Der "Dishonored"-Macher Arkane Studios ist Spezialist für simulierte Welten mit unendlich scheinenden Möglichkeiten. "Deathloop" könnte Ende 2020 das Meisterstück des französischen Studios werden und ein Best-of seiner wildesten Einfälle bieten. Die Grundidee klingt schon einmal unwiderstehlich.
Guten Morgen, es ist wieder Murmeltiertag! In "Deathloop" steckt die Insel Blackreef in einer Zeitschleife fest – mitsamt ihrer Bewohner. Die wissen den Loop zu nutzen und feiern dekadente Orgien, ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen, denn um Mitternacht geht alles von vorn los. Der Auftragskiller Colt findet das nicht so lustig. Er will raus aus dem Loop, doch das geht nur, wenn er die acht Hauptverantwortlichen für die Zeit-Trickserei innerhalb eines Loops vor die Klinge bekommt. Das wiederum will seine Nemesis verhindern: Julianna Blake. Die ist ebenfalls bezahlte Mörderin und will die Party am Laufen halten – um jeden Preis.
Neues von den Meistern des "High Concept"-Games
Arkane Studios ist Meister des sogenannten "High Concept"-Designs, bei dem sich aus einer leicht zu beschreibenden übergreifenden Idee alles Weitere ergibt. Die Franzosen haben mit diesem Ansatz schon unvergessliche Spielwelten, Levels und Mechaniken designt – sei es eine von Walöl und Korruption angetriebene Fantasy-Stadt im Stealth-Spiel "Dishonored", ein zeitreisendes Haus im Nachfolger "Dishonored 2" oder gestaltwandelnde Aliens im Sci-Fi-Shooter "Prey", die sich in jedem noch so unschuldigen Allerweltsobjekt verbergen können.

In "Deathloop" ist das "High Concept" die Zeitschleife, aus der ich mich in der Rolle von Colt befreien muss. Einfach wird das natürlich nicht: Die feierwütigen Inselbewohner stellen sich Colt entgegen, die Zeit arbeitet gegen ihn, und irgendwo im Hinterhalt lauert Julianna. Brauche ich zu lange, um die nötigen Ziele auszuschalten und den Loop zu durchbrechen, setzt das Spiel die Zeit zurück, und der Tag auf Blackreef beginnt von vorn. Gleiches gilt, wenn Colt ein früher Tod ereilt. Also muss ich mich vorsichtig herantasten, die Gegend auskundschaften, strategisch vorgehen. Und irgendwann den perfekten Lauf aufs Parkett legen.

Ein Killer in der Zeitschleife
Wer Arkane-Spiele kennt, findet in dieser Kurzbeschreibung viel Bekanntes wieder. Das Studio macht keinen Hehl daraus, dass "Deathloop" Ideen aus "Dishonored" und "Prey" zu etwas Neuem zusammenrührt. Colt steuere ich in Ego-Sicht, er verfügt über schlagkräftige Waffen, aber auch über magische Fähigkeiten wie die aus "Dishonored" bekannte Teleportation. Ob ich heimlich vorgehe, alles niederschieße oder ganz andere Wege finde, bleibt mir überlassen – und das ist der Hauptgrund, warum "Deathloop" bei mir in Sachen Vorfreude dieses Jahr ganz weit vorn rangiert.

Während ich diese Zeilen schreibe, stecke ich mitten in meinem zweiten Durchlauf durch "Dishonored 2". Vieles in den Missionen kommt mir aus vorherigen Speicherständen bekannt vor, immer wieder entdecke ich aber neue Geheimgänge, Schlupflöcher und Möglichkeiten, Missionen zu beenden, die mir bisher nicht aufgefallen waren. Teilweise wirken Entscheidungen über die Grenzen von Missionen hinaus und verändern den Spielverlauf grundlegend. Genau das erhoffe ich mir auch von "Deathloop" – nur noch radikaler.
In einem geschlossenen Ökosystem wie der Insel Blackreef kann alles auf alles reagieren. Ein Traum für einen Entwickler wie Arkane Studios, der auf sogenannte Immersive Sims spezialisiert ist – Spiele, in denen Objekte und Gegebenheiten der Spielwelt einigen festen Grundregeln folgen. Für den Spieler entsteht daraus das Gefühl, dass sich die digitale Welt auch ohne ihn weiterdrehen würde.

Aktion und Reaktion
Immersive Sims gibt es so einige, der Zeit-Loop ist aber die Komponente, die "Deathloop" zum Geniestreich machen könnte: Die Schleife gibt mir einen inhärenten Grund, wieder und wieder in den Tagesablauf der Insel einzugreifen, um zu sehen, was sich verändert. Wo ich mich bei "Dishonored" durch meine Handlungen für einen Weg durch die Story entscheide, soll mir "Deathloop" die Möglichkeit geben, alle Abzweigungen und Reaktionen auf mein Tun im selben Durchlauf zu erfahren – so zumindest beschreibt es Game Director Dinga Bakaba gegenüber VG24/7. Dass ich Loop für Loop mehr über die Folgen meiner Aktionen und meine Ziele herausfinde, klingt fast nach Detektivspiel und nach einer cleveren Einbindung der Zeitschleifen-Mechanik ins Ego-Shooter-Gameplay.
Wie eng verschaltet die einzelnen Systeme des Spiels miteinander sind, wie drastisch die Folgen meiner Handlungen ausfallen, wie abgedreht die Ereignisse auf Blackreef wirklich sind – all das wissen wir noch nicht. Das Portfolio von Arkane Studios gibt mir bisher aber wenig Anlass zu zweifeln, dass sich in "Deathloop" stylishe Optik, butterweiches Gameplay und exzellentes Leveldesign die Hände reichen. Colt mag es eilig haben, von Blackreef zu verschwinden. Ich lasse seine Ziele aber vielleicht erst einmal Ziele sein, um mich gründlich auf Blackreef umzuschauen.
Ich ahne, dass es sich lohnen wird.