"Wolfenstein 2" im Test: Wird die kultige Shooter-Reihe alt?

Das "Regime" hat die USA im Griff. "Wolfenstein"-Held B.J. Blazkowicz schreitet zur Tat.
Das "Regime" hat die USA im Griff. "Wolfenstein"-Held B.J. Blazkowicz schreitet zur Tat. Bild: © Bethesda 2017

Im Ego-Shooter "Wolfenstein 2: The New Colossus" macht sich B.J. Blazkowicz zur Befreiung der USA vom "Regime" auf. Dabei wechseln sich Ballerorgien in linearen Levels mit irrwitzigen Story-Videos ab. Im Test haben wir den neuen Ego-Shooter durchgespielt und geprüft, ob das "Wolfenstein"-Rezept auch diesmal aufgeht.

Story: USA vom Regime befreien

Die Ein-Mann-Armee B.J. Blazkowicz erwacht nach seinem Sieg über General Totenkopf in "The New Order" schwer verletzt im U-Boot Hammerfaust. Das vom Widerstand gekaperte U-Boot wird von den Truppen des Regimes angegriffen und so rollt Blazkowicz mit seinem Rollstuhl und gezückten Waffen los, um die Hammerfaust zu befreien. Anschließend macht sich die Widerstandsgruppe auf den Weg durch die USA des Jahres 1961, um dort die neue Regierung, das finstere Regime, in die Knie zu zwingen.

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Das "Regime" hat die USA unterworfen – das muss sich ändern. Bild: © Bethesda 2017

Die Tochter der Oberschurkin Frau Engel, die gutmütige Sigrun Engel, schlägt sich auf B.J.s Seite. Der Widerstand bekommt auch in den USA Unterstützung, nämlich durch eine an die "Black Panthers" erinnernde Gruppe afroamerikanischer Aktivisten sowie später durch eine kommunistische Splitterorganisation. Derweil schließt sich der Ku-Klux-Klan dem Regime an und jemand aus B.J.s Verwandtschaft ist der Auffassung, das nationalsozialistische Regime würde seine "christlichen" Werte vertreten.

Die früheren "Wolfenstein"-Spiele setzten auf eine in sich geschlossene fiktive Welt, in der es das "Regime", alias die Nazis, zu bekämpfen galt. Das ist in "The New Colossus" anders: Unterwegs kannst Du in der Rolle von Blazkowicz Propagandamaterialien des Regimes lesen, von denen einige wenig subtile Anspielungen auf die Präsidentschaft Donald Trumps enthalten. Mit solchen politischen Kommentaren zu aktuellen Geschehnissen verlässt das Game den erfrischenden pseudo-historischen Eskapismus, der die Vorgänger ausmachte.

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Die gutmütige Sigrun Engel wendet sich vom brutalen Regime ab und schließt sich dem Widerstand an. Bild: © Bethesda 2017

Auch der Humor funktioniert nicht mehr so gut wie bei den Vorgängern. So kommentiert Blazkowicz das Geschehen wie ein deprimierter, sterbender Mann, während er zugleich unaufhaltsam Regime-Horden ausschaltet, als ginge es ihm wunderbar. Was seine Krankheit angeht, dürfen sich die Spieler auf eine haarsträubende Wendung gefasst machen, die B.J.s langem, ernsthaftem Nachsinnen über den Tod nicht gerecht werden kann.

Derweil wird die grotesk-witzige Handlung durch traurige und ernsthafte Erinnerungen an Blazkowiczs Kindheit und seinen grausamen Vater unterbrochen, die vom Ton her so gar nicht hineinpassen wollen. Die Story-Videos sind für einen Action-Shooter regelmäßig zu lang und die Charaktere sind, abgesehen von der witzigen Sigrun, kaum näher ausgeführt. Andere Figuren, allen voran B.J. selbst, überzeugen aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit nicht. Auf der Habenseite stehen dafür einige gelungene Späße wie Sigruns Affäre mit Bombate.

Urteil: Das neue "Wolfenstein" bricht durch zeitgenössische politische Kommentare, deprimierende Flashbacks, allzu lange Videoclips und größtenteils flache oder widersprüchliche Charaktere mit dem irrwitzigen Eskapismus der Serie. Das Ergebnis wirkt stilistisch unentschlossen, aber einige amüsante Momente sorgen für Auflockerung.

Gameplay: Superschweres Ballern durch Schlauchlevels

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Das neue "Wolfenstein" spart nicht an Brutalität. Bild: © Behesda 2017

Das Gameplay von "Wolfenstein 2: The New Colossus" besteht aus Ballern, Schleichen und Waffen aufrüsten. Nur der niedrigste von sieben Schwierigkeitsgraden kann dabei wirklich als einfach durchgehen und alle anderen Schwierigkeitsgrade sind eher als schwierig denn als normal einzustufen. Sterben gehört hier zum Alltag. Dazu kommen einige Passagen, in denen der Schwierigkeitsgrad im Vergleich zum Durchschnitt noch einmal deutlich ansteigt. Im Gegensatz zum Vorgänger "The New Order" muss die Balance des Shooters daher als unausgewogen gelten.

