Der Vivaldi-Browser stellt sich gegen den Trend zum vermeintlich benutzerfreundlichen Minimalismus. Stattdessen bietet er eine ganze Menge Funktionen für Individualisten und Power-User. Hat der Browser auch das Zeug, Chrome oder Opera zu ersetzen? Wir haben Vivaldi einem Test unterzogen.
Beim Starten mich erinnert der Vivaldi-Browser zunächst an Opera. Oben warten die Tabs und mit einem Klick auf einen Button links oben lassen sich die Menüs öffnen. Abgesehen von der Suchleiste ist sonst nicht viel los. Kein Wunder: Der Browser wurde vom früheren Opera-Chef Jón von Tetzchner auf die Beine gestellt. Beim näheren Hinsehen fällt jedoch auf, dass der Schein trügt.
Als Nutzer kann ich etwa selbst entscheiden, wo die Tableiste stehen soll, zum Beispiel oben, unten oder an einer Seite. Unten im Browser entdecke ich beim Surfen derweil eine unscheinbare Leiste, die es bei Opera nicht gibt. Dort kann ich auf zusätzliche Funktionen wie ein Paneel links, ein Screenshot-Feature, eine Kachelansicht der Tabs und mehr zugreifen. Und dies ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Funktionsreichtum von Vivaldi.
Mehrere Websites im Blick behalten

Die Kacheldarstellung könnte gerade bei großen Bildschirmen für Anwender Sinn ergeben, die mehrere Tabs im Blick behalten möchten. So bringe ich etwa Twitter unten links an, TURN ON rechts und Facebook oben. Dann kommt mir eine Idee: So habe ich etwas über ein "Paneele" gelesen, mit dem sich in einer Leiste links eine Website anzeigen lässt. Also öffne ich das Paneele unter "Ansicht" im Menü. Die gesuchte "Web-Paneel-Option"verbirgt sich unten in der linken Spalte. Dort baue ich Facebook ein und in der Kachel oben wird Platz für YouTube frei.

Für mein Full-HD-Display ist das der Overkill, aber Besitzern eines 4K-Monitors dürfte die Kacheldarstellung besonders entgegenkommen. Ich schließe also drei der Websites und blende links lieber die Notizen-Spalte ein. Darin mache ich Notizen für diesen Test. Ich bereichere sie mit einem Screenshot von der Vivaldi-Schnellwahl, die ziemlich genauso aussieht wie die Opera-Schnellwahl.
Gibt es auch Erweiterungen?
Neben der Schnellwahl und auch in der Spalte auf der linken Seite entdecke ich die Lesezeichen, die ich nach Wunsch in Ordnern unterbringen kann. Nun öffne ich die Tech-Website der geschätzten Kollegen von cnet.com. Sie haben leider eine größere Affinität zu selbststartenden Videos und aufploppenden Werbeanzeigen, als es mir lieb ist. Also her mit dem Ad- und Skript-Blocker. Nichts für ungut.

Moment! Ad- und Skript-Blocker sind Erweiterungen. Unterstützt Vivaldi überhaupt Erweiterungen? Ja, der Browser beruht nämlich genau wie Chrome und Opera auf Chromium und erlaubt die Integration der zahlreichen Plugins aus dem Chrome Web Store. Dort installiere ich den Skript-Blocker Ghostery, was problemlos funktioniert. Nun wird die Lektüre von mit Skripts und Werbung gefluteten Websites gleich viel angenehmer. Wo wir schon bei Skripts, Trackern und Co. sind: Welche Daten greift eigentlich Vivaldi selbst ab? Bei der Gelegenheit fällt mir auf, dass ich trotz zahlreicher Einstellungen bislang noch nie das eigentliche Einstellungsmenü von Vivaldi geöffnet habe. Schauen wir doch mal rein!
In der Welt der 1000 Optionen

Verstecken muss sich das Vivaldi-Einstellungsmenü jedenfalls nicht. Und das kann es wohl auch nicht, wenn es erst einmal geöffnet ist, da es gefühlte 1000 Optionen umfasst. Immerhin haben es die Entwickler in sinnvolle 17 Kategorien unterteilt. Unter "Privatsphäre" stelle ich fest, dass Vivaldi tatsächlich sogenannte "Diagnoseinformationen" abgreift, um den Browser zu verbessern, wobei aber keine privaten Infos übermittelt werden. Auch bei dieser Option kann ich einfach den Haken entfernen.

Die Vivaldi-Einstellungen geben mir die Kontrolle über alles Erdenkliche, seien es Darstellung, Themen, Paneel, Adressleiste, Netzwerk und vieles mehr. Zu den exzentrischeren Optionen gehört die Philips Hue-Integration, mit der sich die smarten Lampen von Philips mit dem Browser steuern lassen. Das konnte ich leider nicht testen. Unter "Tastatur" lassen sich individuelle Tastaturbefehle für die Browser-Steuerung anlegen. Die Maus erlaubt den Gebrauch von "Rocker-Gesten", die Standardschriftarten von Websites kann ich auch festlegen, wie es mir beliebt – und, und und.
Der Browser ist erwachsen geworden: Fazit

Vivaldi ist elegant designt, läuft schnell und stabil. Dank Unterstützung der Chrome-Erweiterungen kann ich mich mit allen möglichen Plugins versorgen. Es war im Test kein Feature auszumachen, das ich im Vergleich zu Chrome oder Opera vermisst hätte. Im Gegenteil kommen zahlreiche Features und Optionen hinzu und keine wird dem Nutzer aufgezwungen.
Vivaldi hält sein Versprechen. Es ist der optimale Browser für Power-User und Individualisten, die gerne ihren Browser im Detail einstellen möchten. Somit ist Vivaldi ein gelungenes Gegenstück zum minimalistischen Microsoft Edge. Jeder darf somit gerne einen Blick auf den Power-Browser wagen und viele könnten sich am Ende für Vivaldi entscheiden.