Zur cineastischen Entschleunigung: Alle Filme von Jim Jarmusch

Als Vampire wie in "Only Lovers Left Alive" hat man eine Ewigkeit Zeit zum Nichtstun.
Als Vampire wie in "Only Lovers Left Alive" hat man eine Ewigkeit Zeit zum Nichtstun. Bild: © Pandora/Gordon Photography, SMPSP 2018

Wer sich auch im Filmregal etwas Entschleunigung wünscht, sollte sich das eine oder andere Werk von Jim Jarmusch zu Gemüte führen. Der Independent-Filmemacher ist ein Meister der leisen Töne. Jarmuschs Schwerpunkt liegt dabei auf Figuren und Stimmungen statt auf spannungsreichen Plots. Minimalismus wird hier auf ganzer Linie großgeschrieben.

Alle seine Werke, in denen oft das Aufeinandertreffen von Außenseitern thematisiert wird, sind wahre Autorenfilme. Das bedeutet, dass sämtliche künstlerischen Aspekte des Filmes unter Jarmuschs Kontrolle bleiben: Von Drehbuch über Auswahl der Darsteller – er greift immer wieder auf dieselben zurück – bis zu Regie und Postproduktion.

Selbst die Filmmusik gibt das Allround-Talent nicht aus der Hand, sondern arbeitet dafür eng mit befreundeten Musikern zusammen. Alle 13 Jim-Jarmusch-Filme von seinem Erstling "Permanent Vacation" von 1980 bis zu seinem jüngsten Film "The Dead Don't Die" von 2019 findest Du hier in einer Liste.

(Kurzfilme und Dokumentationen wurden ausgeklammert.)

"Permanent Vacation" (1980)

Sein Universitätsabschlussprojekt "Permanent Vacation" ist Jim Jarmuschs erster Langfilm. In ihm steht der heimatlose 16-jährige Allie im Zentrum. Von Vater und Mutter verlassen, treibt es ihn durch ein düsteres New York, wo er hier und dort kuriose Bekannte trifft, seine Einsamkeit jedoch nicht abzuschütteln vermag. "Permanent Vacation" enthält schon essenzielle Zutaten eines klassischen Jarmusch-Films.

"Stranger Than Paradise" (1984)

Ein ähnliches Setting hat sein offizielles Spielfilmdebüt "Stranger Than Paradise", in dem der New Yorker Hipster Willie Besuch von seiner ungarischen Cousine Eva bekommt und mit ihr und seinem Kumpel Eddie viel Zeit verbringt. Auch wenn in "Stranger Than Paradise" nicht viel passiert, wachsen einem die Figuren an Herz. Dafür gab es 1984 in Cannes die Goldene Kamera für den besten Debütfilm.

"Down by Law" (1986)

Mit dem Nachfolger "Down by Law" begibt sich Jarmusch in das Verbrecher-Milieu. Drei Fremde in einer Gefängniszelle: der Zuhälter Jack (John Lurie), der Radio-DJ Zack (Tom Waits) – die beide gleich aneinandergeraten – und schließlich der redselige Italiener Roberto (Roberto Benigni). Bald planen sie gemeinsam ihre Flucht.

"Mystery Train" (1989)

In drei Episoden erzählt "Mystery Train" von verschiedenen Menschen, die eine Nacht im Hotel Arcade in Memphis verbringen: Von dem japanischen Touristenpärchen Jun und Mitsuko über Dee Dee, die sich ein Zimmer mit einer italienischen Witwe teilt, bis hin zu Johnny, der die Nacht allein totschlagen muss.

"Night on Earth" (1991)

Das episodenhafte Erzählen ist eine Spezialität von Jarmusch, der er auch in "Night on Earth" treu bleibt. Zwar sind die Schauplätze seiner Filme meist sehr begrenzt, in diesem Fall führt uns der Film jedoch an fünf internationale Orte, genauer gesagt in Taxis in Los Angeles, New York, Paris, Rom und Helsinki. Doch das Zusammenspiel von Fahrer und Gästen gleicht sich weltweit.

"Dead Man" (1995)

Mit "Dead Man" wagte sich Jarmusch an seinen ersten Western, den er – wie viele seiner Filme – in schwarz-weiß drehte. Der junge William Blake (Johnny Depp) reist 1876 in den amerikanischen Westen, um eine Stelle als Buchhalter anzutreten. Nach einem Techtelmechtel mit einer ehemaligen Prostituierten fängt er sich eine Kugel ein und ist fortan auf der Flucht. Sein Glück ist, dass der ausgestoßene Indianer Nobody (Gary Farmer) ihn unter seine Fittiche nimmt.

