Highlight

Zum Jubiläum von "The Big Lebowski": Wie der Dude Kult wurde

Ein White Russian am Morgen vertreibt beim Dude Kummer und Sorgen!
Ein White Russian am Morgen vertreibt beim Dude Kummer und Sorgen! Bild: © Facebook/BigLebowskiMovie 2016

An den Kinokassen geriet "The Big Lebowski" 1998 zum Beinahe-Flop. Zwei Jahrzehnte später hat der Dude nicht nur eine treue Fangemeinde, sondern auch seine eigene Religion, sein eigenes Festival und Bars in aller Welt. Wie konnte es so weit kommen? Wir werfen den Bademantel über, mischen uns einen White Russian und blicken zurück auf 20 Jahre Lebowski-Kult.

Kaum etwas ist für Filmfans so frustrierend wie der Satz "Du musst ihn mehrmals gucken!" Man hört ihn typischerweise von einem guten Freund und hat sich typischerweise gerade auf Empfehlung dieses guten Freundes einen "Wahnsinns-Film" angesehen, wenig bis nichts verstanden und äußerst wenig Interesse, dem Machwerk noch eine zweite Chance zu geben. Oder eine dritte.

Oder gar so viele, wie es braucht, bis man "The Big Lebowski" vollends verstanden hat und damit zu bekehrten Jüngern seiner Dudeheit zu werden.

Ein wilder Trip über unbedeutende Handlungswege

Die Geschichte von Jeffrey "Der Dude" Lebowski, der eigentlich nur seinen das Zimmer gemütlich machenden Teppich zurückhaben will und in der Folge hilflos durch einen absurden Strudel aus Verwechslungen, Wutausbrüchen, drogeninduzierten Halluzinationen und Obszönitäten stolpert, ist Kult mit Ansage. Im Veröffentlichungsjahr 1998 sagten die Coen-Brüder gegenüber Indiewire über ihren Film: "Er sollte sich episodisch bewegen und über die Charakterzeichnung ein Geheimnis entschlüsseln. Außerdem sollte er einen hoffnungslos komplexen Plot haben, der letztlich völlig unbedeutend ist".

Ein Kult ist eine verschworene Gemeinschaft, die sich durch geteiltes Insider-Wissen auszeichnet. Das Verständnis für die verschlungenen Erzählpfade von "The Big Lebowski" ist genau das: Geheimwissen, das die weltweite Gemeinde der Lebowski-Jünger zusammenhält. Es gibt heute Freundeskreise, die sich quasi ausschließlich über pseudo-philosophische Weisheiten aus dem ungemein zitierfähigen Drehbuch verständigen – und bei jedem weiteren Durchlauf neue hintergründige Scherze und Anspielungen entdecken.

Natürlich ist das aber nur ein Teil der Erklärung, warum diese Komödie mit anfangs mäßigen Einspielergebnissen (die vor allem außerhalb der USA allerdings nicht so schlecht waren, wie es gern dargestellt wird) zum festen Teil des modernen Film-Kanons werden konnte. Tatsächlich strotzt "The Big Lebowski" nur so vor Merkmalen, die ihn aus der Masse hervorheben.

Jede Figur ein Klassiker

Da wären zum Beispiel die Charaktere, die bis zur kleinsten Nebenrolle völlig skurril gezeichnet sind. Der Dude ist als maximal entspannter Slacker im Grunde der einzige normale in einer Welt voller noch schrägerer Vögel. Sein übernervöser Kumpel Walter Sobchak hat Vietnam nie ganz verlassen und dazu eine ganze Reihe bedenklicher Ticks. Bowling-Kollege Donny ist so begriffsstutzig, dass das Zusehen wehtut und tut einem zugleich mit jeder Szene mehr leid. Die fiesen Nihilisten sind wandelnde Nazi-Klischees, Kraftwerk-Hommage und tölpelige Dalton-Bande in einem.

Der Dude (Jeff Bridges), Wlater (John Goodman) und Donny (Steve Buscemi) bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: Bowling. fullscreen
Der Dude (Jeff Bridges), Walter (John Goodman) und Donny (Steve Buscemi) bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: Bowling. Bild: © picture alliance/United Archives 2017

Selbst nur in ein oder zwei Szenen überhaupt auftauchende Figuren wie der Eagles-hassende Taxifahrer, der jähzornige Sheriff in Malibu, Jeffrey Lebowskis ausdruckstanzender Vermieter, ein zum Schluss aus dem Nichts auftauchender Privatdetektiv oder der penetrant kichernde Freund von Maude Lebowski bleiben in Erinnerung – das muss ein Film erst einmal hinbekommen.

