mögliche Wandlung von Dominika, deren Loyalitäten sie in alle möglichen Richtungen zerren – zu ihrer Mutter, zu ihrem Leben, zu Nash, zu ihrer Mission.

Diese verwirrenden und bisweilen handfest bedrohlichen Netzwerke stehen im Zentrum eines Films, der die Agententätigkeit noch – oder: wieder? – als Interaktion von Menschen mit Menschen beschreibt. Nicht als Weltreise, auch wenn Dominika ganz schön rumkommt, sogar einmal kurz nach Wien, in die Geburtsstadt von Regisseur Francis Lawrence. Nicht als Wettlauf. Und nicht als Wettkampf zwischen Informatikern oder Waffentechnologien.

"Red Sparrow": Fazit

"Red Sparrow" zeichnet ein arg gruseliges Bild vom modernen Russland, gibt aber dem Subgenre des Spionagethrillers einen besonderen Dreh: Wo sonst Verfolgungsjagden und globalisierte Datenströme eine hysterische Spirale der Beschleunigung in Gang setzen, muss der Feind hier mit Psychologie und Körpereinsatz bezwungen werden. Dieses Verwirrspiel fasziniert, während die einseitige Ideologie des Films echten Überraschungen im Wege steht.

TURN ON-Wertung: 2,5/5

Angebot
Red Sparrow
Red Sparrow
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Originaltitel
    Red Sparrow
  • Produktionsland/-jahr
    USA 2017
  • Genre
    Thriller
  • Besetzung
    Jennifer Lawrence, Joel Edgerton
  • Regie
    Francis Lawrence
  • Kinostart (D)
    01.03.2018
TURN ON Score:
2,5von 5
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