Ich müsste wirklich langsam mal "Sekiro: Shadows Die Twice" weiterspielen. Ich hab's angefangen, fand es toll, dann kam irgendein anderes Spiel dazwischen – und seitdem liegt die Disc in ihrer Hülle. Ich spüre einfach nicht mehr dieses Fieber, diesen unbedingten "Du musst das jetzt sofort weiterzocken"-Zwang, der mich bei "Dark Souls" und "Bloodborne" ans Pad gefesselt hat. Warum? Ein Erklärungsversuch.
Bevor Du jetzt die Fackeln und Mistgabeln rauskramst und zur Jagd auf mich Ketzer bläst, lass es mich an dieser Stelle ganz klar sagen: "Sekiro: Shadows Die Twice" ist ein fantastisches Spiel, dessen traumhaft guter Wertungsspiegel absolut gerechtfertigt ist. Das tiefgründige Kampfsystem fügt der in den letzten Jahren doch ein wenig schal gewordenen Soulsborne-Formel eine faszinierende neue Facette hinzu, der Greifarm unseres Helden Wolf ermöglicht eine bisher ungeahnte Vertikalität und das (wenn auch nur rudimentär eingesetzte) Stealth-System eröffnet ganz neue taktische Gameplay-Möglichkeiten.
Es gibt bestimmt eine Menge Fans, die "Sekiro" für das beste Spiel der Soulsborne-Reihe halten – und sie hätten nicht unbedingt Unrecht. Aber: Mir fehlt da etwas.

Absolut einzigartig: Das Soulsborne-Gefühl
Ich war einst Skeptiker der From-Software-Spiele, wurde dann aber zum überzeugten Fan von "Dark Souls" (und mit gewissen Einschränkungen auch von "Bloodborne"). Ausschlaggebend war dabei vor allem, wie anders sich "Dark Souls" anfühlte, spielte, aussah. Klar, mittlerweile ist die Soulsborne-Mechanik auch nicht mehr ganz taufrisch und Spiele wie "The Surge" bedienen sich sogar ganz ungeniert am großen Vorbild. Das Alleinstellungsmerkmal, das die Spiele von From Software mal auszeichnete, ist keines mehr.
Aber als dieser ganze "Dark Souls"-Wahnsinn losging, gab es wirklich kein einziges vergleichbares Spiel auf dem Markt. Im ersten "Dark Souls" wachte ich als Untoter in einer sterbenden Welt auf, die von den Göttern verlassen schien – und war sofort am Haken. "Bloodborne" hat mich in eine groteske Albtraumwelt entführt, in der die Nacht ewig dauert und die von kosmischem Schrecken beherrscht wird – der Hammer!

In Japan war ich schon mal...
"Sekiro" dagegen versetzt mich in die Videospiel-Version des feudalen Japans. Hm. Auch spannend, klar. Aber für mich persönlich nicht halb so aufregend wie die düsteren, manchmal grotesken, aber immer einzigartigen Welten, die mich in "Dark Souls" und "Bloodborne" nicht mehr von der Konsole ließen und mich manchmal sogar noch in meinen Träumen beschäftigten.
Natürlich ist das eine Frage des persönlichen Geschmacks. Und viele Fans werden zum etwas bodenständigeren "Sekiro" eher einen Draht finden – eben weil es Motive verwendet, die wir schon in vielen anderen Spielen gesehen haben. Aber einen einsamen Wolf zu spielen, der sich durch das Japan der Edo-Zeit schnetzelt, das könnte erst mal eben auch "Tenchu" sein. Oder "Onimusha". Oder "Nioh". Oder "Genji". Und selbst aus den herrlich stumpfsinnigen "Samurai Warriors"-Spielen ist mir das Setting bestens vertraut. Will sagen: Ich spüre da einfach nicht mehr dieses aufregende Prickeln des Unbekannten.
Um besser zu verdeutlichen, was ich meine, hier jeweils der erste "richtige" Bossgegner aus "Dark Souls", "Bloodborne" und "Sekiro".



Ja, wahrscheinlich liegt's an mir
Klar ist "Sekiro: Shadows Die Twice" in vielerlei Hinsicht ein Superspiel. Natürlich brüstet sich Hersteller Activision damit, mehr als zwei Millionen Einheiten in weniger als 10 Tagen verkauft zu haben. Und wer weiß, vielleicht werde ich ja auch noch bekehrt und setze "Sekiro" in meinem internen Fanboy-Ranking sogar noch vor "Bloodborne", das für mich auf einem gemütlichen zweiten Platz sitzt – selbstverständlich hinter dem ersten "Dark Souls".
Aber lichterloh brennen wie ein Bonfire, das mir immer ein Hoffnungsschimmer war, auch und gerade in den dunkelsten Zeiten – das werde ich für "Sekiro" vielleicht nie.