"Ghost Dog – Der Weg des Samurai" (1999)

Auch in "Ghost Dog" steht ein Außenseiter im Fokus des Geschehens. Der introvertierte Auftragskiller Ghost Dog (Forest Whitaker) lebt nach dem Verhaltenskodex der Samurai und erledigt Aufträge für den Mafiosi Louie. Doch als er einen in Ungnade gefallenen Handlanger der Firma beseitigen soll, da er mit der Tochter des Mafiabosses angebandelt hat, kommt es zu Komplikationen – und Ghost Dog wird selbst zum Gejagten.

"Coffee and Cigarettes" (2003)

Vieles, was in Jim-Jarmusch-Filmen passiert, könnte sich auch bei einem Kaffee und einer Zigarette zutragen. Im Episodenfilm "Coffee and Cigarettes" wird das zum Handlungsprinzip erhoben. In elf Geschichten führen schrullige Figuren mehr oder weniger tiefgründige Gespräche bei dieser Beschäftigung. Jarmusch konnte dafür Stars wie Cate Blanchett, Steve Buscemi und Iggy Pop gewinnen.

"Broken Flowers" (2005)

Ebenso wie Wes Anderson arbeitet Jarmusch wiederholt mit Kult-Schauspieler Bill Murray zusammen. So auch in "Broken Flowers", in dem Murray einen alternden Frauenhelden spielt, der über den Brief einer Verflossenen von der Existenz seines erwachsenen Sohnes in Kenntnis gesetzt wird. Da er nicht genau weiß, wer die Mutter seines Nachwuchses ist, klappert er auf einem Roadtrip seine ehemaligen Freundinnen ab.

"The Limits of Control" (2009)

In "The Limits of Control" lässt Jarmusch die amerikanische Heimat hinter sich und schickt seinen Darsteller Isaac de Bankolé auf eine Reise durch Spanien. Als stiller namenloser Mann macht er sich auf den Weg zu einem dem Zuschauer unbekannten Ziel und tauscht unterwegs mysteriöse Streichholzschachteln mit Fremden aus. In diesen verbergen sich kleine Zettel, die er nach dem Lesen schluckt. Darüber hinaus interagiert er mit niemandem.

"Only Lovers Left Alive" (2013)

War der Vampir-Film lange Zeit von Teeniefilmen in Beschlag genommen worden, zeigt Jarmusch mit "Only Lovers Left Alive", dass abseits von glitzernden Untoten noch frisches Blut in dem Genre steckt. Jarmusch erzählt die Jahrhunderte währende Liebesgeschichte zwischen dem Vampir und Rock-Musiker Adam (Tom Hiddleston) und seiner großen Liebe Eve (Tilda Swinton). Als sie ihn nach einer langen Abwesenheit in Detroit besucht, ist die Wiedersehensfreude groß – Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska) zerstört die Idylle jedoch schnell.

"Paterson" (2016)

Zum Glück für Fans kommt durchschnittlich alle drei Jahre ein neuer Jim-Jarmusch-Film heraus. Zuletzt hatte "Star Wars: Die letzten Jedi"-Star Adam Driver in "Paterson" die Ehre, mit dem Ausnahme-Filmemacher arbeiten zu dürfen. Er spielt die Titelfigur, einen Gedichte schreibenden Busfahrer, der mit seiner kreativen Frau und der gemeinsamen englischen Bulldogge ein von Routine bestimmtes Leben führt. Der Film begleitet Paterson für eine Woche.

"The Dead Don't Die" (2019)

Mit "The Dead Don't Die" widmet sich Jarmusch einem Zombie-Comedyfilm, in dem er erneut mit Adam Driver, Bill Murray und Tilda Swinton zusammenarbeitet. Außerdem gehören Daniel Craig, Chloë Sevigny, Selena Gomez und Danny Glover zum illustren Cast.

Driver und Murray arbeiten im verschlafenen Örtchen Centerville als Cops – als plötzlich die Zombie-Apokalypse ausbricht und alles auf den Kopf stellt. Mit Gemächlichkeit und ohne jede Hektik nehmen sich die beiden Cops der Ausnahmesituation an.

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