"Alles wird besser", das war das große Versprechen, mit dem Showrunner Angela Kang ihren Dienst bei "The Walking Dead" in diesem Jahr angetreten hat. Doch konnte Staffel 9 wirklich liefern? Ich finde, zur Winterpause bietet sich die perfekte Gelegenheit für ein Zwischenfazit.
- Nur nicht weiter Schema F
- Staffel 9 glänzt mit frischen Ideen
- Rick ist nicht die einzige Figur mit Führungsqualitäten
- Wir müssen über Negan reden
- Die Whisperers, endlich!
- Fazit: Ein ziemlich vielversprechender Kurswechsel
Nur nicht weiter Schema F
Nach zwei Staffeln im Zeichen der Saviors war für viele Fans von "The Walking Dead" endgültig die Luft raus. Die immer stärker fallenden Zuschauerzahlen legten davon mehr als eindrucksvoll Zeugnis ab. Kein Wunder, immerhin fühlte es sich (selbst für mich) tatsächlich so an, als würden die Macher nur noch Schema F abarbeiten. Und den über die Jahre lieb gewonnenen Figuren beim Dauerleiden zuzusehen, machte das Ganze nicht wirklich besser. Selbst der offene Krieg gegen die Saviors konnte das nur wenig verbessern.
Die Schuld an der ganzen Misere suchten viele Zuschauer verständlicherweise bei Showrunner Scott M. Gimple. Daher war die Erleichterung groß, als dieser nach Staffel 8 "wegbefördert" wurde. Seine Nachfolgerin Angela Kang versprach Besserung – und dank mehrjähriger Erfahrung an Bord der Serie brachte sie dafür grundsätzlich auch die nötige Erfahrung mit. Vorsichtiger Optimismus war also durchaus angebracht.

Staffel 9 glänzt mit frischen Ideen
Dachte ich mir zumindest und wartete gespannt auf Episode 1 von Staffel 9. Die war passenderweise mit "Ein neuer Anfang" betitelt und hat mich tatsächlich positiv überrascht. Und das, obwohl dank des ersten Zeitsprungs einige Informationen zur Handlung nachgeliefert werden mussten. Was dazu führte, dass vor allem zu Beginn der neuen Staffel die Action deutlich hinter den Erklärungen zurückstehen musste.
Trotzdem haben aus meiner Sicht in Staffel 9 von Beginn an die frischen Ideen deutlich überwogen. Wie Angela Kang in der ersten Folge etwa die evolutionäre Position der Beißer ganz am Rande angedeutet hat, ist ein Easter Egg, das ich bis heute feiere. Und es ist längst nicht das einzige Beispiel für gutes und intelligentes Storytelling, das wir in den bisherigen Episoden zu sehen bekommen haben.
Überhaupt setzt Kang als neuer Showrunner eindeutig auf mitdenkende Zuschauer, denn sämtliche Informationen zur übersprungenen Zeit gab's bisher nur durch die Blume. Das gilt auch mit Blick auf den zweiten Zeitsprung, der die Handlung in Episode 6 mal eben ganze sechs Jahre in die Zukunft beförderte.