Unterwegs sammelst du Materialien für das Aufrüsten Deiner Waffen ein, die so immer mächtiger werden. Lineare Schlauchlevel sind nichts Neues für die Serie und ob Du sie magst oder eher eine offene Welt bevorzugst, ist sicher Geschmackssache. Allerdings waren die Schlauchlevel im Vorgänger länger und übersichtlicher. In "The New Colossus" musst Du gelegentlich einen Blick auf die Levelkarte riskieren, um nicht die Orientierung zu verlieren.

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Die Atmosphäre der verschiedenen Levels wie New Orleans ist gut gelungen. Bild: © Bethesda 2017

Ohne Ballern – vom Schießstand einmal abgesehen – kommst Du derweil im Level-Hub aus, dem U-Boot Hammerfaust. Dort lauschst Du witzigen Gesprächen der Widerstandsmitglieder oder erfüllst kleine Aufträge für sie – etwa ein Schwein füttern. Auch bekommst Du dort Zugriff auf die Enigma-Maschine, mit der Du durch ein Mini-Spiel Attentäter-Missionen in bereits bekannten Levels freischaltest.

Fazit: Die Balance ist leider unausgewogen – alle Schwierigkeitsgrade bis auf einen führen auch bei geübten Spielern zu zahlreichen Bildschirm-Toden. Der einfache Schwierigkeitsgrad ist dafür schon zu einfach. Die Schlauchlevel fallen manchmal etwas unübersichtlich aus, Ballern, Schleichen und Waffen aufrüsten funktionieren aber größtenteils gut.

Präsentation: Weitgehend gelungen

In der getesteten Version für Xbox One S läuft das Spiel schnell und flüssig zwischen 50 und 60 FPS, wobei es, an den Möglichkeiten der Konsole bemessen, sehr gut aussieht. Gelungen ist auch die Atmosphäre in den unterschiedlichen Levels, etwa im U-Boot oder in New Orleans mit seiner stilvollen Straßenbeleuchtung.

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Stärkere Gegner nimmst Du am besten mit einem stationären Geschütz auseinander. Bild: © Bethesda 2017

Die Gesichter und ihre Animationen sind hingegen nicht allzu detailliert ausgefallen und die Waffen klingen eher gedämpft. Die deutsche Vertonung wurde dafür hervorragend umgesetzt. Auch der Ersatz der direkten Nazi-Bezüge, die aus rechtlichen Gründen aus der deutschen Fassung entfernt werden mussten, hält sich weitgehend in erträglichem Rahmen.

Fazit: Nicht mehr ganz taufrisch

Der Ego-Shooter-Vater "Wolfenstein" ist nicht so gut gealtert, wie es sich viele Fans wohl gewünscht hätten. In den Vorgängern ging es um das Schießen auf böse Nazis – in der deutschen Version auf Regime-Truppen – und dabei wurde die Nazi-Ideologie mit sarkastischem Witz durch den Kakao gezogen. Vor allem die wirre Okkult-Esoterik von Heinrich Himmler diente dabei als Vorlage für abwechslungsreiche und witzige Ballerorgien. "The New Colossus" hingegen verlässt die isolierte Pseudo-Historie gelegentlich, um die heutige politische Lage zu kommentieren. Dabei kämpfst Du auf der Seite von Kommunisten gegen das Regime – wenn das mal gut ausgeht. Irritierend wirkt zudem, wie sich ein ernsthafter Ton und tragische Geschehnisse mit Slapstick-B-Movie-Szenen abwechseln.

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Die Kommandanten schaltest Du am besten zuerst aus, sonst schlagen sie Alarm. Bild: © Bethesda 2017

Die Atmosphäre in den Levels, die großartige deutsche Sprachausgabe und die stilvoll umgesetzten Settings wissen hingegen zu überzeugen, aber der Schwierigkeitsgrad fällt unausgewogen aus. Insgesamt setzte die Erweiterung zum Vorgänger namens "The Old Blood" das "Wolfenstein"-Rezept überzeugender um: Hier bist Du im Zweiten Weltkrieg auf Burg Wolfenstein unterwegs, wo die Nazis vergleichsweise gut aufgehoben waren – und dort hat es auch am meisten Spaß gemacht, sie wegzuballern.

Angebot
Wolfenstein 2: The New Colossus
Wolfenstein 2: The New Colossus
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Release-Datum
    27. Oktober 2017, tbd 2018 (Nintendo Switch)
  • Genre
    Ego-Shooter
  • Plattform
    PC, PS4, Xbox One, Nintendo Switch
  • Publisher
    Bethesda Softworks
  • Entwickler
    Machine Games
  • USK
    tbd
TURN ON Score:
3,5von 5
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