Bademantel, White Russian, Sonnenbrille – Jede Requisite ein Kultobjekt

Sofortigen Wiedererkennungswert haben auch die Kostüme: Jeffrey Lebowskis Bademantel-Sonnenbrille-Outfit. Walters Funktionsweste-kurze-Hose-Kombi. Maude Lebowskis Bowlingkugel-Bikini. Der Cowboy-Look des "Fremden", der als allwissender Erzähler durch den Film führt. Und natürlich: Jesus Quintanas knallvioletter Trainingsanzug.

Wer sich jetzt noch vor Augen führt, dass selbst winzige Requisiten wie eine Tüte Milch, eine zur Urne umfunktionierte Kaffee-Dose oder der allgegenwärtige White Russian im Kontext von "The Big Lebowski" Kultobjekte sind, wundert sich kaum noch über die vielfältigen Wege, auf denen sich der Film und seine Figuren in den vergangenen zwei Jahrzehnten in die Popkultur geschlichen haben.

Von der Leinwand in die ganze Welt

Es gibt Bars mit "The Big Lebowski"-Thema rund um den Globus – von Paris über Athen, San Antonio in Texas und die isländische Hauptstadt Reykjavik bis Dresden und Bamberg. Und warum auch nicht? Ein White Russian lässt sich in unzähligen Varianten anrichten, die Speisekarte profitiert vom Zitatschatz des Drehbuchs, gute Musik hält der Filmsoundtrack auch bereit und ein Design-Mix aus Neon, Bowlingbahn und Dude-hafter Gemütlichkeit steht jeder Kneipe gut zu Gesicht.

Wer es mit der Leidenschaft weiter treiben will als bis zum Feierabend-Absacker, für den gibt es das Lebowski Fest – ein zweitägiges Festival, das seit 2002 jährlich in verschiedenen US-amerikanischen Städten stattfindet. Anfang Dezember feiern die Dude-Jünger in diesem Jahr den 20. Geburtstag ihres Lieblingsfilms in New York – mit Kostümen, einem Quiz, einer Ausstellung von Storyboard-Künstler JTodd Anderson, einer Burlesque-Show und (natürlich) einer Filmvorführung und Bowling bis zum Abwinken. In den vergangenen Jahren ließen sich hier auch immer mal wieder die Hauptdarsteller als Stargäste blicken.

Selbst eine eigene Religion ist Jeffrey Lebowski gewidmet: Der "Dudeismus" erhebt die maximale Entspanntheit des Alt-Hippies seit 2005 zur Philosophie, feiert die kleinen Freuden des Lebens (zum Beispiel Bowling) als Weg zum Glück und balanciert unbeirrt auf dem schmalen Grat zwischen Parodie und ernsthafter Lebenseinstellung. Über 450.000 Priester seiner Dudeheit gibt es laut der offiziellen Website. In Teilen der USA sind sogar von ihnen besiegelte Ehen legal.

Der Dude packt das – jetzt und in Zukunft

Was würde der Dude wohl zu so viel Trubel sagen? Sicherlich wäre er geschmeichelt, vermutlich aber auch ein bisschen überfordert. Zu einem Priesterposten in seiner eigenen Kirche würde er wohl nicht Nein sagen, das Amt dann aber aus Nachlässigkeit schleifen lassen und ihm damit umso gerechter werden.

Generell würde er sich vom Ruhm nicht allzu sehr beeindrucken lassen: Er würde beim Bowlen weiterhin eine ruhige Kugel schieben, badend Walgesänge hören, White Russians trinken und die nächsten 20 Jahre lang unnachahmlich lässig in den Tag hinein leben. Angst um seinen Kultstatus? Hätte er nicht – musste er ja in den letzten zwei Jahrzehnten auch nicht haben.

Kurz gesagt: Der Dude packt das.

Angebot
Es hat fünf Durchläufe gebraucht, bis ich den Irrungen von "The Big Lebowski" komplett folgen konnte. Jede Minute hat sich gelohnt – aber das ist natürlich nur meine Meinung, Mann.
Kommentar schreiben
Relevante Themen:

Neueste Artikel bei Primetime

close
Bitte Suchbegriff eingeben