Rick ist nicht die einzige Figur mit Führungsqualitäten
Hier muss ich zugeben, dass es langsam tatsächlich etwas anstrengend wird, sich alle Informationen zusammenklauben zu müssen. Doch mit Blick auf die Handlung war der Sprung nach vorne die einzig richtige Entscheidung, um einen inhaltlichen Cut zur Ära Rick Grimes zu setzen. Und – ohne unsensibel klingen zu wollen – Tränen und Trauerbewältigung haben wir in den vergangenen Staffeln bereits zur Genüge gesehen.
Daumen hoch also für Angela Kang. Die hat es auch vor dem großen Zeitsprung bereits verstanden, den Fokus unauffällig weg von Rick und hin zu den anderen Figuren zu lenken. Wo beinahe jede andere Charakterentwicklung in den vergangenen Staffeln zugunsten des Hahnenkampfes Rick vs. Negan (gefühlt) zurückstehen musste, kommen in Staffel 9 endlich auch Maggie, Daryl, Carol und Co. wieder mehr zum Zuge.
Es zeigt sich: Auch ohne Rick bricht in Alexandria nicht alles zusammen, Michonne wuppt die (wenn auch zum Teil etwas ungeliebte) Aufgabe selbst vor dem Serien-Aus ihres Liebsten bestens. Auf dem Hilltop tritt Maggie deutlich gestärkt auf. Und auch die anderen Figuren sorgen jede für sich dafür, dass die Handlung von "The Walking Dead" in diesem Jahr deutlich gleichmäßiger verteilt erscheint. Mit Henry, Judith, Enid und Co. kommt sogar eine ganz neue Generation an Überlebenden verstärkt ins Spiel.

Wir müssen über Negan reden
Mit "andere Figuren" meine ich übrigens tatsächlich auch Negan, den Kang bisher erfreulich zurückhaltend eingesetzt hat. So erfahren wir zu Beginn von Staffel 9 zwar, dass der Ex-Oberbösewicht nach wie vor in seiner Einzelzelle schmort, doch abgesehen davon ist die von Jeffrey Dean Morgan verkörperte Figur kaum ein Thema.
Wenn man von wenigen gezielten Auftritten absieht, die zugleich eine andere Figur in ihrer Entwicklung voranbringen. Ich denke hier vor allem auch an Maggies beinahe-Attentat auf den Mörder ihres Mannes. Aber auch an Ricks Gespräche mit seinem früheren Gegner. Nicht zu vergessen Judith' Mathestunden nach dem zweiten Zeitsprung.
Für viele Zuschauer dürfte es zudem ein kleines Fest gewesen sein, den zuvor so über-selbstbewussten Obersavior nach den ersten 18 Monaten in seiner Zelle derart am Boden zu erleben. Zumindest ich habe ihm diesen Dämpfer von ganzem Herzen gegönnt und bin gespannt, ob Kang nach dem eher unspektakulären Ausbruch im Midseason-Finale tatsächlich die Wende zum Antihelden vollführt, die Robert Kirkman in den Comics längst ausgelebt hat.

Die Whisperers, endlich!
Gut gebrauchen könnten die Überlebenden einen solchen Twist durchaus. Denn nachdem sie lange nur angedeutet wurden, hat das Midseason-Finale endlich auch die von mir so heiß erwarteten Whisperers auf die Welt von "The Walking Dead" losgelassen.
Sollte Episode 8 tatsächlich als Beispiel für das stehen, was uns in der zweiten Hälfte von Staffel 9 erwartet, wäre das zudem gleich doppelt Grund zur Freude. Zwar stellten auch die übrigen Folgen der aktuellen Season bisher ganz klar eine deutliche Verbesserung zu den letzten Staffeln dar. Doch vor allem in "Geflüster", findet Kang nicht nur ein hervorragendes Gleichgewicht zwischen Informationsvermittlung und Action, sondern trifft auch den richtigen Ton.

Fazit: Ein ziemlich vielversprechender Kurswechsel
Staffel 9 von "The Walking Dead" entwickelt sich langsam aber sicher zur besten Season seit einiger Zeit. Nicht nur, dass die neuen Episoden unter Showrunner Angela Kang sich durch frische Ideen, ein treffsicheres Storytelling und deutlich mehr Raum für Charakterentwicklung auszeichnen. Auch die Spannung profitiert deutlich von der Neuformatierung in den Reihen der Serien-Macher.
Zwar haben auch die einzelnen Folgen der neuen Staffel so ihre kleinen Schwächen – ich denke hier vor allem an die teils etwas zähe Informationsvermittlung durch die Blume – doch insgesamt befindet sich "The Walking Dead" endlich wieder auf dem aufsteigenden Ast.