Am 21. November startet "Doctor Sleeps Erwachen" im Kino. Sagt Dir nix? Sollte es aber – immerhin handelt es sich um das offizielle Sequel zum Horror-Meisterwerk "The Shining". Stephen King selber hat die Romanvorlage geschrieben, auf der der Film basiert. Wir blicken zurück auf einen absoluten Klassiker – und die komplizierte Geschichte dahinter.
- Die Grundlagen: Was ist "Doctor Sleeps Erwachen" überhaupt?
- "The Shining" von 1980: Die Version, die Stephen King hasst
- Warum Stephen King diese Version nicht mag
- Zu viel gedacht, zu wenig gefühlt
- "The Shining" von 1997: Die Version, die Fans hassen
- Was bei Kubrick fehlte: Herz und Seele
- Und alles führt zu "Doctor Sleeps Erwachen"
Die Grundlagen: Was ist "Doctor Sleeps Erwachen" überhaupt?
"Doctor Sleeps Erwachen" ist die Fortsetzung zu Stephen Kings Horror-Klassiker "The Shining". Das Buch hat er 1977 geschrieben, 1980 kam dann die Verfilmung von Stanley Kubrick in die Kinos. Und die ist schon längst eine Legende und hat Einzug ins popkulturelle Bewusstsein gehalten – das Bild vom irre grinsenden Jack Nicholson, der gerade mit der Axt eine Badezimmertür demoliert hat, ist weltberühmt geworden.
Nun geht die Geschichte also weiter. Wenn Du Dir nicht mehr ganz sicher bist, was in "The Shining" genau passiert ist und wie die Geschichte endete, bringen wir Dich hier noch mal kurz auf Stand. Aber Achtung: Die Sache ist ein bisschen verzwickter, als es zunächst scheint. Gehen wir es Schritt für Schritt durch.

"The Shining" von 1980: Die Version, die Stephen King hasst
Stanley Kubrick hat mit seiner "Shining"-Verfilmung zwar einen der besten Horrorfilme aller Zeiten geschaffen (zumindest nach Meinung vieler Kritiker), einer war aber ganz sicher kein Fan des Films: Stephen King. Er sah seinen sehr autobiografisch geprägten Roman völlig verzerrt dargestellt und machte aus seiner Abneigung gegenüber Kubricks Version nie einen Hehl.
Und man kann King seine Kritik nicht verdenken, denn Stanley Kubrick hat den Wesenskern der Geschichte grundlegend verändert.
In "The Shining" geht es um den Hobby-Schriftsteller Jack Torrance (gespielt von Jack Nicholson), der einen Job als Hausmeister in einem leer stehenden, eingeschneiten Hotel antritt. Zusammen mit seiner Frau Wendy und ihrem kleinen Sohn Danny überwintert er in dem düsteren Anwesen, in dem offenbar übernatürliche Kräfte am Werk sind: Der hellsichtige Danny hat Visionen von Blut und toten Mädchen, in Raum 237 haust eine sehr lebendige Wasserleiche und Jack tanzt in der Hotelbar mit Geistern, die nur er sieht. Jack wird immer paranoider und unberechenbarer. Irgendwann dreht er vollends durch: Er will seine Frau und seinen Sohn ermorden.
Wendy und Danny können dem gewalttätigen Jack gerade noch so entkommen. Jack erfriert im Irrgarten vor dem Hotel und wird selber ein Geist. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Es ist nicht ganz klar.

Warum Stephen King diese Version nicht mag
Kubricks "Shining" ist zwar ein toller Film, ihm fehlt aber völlig die emotionale Tiefe der Romanvorlage von Stephen King. Im Buch ist Jack Torrance ein trockener Alkoholiker, der sich bemüht, ein besserer Mensch zu sein und für seine Fehler der Vergangenheit geradezustehen. Er macht und hat Fehler, wie alle Menschen; im Grunde ist er aber ein netter Kerl, der den Kampf gegen seine inneren Dämonen verliert.
Als Stephen King "The Shining" schrieb, kämpfte er selber mit dem Alkohol und verarbeitete seine Krankheit kaum verholen in der Figur des Jack Torrance. Und der Alkohol ist es dann auch, der Jacks Untergang besiegelt: Die böse Macht, die das Overlook-Hotel heimsucht, bringt ihn mit perfiden Psychotricks wieder zum Saufen. Er ist nicht mehr er selbst, verfällt in alte Verhaltensmuster und kann dem Einfluss der Geister nichts mehr entgegensetzen, bis er sich in einem letzten heroischen Akt selber opfert. Eigentlich ist Jack Torrance der klassische Archetyp eines tragischen Helden.
Zumindest im Buch. Im Film dagegen ist Jack so ziemlich ab der ersten Einstellung irre, was selbstverständlich an der Interpretation der Figur durch Jack Nicholson liegt. Stephen King war überhaupt kein Fan davon, die Rolle Nicholson zu geben, der nur fünf Jahre zuvor im Drama "Einer flog über das Kuckucksnest" einen – genau – Insassen einer psychiatrischen Anstalt gespielt hat. Die fiebrige Anspannung, die sardonisch hochgezogenen Augenbrauen, das teuflische Grinsen: In "The Shining" spüren wir sofort, dass Jack Torrance ernsthaft 'ne Schraube locker hat. Was das exakte Gegenteil davon ist, wie Stephen King diese Figur angelegt hat.

