Vor kurzem trat Windows-Macher Microsoft der Linux Foundation bei. Die von Big M umworbenen Entwickler nutzen schließlich heute noch gerne Linux-Systeme für ihre Projekte. Wer als Durchschnittsanwender eine Alternative zu Windows 10 oder Mac OS sucht, ist bei Linux für Desktop-PCs aber an der falschen Adresse.
Verwende doch Linux. Das redete mir ein Schulfreund ein, der seine Freizeit mit dem Erlernen von Programmiersprachen verbrachte. Windows ist für Idioten, virenverseucht, stürzt regelmäßig ab und Microsoft ist ein böses, großes Kapitalistenunternehmen, das kleine Programmierer schikaniert. Na, meinetwegen. Also besorgte ich mir Linux. Meine Programme liefen nicht darauf, die Menüstruktur war kompliziert und auch wenn ich mich nun wie ein cooler Underground-Hacker fühlen konnte, wollte ich mich eigentlich gar nicht mehr an den PC setzen.
Und nun? Heute spricht Microsoft gegenüber Linux von "Liebe". Das klingt ungewohnt, denn der frühere Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte das Open Source-Betriebssystem einst als "Krebsgeschwür" bezeichnet. Die einstigen Widersacher sind endlich versöhnt. Microsoft versorgt die Linux Foundation mit jährlich mindestens 500.000 US-Dollar und unterstützt verschiedene Linux-Projekte. Kann man sich auch als durchschnittlicher Windows-Nutzer wieder an Linux heranwagen?
Hauptsache kostenlos?
Einige grundlegende Dinge kann man als Otto-Normalanwender auch mit Linux erledigen. Dazu gehören Musik hören, Office-Dokumente mit Open-Source-Alternativen wie OpenOffice oder LibreOffice erstellen und im Internet surfen, sogar mit Chrome oder Firefox. Und all das wird durch Gratis-Programme ermöglicht. Hat also die Open Source gesiegt und nicht der Kapitalismus? Könnte man meinen, bis man seine von Windows bekannten Programme wie Adobe Photoshop, iTunes oder Microsoft Office nutzen oder Computerspiele wie "Battlefield 1" oder "Fallout 4" spielen möchte.
Komplexe Programme erfordern ganze Entwicklerstudios und können sich in der Regel nicht auf aufopferungsvolle Linux-Enthusiasten verlassen, die am liebsten die ganze Welt mit ihren Werken beschenken möchten. Und da die Open-Source-Programme für Linux nun einmal nichts kosten, bedeutet das auch, dass niemand dort die Zeit und Energie entlohnt, die in das Entwickeln und Vertreiben von Anwendungen fließen.
Da können die Open-Source-Enthusiasten noch so nachdrücklich betonen, dass Software schließlich kein "physisches Produkt" sei, das man anfassen kann, sondern "nur" ein paar Nullen und Einsen im Rechner. Irgendwer muss die ganzen Nullen und Einser am Ende des Tages in die Form von Software gießen, ohne dabei zu verhungern. Wie der Blogger und Entwickler Norbert Simon über Linux schreibt: "Vor allem fehlen Ressourcen, um Software auf das Niveau zu heben, das Anwender unter Windows oder von ordentlich monetarisierten Produkten gewohnt sind."
Auch Linux-Entwickler raten ab

Inzwischen sehen auch viele Linux-Entwickler keinen Sinn mehr darin, normalen Anwendern das Betriebssystem zu empfehlen. Zum Beispiel erklärt der Programmierer Dominic Humphries in seinem Artikel "Linux ist nicht Windows", warum Linux nur für Computer-Experten attraktiv ist und nicht für durchschnittliche Anwender, die nach einer Windows-Alternative suchen. "Leute migrieren zu Linux, weil Sie Viren [...] und Spyware leid sind. Das ist verständlich. Aber diese Leute wollen nicht Linux. Sie wollen eigentlich nur Windows ohne die Fehler. Sie wollen nicht wirklich Linux. Warum sollte Linux also sie wollen?" Damit Linux wie gewünscht läuft, müsse man viel Arbeit investieren.
Zwar gibt es in Linux inzwischen Treiber für viele Hardware-Geräte wie Drucker, Scanner und Digitalkamera, aber die Software von deren Herstellern läuft unter Linux nicht. "Gibt es also weder Treiber noch Software, bieten die Hersteller folglich auch keinen Support für ihre Geräte unter Linux-Systemen an", bemerkt der Programmierer Tim Schropp. Wer sich für eine umfassende, englischsprachige Liste mit Linux-Problemen interessiert, die das Betriebssystem für Durchschnittsanwender uninteressant machen, der erhält sie vom Open-Source-Enthusiasten und Linux-Fan Artem S. Tashkino.
Ist Linux bald doch eine Alternative?
Die weit verbreiteten Betriebssysteme Microsoft Windows 10 und Apple Mac OS sind für Durchschnittsnutzer gute, übersichtliche und einfach zu nutzende Betriebssysteme. Nur für PC-Gamer gibt es letztlich keine Alternative zu Windows, denn viele beliebte Spiele gibt es nicht für den Mac. Allerdings ist da noch Googles Chrome OS, das auf der Linux-Distribution Chromium OS beruht. Dieses Betriebssystem läuft auf den beliebten Chromebooks, die vor allem zum Surfen im Internet und für einfache Textverarbeitung geeignet sind. Chrome OS unterstützt inzwischen außerdem Apps des mobilen Betriebssystems Android. Android beruht ebenfalls auf dem Linux-Kernel.
Trotz Android-Unterstützung sind Chromebooks noch keine vollwertige Alternative zu Windows-PCs und -Notebooks. Wer aber nur einfache Aufgaben am PC ausführen und im Internet surfen möchte, der kann bereits mit Chrome OS glücklich werden. Sollte Linux in absehbarer Zeit doch noch zu einer echten Alternative zu Windows und Mac OS werden, dann wohl in Form von Chrome OS. Nicht alle Linux-Fans kann diese Aussicht derweil glücklich stimmen. Denn im Chrome Web Store kosten einige Anwendungen Geld und im Google Play Store erst recht. Sollte Linux am Ende also doch noch zu einer Windows-Alternative werden, dann ist zumindest auch dem Kapitalismus dafür zu danken und nicht nur Open Source.
Zusammenfassung
- Für Linux werden aktuelle Top-Games und aufwändigere Anwendungen wie Adobe Photoshop, iTunes oder Microsoft Office nicht angeboten
- Zwar gibt es inzwischen einige Treiber für Hardware-Geräte wie Drucker, Scanner und Digitalkamera, aber die Hersteller-Software wird nicht unterstützt
- Linux richtet sich vor allem an Entwickler und generell Computer-Experten
- Mit Chrome OS befindet sich ein potenzieller Windows-Konkurrent auf Linux-Basis in der Entwicklung, der Linux-basierte Android-Apps unterstützt
- Anwendungen für Chrome OS und Android kosten allerdings oft Geld
- Vielleicht wird Linux in Form von Chrome OS eines Tages noch zur Windows-Alternative, aber nicht nur dank Open Source, sondern auch dank kostenpflichtiger Anwendungen