Um den Vergleich mit "XCOM" kommt "Mutant Year Zero: Road to Eden" nicht herum, aber das ist okay: Das rundenbasierte Action-Game hat mit einem stimmungsvollen Postapokalypse-Setting, schrägen Helden und klugen Innovationen genug Eigenes zu bieten. Warum geduldige Taktiker den Mutanten unbedingt eine Chance geben sollten, liest Du in unserem Test.
- Auf den Spuren eines eindeutigen Vorbilds
- Gameplay: Ein bisschen "Commandos", ein bisschen Schach
- Schleichen & Kämpfen vor stimmiger Kulisse
- Der witzigste Weltuntergang des Jahres
- Nichts für Ungeduldige: der Schwierigkeitsgrad
- Fazit
Die Welt ist in "Mutant Year Zero: Road to Eden" mal wieder untergegangen. Der Homo sapiens hat sich mit Erderwärmung und Atomkrieg selbst zugrunde gerichtet, eine Pest-Epidemie gab ihm den Todesstoß. Nur in der "Arche", einer aus Schrott zusammengezimmerten Stadt in den ehemals schwedischen Wäldern, in der die letzten halbwegs gesellschaftsfähigen Überlebenden Zuflucht gefunden haben, brennt noch Licht.
Damit das auch so bleibt, gibt es die Stalker: furchtlose Abenteurer, die ins Ödland ziehen und die Trümmer der untergegangenen Menschheit nach Verwertbarem durchsuchen. Zwei davon sind Dux und Bormin – eine humanoide Ente und ein mutiertes Wildschwein. Und an der Seite dieses ungleichen Gespanns schlittere ich in ein postapokalyptisches Abenteuer der etwas anderen Art.
Auf den Spuren eines eindeutigen Vorbilds
Schon im ersten Trailer, dessen Handlung sich grob mit "Kommen drei Mutanten in eine Bar (keine Pointe)" umschreiben lässt, wurde deutlich, dass das Game vom Indie-Studio The Bearded Ladies Consulting ein besonderes Spiel wird. Eigentlich lässt sich die Adaption eines schwedischen Pen-and-Paper-Rollenspiels relativ bündig umschreiben: Postapokalyptisches "XCOM" mit Tier-Mensch-Mutanten – so nennt es die offizielle Website sogar ganz uneingebildet selbst. Ein bloßer Abklatsch ist es trotzdem nicht.

Die Kämpfe folgen zwar der bewährten "XCOM"-Formel für Action-Strategie, die dank zahlreicher Nachahmer (darunter Kuriositäten wie das sträflich unterschätzte "Mario + Rabbids Kingdom Battle") auf dem besten Weg zum eigenen Genre ist: Kämpfe laufen rundenbasiert ab, jeder Charakter im Team hat besondere Waffen und Fähigkeiten, schlaues Ausnutzen von Deckung und Erhebungen ist essenziell für den Sieg. Statt gegen Aliens (oder verrückte Hasen) kämpft mein kleines Mutanten-Team eben gegen wilde Ödland-Bewohner, mutiertes Viehzeug und Roboter – so weit, so postapokalyptisch.
Gameplay: Ein bisschen "Commandos", ein bisschen Schach
"Mutant Year Zero" geht aber noch einen Schritt weiter und verbindet die Kämpfe mit Stealth-Einlagen in Echtzeit. Mein Team aus bis zu drei Mutanten (zur Auswahl stehen später neben Dux und Bormin unter anderem noch eine mörderische Fuchsdame und eine junge Frau mit Steinhaut) durchstreift die Spielwelt wie in einem isometrischen Rollenspiel, wobei ich immer nur eine Figur aktiv steuere.
Gegner tauchen aus den Schatten auf, jeder hat einen Aufmerksamkeits-Kreis, innerhalb dessen er die Helden erspäht, was einen Kampf startet. Indem ich meine Figuren geschickt außerhalb der Kreise positioniere und den Gegner dann überfalle, habe ich aber umgekehrt vor jedem Kampfbeginn die Chance, mir einen Vorteil zu verschaffen und die ersten Treffer zu landen.