Zu viel gedacht, zu wenig gefühlt
Und diese sehr "eigenwillige" Interpretation der Figuren zieht sich durch das gesamte Ensemble des Kubrick-Films. Statt einer blonden, selbstbewussten und durchaus starken Wendy Torrance sehen wir die schwarzhaarige, blasse Shelley Duvall, die von Anfang an wie ein verschüchtertes Mäuschen wirkt. Und aus dem niedlichen, blitzgescheiten Danny hat Kubrick ein vor sich hinstarrendes Gruselbalg gemacht, bei dem selbst Aiden Keller aus "The Ring" die Straßenseite wechseln würde.
So betrachten wir als Zuschauer von Kubricks "Shining"-Version das Geschehen mit der nüchternen, fast klinischen Distanz von Insektenforschern, die Ameisen beobachten. Wirklich nahe gehen uns die Figuren nie. Sie sind nur der Spielball einer dem Menschen innewohnenden Schlechtigkeit, die sie weder erkennen noch verstehen. Stanley Kubricks "The Shining" sei der Film eines Mannes, "der zu viel denkt und zu wenig fühlt", beklagte Stephen King.

Siebzehn Jahre später, also 1997, hat er sich als Drehbuchschreiber selber an eine Neufassung von "The Shining" gewagt. Und die ist bis heute höchst umstritten.
"The Shining" von 1997: Die Version, die Fans hassen
Zusammen mit King-Spezi Mick Garris, der 1994 bereits Stephen Kings Mega-Roman "The Stand" verfilmt hat, machte sich der Horrormeister 1997 an seine ganz eigene Version von "The Shining" fürs amerikanische Fernsehen. Als Drehbuchautor zeichnete er fürs Skript verantwortlich, außerdem hatte er beim Casting ein Wort mitzureden. Der gesamte Erfolg – oder Misserfolg – der TV-Fassung von "The Shining" lag also auf seinen Schultern. Und der Reaktion der Fans nach zu urteilen, ist er krachend gescheitert.
Das größte Problem des 1997-"Shinings" ist, dass es nun mal eine Miniserie fürs Fernsehen ist. Und die haben meist ein eher bescheidenes Budget, zumindest verglichen mit großen Kinofilmen. Hier gibt es also keine perfekt komponierten Einstellungen für die Ewigkeit, keinen Kubrick'schen Perfektionismus (legendär ist die Geschichte, wonach Kubrick seine Darstellerin Shelley Duvall einen Take 127-mal wiederholen ließ, was diese an den Rand eines Nervenzusammenbruchs brachte), kein großes Kino. Stattdessen Weichzeichner-Look, generischer Klimper-Soundtrack, Stars aus der zweiten Reihe: Daran muss man sich als Kenner der Kubrick-Version erst mal gewöhnen.

Was bei Kubrick fehlte: Herz und Seele
Aber der Spott über diese vermeintliche Billigfassung der Geschichte ist nicht ganz fair. Denn das TV-"Shining" hat genau das, was der Fassung von Kubrick fehlt: Herz und Seele. Hier sind die Torrences wirklich sympathisch normale Leute, die sich in einer schrecklichen Lage wiederfinden. Rebecca De Mornay hat als Wendy mehr zu tun, als nur mit großen Augen ihren Jack anzuglotzen und viel zu schreien.
Überhaupt, Jack: Den spielt diesmal der eher unbekannte Steven Weber, der zuletzt im Netflix-Horrorfilm "The Perfection" zu sehen war. Und natürlich hat er nicht das hypnotische Charisma und die Präsenz von Jack Nicholson. Dafür gibt er aber vor allem im Finale eine wirklich starke Performance. Sein langsames, schmerzhaftes Abdriften in den Wahnsinn entlädt sich in erschreckenden Gewaltausbrüchen, er wechselt scheinbar mühelos zwischen gequälter Seele und hochgefährlichem Gewalttäter. Er spielt sogar absolut überzeugend einen Betrunkenen (und frag mal einen Schauspieler, wie schwer das eigentlich ist). Und ja, ich gebe es zu: Als er sich von seinem Sohn Danny verabschiedet, in einem letzten Moment der Klarheit – da hatte ich feuchte Augen. Undenkbar in Kubricks Version.

Das Ende unterstreicht dann endgültig den strukturellen Unterschied zwischen den beiden Verfilmungen: Bei Kubrick steht das verfluchte Hotel am Ende noch, es hat sich eigentlich nichts verändert – das Böse war von Anfang an in Jack, der einen sinnlosen Tod stirbt. In der Version von Mick Garris und Stephen King sowie im Buch opfert sich Jack Torrance, um seine Familie zu retten – er verbrennt zusammen mit dem Overlook-Hotel. Das Hotel war wirklich von bösen Geistern heimgesucht. Und es brauchte einen letzten, großen Akt der Güte und der Liebe, um sie zu besiegen. Klingt auch nicht nach Kubrick, hm?
Ich kann jedem Fan von "The Shining" nur raten, der TV-Fassung zumindest eine Chance zu geben und sie als eigenständige Interpretation zu sehen statt als einen billigen Abklatsch des Kinofilms. Vielleicht wirst Du angenehm überrascht.

Und alles führt zu "Doctor Sleeps Erwachen"
Und nun geht die Geschichte endlich mit "Doctor Sleeps Erwachen" weiter. Danny Torrance (Ewan McGregor) ist mittlerweile erwachsen, kämpft wie sein verstorbener Vater mit Alkoholismus und nutzt seine hellseherische Gabe, das titelgebende Shining, um Sterbenden den Übergang in den Tod zu erleichtern. Doch als seltsame Energievampire erscheinen, die sich "Der Wahre Knoten" nennen, kann er seiner Vergangenheit nicht länger entfliegen.

Horror-Experte Mike Flanagan (u.a. "Spuk in Hill House", "Still", "Oculus") führt Regie, Stephen King persönlich zeigte sich auf Twitter begeistert: Freu Dich auf unsere Review bald hier bei TURN ON!