Das "Until Dawn"-Prequel "The Inpatient" möchte PlayStation-VR-Nutzern Angst einjagen. Als Patient mit Amnesie ergründet der Spieler, wer er ist und was es mit den mysteriösen Geschehnissen in einer Nervenanstalt auf sich hat. Im Test haben wir geprüft, ob "The Inpatient" als Virtual-Reality-Ausflug für Horror-Freunde überzeugen kann.
Präsentation: Feinste VR-Grafik trifft auf mitreißende Soundkulisse
Grafisch gehört "The Inpatient" zu den besten Games für die PlayStation VR. Die Charaktere wirken sehr lebensecht und die Grusel-Atmosphäre packt den Spieler in jeder Szene. Originell ist das Psychiatrie-Szenario zwar nicht gerade, aber an der Umsetzung gibt es wenig zu bemängeln – abgesehen von ein paar Clipping-Fehlern sowie Kantenflimmern, die sich zum Teil durch einen Patch beheben ließen.

Der 3D-Sound ist derweil nichts weniger als atemberaubend. Auch mit einem Stereo-Kopfhörer lassen sich Stimmen und Geräusche im Raum genau orten. Die atmosphärisch passenden Klänge gelangen dynamisch und präzise an die verwöhnten Spielerohren. Eine überzeugendere Surround-Simulation als Sonys 3D-Sound ist mir nicht bekannt. Wer sich in den düsteren, beizeiten mit Leichen gepflasterten Anstaltsgängen mit ihren plötzlich auftauchenden Bewohnern nicht gelegentlich gruselt, den schockiert wahrscheinlich nichts mehr.
Gameplay: Sehr immersiv, auch dank Stimmerkennung
Der Spieler sieht sich in "The Inpatient" mit dem VR-Headset im Raum um und bestimmt so auch die Richtung, in die er gehen möchte. Das eigentliche Laufen funktioniert mit dem PS4-Controller oder bestenfalls mit den Move-Controllern. Dabei simuliert je ein Move-Controller außerdem eine Hand der Hauptfigur, aus deren Perspektive man das Geschehen betrachtet. Man fühlt sich insgesamt stark in das Spiel einbezogen. In einer Szene habe ich mit der Spielfigur ein Sandwich gegessen, das die freundliche Schwester in meine Zelle brachte, und mich dann tatsächlich gefragt, warum ich im echten Leben immer noch Hunger habe?

Das war noch nicht alles, denn "The Inpatient" bietet obendrein ein Stimmerkennungs-Feature. Der Spieler kann sich also mit den Charakteren im Spiel unterhalten. Die Stimme wird von der PlayStation Camera aufgezeichnet und dabei sehr gut erkannt. Zur Auswahl stehen zwar stets nur zwei mögliche Antworten, wovon der Spieler eine vorliest, aber die Immersion steigt durch das Feature dennoch beträchtlich. Es ist fantastisch, mit den Figuren im Spiel reden zu können und zu beobachten, wie sie passend auf die eigenen Aussagen reagieren. Dieses Feature wünsche ich mir in Zukunft für jedes dialoglastige Spiel, ob VR oder nicht.

Story: Wichtige Entscheidungen, aber brüchiger Handlungsverlauf
Den ersten Teil des Spiels erlebt man als Patient in einer Nervenheilanstalt. Man spricht mit dem Chefarzt, wird in einem Rollstuhl herumgefahren und redet dann mit seinem Zellenpartner über die erschreckenden Geräusche draußen. Hin und wieder erlebt man Erinnerungen an sein früheres Selbst vor dem Gedächtnisverlust und wandert durch albtraumhafte Visionen.

Schließlich kommt es zu einem merkwürdigen Bruch in der Handlung und das übrige Geschehen verläuft anders als bislang gewohnt. Der Spieler folgt nun einigen Mitgliedern des Psychiatrie-Personals durch die Anstalt und trifft dabei auf Monster und Polizisten. Das Spieltempo erhöht sich ab dem Bruch und die offenen, langsam entwickelten Fragen vom Anfang werden eher schnell abgetan als beantwortet. Vom Psycho-Thriller mutiert das Spiel zum Walking Simulator und dann zum Action-Horrorstreifen. Es kommt einem so vor, als wären die Entwickler auf einmal unter Zeitdruck geraten. Eine längere Spielzeit als die ungefähr 2,5 Stunden hätten "The Inpatient" dabei gut getan.

Im Spielverlauf muss man immer wieder Entscheidungen in Form der Antworten treffen, die man seinem jeweiligen Gesprächspartner mitteilt. Diese Antworten wirken sich zum Teil deutlich auf das Schicksal von Figuren im Spiel aus. Wenn der Spieler die falschen Entscheidungen trifft, sterben Menschen. Leider ist es oft nicht klar, welche Entscheidungen die Richtigen sind. Soll etwa die Schwester zuerst zur Kapelle laufen oder ich? In diesem Fall konnte ich kaum wissen, was mit ihr oder mit mir selbst geschehen würde, wenn ich die falsche Antwort gebe. Am Ende werde ich für den Tod von Menschen verantwortlich gemacht, ohne gewusst zu haben, dass ich ihn abwenden konnte.
Fazit: Gut, aber erschreckend kurz

In Sachen Gameplay und Präsentation macht "The Inpatient" fast alles richtig. Grafik und Steuerung sind gelungen, der 3D-Sound und die Stimmenerkennung fallen sogar überragend aus und verstärken die ohnehin hohe Immersion ins Spielgeschehen. Seinen Neupreis von 40 Euro ist das Spiel aber trotzdem nicht wert.
Das liegt vor allem an der kurzen Spielzeit von rund 2,5 Stunden, auch wenn aufgrund der Auswirkungen verschiedener Entscheidungen ein gewisser Wiederspielwert gegeben ist. Und es liegt am brüchigen Handlungsverlauf, der das Spiel unvermittelt vom Psycho-Thriller zum Walking Simulator und dann zum Action-Horrorstreifen verwandelt. Offene Fragen werden nicht wirklich befriedigend beantwortet, sondern schnell abgehakt oder beiseite geschoben.

Am Ende des Tages handelt es sich aber um ein VR-Spiel – diese fallen größtenteils eher kurz aus, weil ein längeres Spiel für viele Gamer körperlich zu anstrengend ist. Für ein solches liefert "The Inpatient" eine gelungene Vorstellung ab und kann jedem Horror-VR-Fan bedenkenlos empfohlen werden, sobald der Preis auf die Hälfte sinkt. Wer ein vollwertiges Horror-Abenteuer in VR sucht, greift hingegen zu "Resident Evil 7". Und bitte, liebe Games-Macher: baut dieses fantastische Stimmerkennungs-Feature ab jetzt in jedes erdenkliche Adventure und Rollenspiel ein!