Der gewohnten Taktik im Kampf fügt dieses System also eine taktische Komponente vor dem Kampf hinzu. Bei größeren Gegnergruppen lohnt es sich immer, zunächst eine Weile herumzuschleichen und kleine Patrouillen allein zu konfrontieren – idealerweise mit leisen Waffen wie Armbrust oder schallgedämpfter Pistole, denn sonst werden die Kollegen aufmerksam, greifen an und rufen Verstärkung.
Schleichen & Kämpfen vor stimmiger Kulisse
Die Stealth-Mechanik sorgt auch dafür, dass ich Gegnergruppen teils gänzlich umgehen kann – und muss: Oft sind die Gegner auf dem aktuellen Level kaum zu besiegen. Vorbeischleichen, an schwächeren Feinden trainieren, Loot sammeln und später wiederkommen ist Pflicht, um viele Situationen zu meistern. Dieses Backtracking ist erst gewöhnungsbedürftig, wer es einmal akzeptiert hat, kann aber große Befriedigung daraus ziehen, eine anfangs übermächtige Gruppe mit in der Arche verbesserten Waffen und effektvollen Mutanten-Skills letztlich zu pulverisieren.
Spielerisch gesehen ist diese frische Kombination aus Neuem und Bewährtem die große Stärke von "Mutant Year Zero". Es ist aber nicht die einzige. Vor allem in Sachen Atmosphäre machen die Entwickler enorm viel richtig: Die Spielwelt wirkt dem Thema angemessen trostlos, die Natur holt sich hier langsam zurück, was der Mensch ihr einst abgetrotzt hatte. Die Überreste der Zivilisation verrotten, verfallen und verrosten auf morbid-malerische Weise, die Kampagnen-Handlung erzählt mit großer Ernsthaftigkeit vom selbst verschuldeten Untergang. Und doch ist "Mutant Year Zero" alles andere als eine humorlose Veranstaltung.
Der witzigste Weltuntergang des Jahres
Tatsächlich fährt das Spiel eine ungemein charmante Art von Humor auf, die regelmäßig mindestens zum Schmunzeln anregt, aber nie plump oder lächerlich wirkt. Zum einen sind die Charaktere – allen voran die vorlaute Mutanten-Ente Dux und der grummelige Mensch-Eber Bormin – wunderbar geschrieben, mit einer tollen (englischen) Sprachausgabe vertont und liefern sich auf dem Weg durch die Einöde immer wieder herrliche Wortgefechte.

Zum anderen zieht das Spiel eine Menge Witz aus dem Umstand, dass niemand in der Welt von "Mutant Year Zero" so genau weiß, was die Menschen vor ihrem Fall eigentlich so getrieben haben. Immer wieder finde ich Spuren der alten (also unserer) Welt, über deren Verwendungszweck die Helden dann wildeste Theorien anstellen. Flugzeug-Wracks werden da zu abgestürzten "Metallvögeln", überwucherte Schnellzüge zu "Eisenschlangen", Spielplätze zu Wohnorten für "richtig kleine Leute".
Besonders gelungen: Jedes gefundene "Artefakt" (darunter zum Beispiel Kassettenrekorder und Autobatterien) hat einen kurzen Begleittext, in dem postapokalyptische Ethnologen vollkommen am Ziel vorbeischießen. Der Witz ist zwar grundsätzlich immer der gleiche – aber er ist auch immer wieder gut.

Nichts für Ungeduldige: der Schwierigkeitsgrad
Mit leichtfüßigem Humor fängt "Mutant Year Zero" die düstere Endzeit-Story und -Stimmung auf. Was den Schwierigkeitsgrad angeht, sollte man sich davon allerdings nicht täuschen lassen: Die Kämpfe sind von Anfang an fordernd, Raum für Fehler gibt es nur wenig, was sich gerade in längeren Gefechten furchtbar rächen kann. Ich habe viele, viele Kämpfe neu laden müssen, zumal ich bei Trefferwahrscheinlichkeiten in Kämpfen vom Würfelglück abhängig bin. Geduld und Frusttoleranz sind daher unerlässlich, gewiefte Puzzle-Strategen finden hier dafür echte Herausforderungen – zur Not in den höheren Schwierigkeits-Modi ohne manuelle Speicherfunktion.

Schwächen zeigt "Mutant Year Zero" im Detail: Die Kamera ist nicht immer ideal positioniert, was in beengten Situationen manchmal den Überblick erschwert. Außerdem verhalten sich Teammitglieder, die ich gerade nicht steuere, bei der Wegführung nicht immer schlau. Dem Gegnerdesign hätte etwas mehr Abwechslung gutgetan.
Und schließlich: Der Wiederspielwert ist nicht allzu hoch, denn Zufallskämpfe gibt es nicht. Alle Feind-Begegnungen – und damit auch alle Gelegenheiten zum Leveln – sind gescriptet und einmalig. Wer "Mutant Year Zero" nach gut 25 Stunden durch hat, bekommt in einem neuen Anlauf genau das Gleiche. Auf einem Markt voller ewig spielbarer Service-Spiele ist das aber ja auch schon wieder eine Tugend, die ihre Fans hat.
Fazit
Zwischen den großen Releases zum Jahresende konnte "Mutant Year Zero" nie so richtig Hype aufbauen. Zu Unrecht: Das Spiel überzeugt mit innovativer Variation einer bewährten Formel und rührt dazu noch wie nebenbei tolle Weltuntergangs-Atmosphäre, wunderbare Charaktere und charmanten Witz unter. Wer rundenbasierte Taktik-Games mag und den hohen Schwierigkeitsgrad nicht scheut, sollte Dux und Bormin auf jeden Fall in die Einöde rund um die Arche begleiten.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ tolle Endzeit-Atmosphäre | - kleinere Mängel bei KI und Kamera |
+ sympathische Charaktere | - Kämpfe teils sehr vom Würfelglück abhängig |
+ humorvolle Dialoge und Texte | |
+ gelungener Mix aus Stealth und Taktik |