Das erste Großprojekt von Regisseur Grant Sputore feierte bereits im Januar auf dem Sundance-Filmfestival Premiere, in Kürze kommt "I Am Mother" auch auf die deutschen Leinwände. Ob der Science-Fiction-Film den Gang ins Kino wert ist, verrät Dir unsere Kritik.
- Die Story von "I Am Mother"
- Raffiniertes Kammerspiel voller Twists
- Ethische Fragen halten den Zuschauer auf Trab
- Diese Schauspieler glänzen in "I Am Mother"
- Fazit
Die Story von "I Am Mother"
Ein Tag ist vergangen, seitdem die gesamte Menschheit ausgelöscht wurde. In einem hermetisch abgeriegelten Bunker erwacht "Mutter" zum Leben. Der Roboter soll mithilfe von 63.000 in der Station eingelagerter Embryonen die Neubesiedlung der Erde in die Wege leiten – und so das Überleben der menschlichen Rasse sicherstellen.
Weil aber selbst künstliche Mütter ihr Handwerk erst erlernen müssen, beginnt "Mutter" mit einem einzelnen weiblichen Kind. "Tochter" wächst in den kommenden Jahren zu einer intelligenten jungen Frau heran. Sie lernt von ihrer mechanischen Beschützerin alles von Ballett und Origami bis zu fortgeschrittener Ingenieurwissenschaft und komplizierter Ethik.
Dann steht plötzlich eine fremde, verletzte Frau vor den Toren der Anlage – und bringt mit ihrer bloßen Ankunft das gesamte Weltbild von "Tochter" aus dem Gleichgewicht. Was ist wirklich mit der Welt da draußen geschehen? Ist "Mutter" tatsächlich eine so gutmütige Beschützerin, wie sie vorgibt?
Raffiniertes Kammerspiel voller Twists
Was folgt, ist ein raffiniertes Kammerspiel voller Twists. Gerade, wenn der Zuschauer die wahren Hinter- und Beweggründe durchschaut zu haben glaubt, stellt die nächste Wendung alles wieder auf den Kopf. Ist "Mutter" etwa doch böse? Meint es die fremde Frau wirklich ehrlich mit "Tochter"? Immer wieder sorgen neue Informationsfetzen dafür, dass sich die Allianzen verschieben, und auch emotional muss sich nicht nur "Tochter" permanent neu ausrichten.
Was Sci-Fi-Fans allerdings nicht erwarten sollten, ist große Action. Die wenigen entsprechenden Szenen finden sich vor allem im letzten Drittel des Films und sind selbst dort dünn gesät. Der Schrecken manifestiert sich zumeist in unterschwelligen Botschaften und kleinen Spannungsmomenten zwischen "Mutter", "Tochter" und der fremden Frau. Und selbst diese Botschaften und Momente sind oft so flüchtig und schwer zu fassen wie die diversen impliziten Fragen, denen sich "I Am Mother" widmet. Was auch an der fast unwirklich ruhigen Stimme von "Mutter" liegt.
Ethische Fragen halten den Zuschauer auf Trab
Der Zuschauer muss während des gesamten Films konzentriert sein, um keine der vielen interessanten Aspekte zu verpassen. Regisseur Grant Sputore und sein Team haben die Handlung mit impliziten Fragen und ethisch-philosophischen Gedankenspielen gespickt, die den Zuschauer fordern.
Das beginnt bei der Frage, ob ein Roboter als Mutterersatz geeignet sein kann. Soll "Tochter" der Maschine vertrauen, die ihr ganzes Leben lang für sie gesorgt hat? Oder dem einzigen anderen Menschen, dem sie bisher in ihrem Leben begegnet ist?
Mit welch komplizierten Problemen sich "Tochter" auseinandersetzen muss, um vor "Mutter" als guter und ethisch wertvoller Mensch zu bestehen, deutet eine Unterrichtsstunde an, bei der wir dem Duo über die Schulter blicken. Hier präsentieren uns die Macher eine abgewandelte Version des moralischen Gedankenexperiments Trolley-Problem, ohne am Ende eine klare Antwort zu liefern. Die soll der Zuschauer für sich selbst finden – ein Konzept, das der Film konsequent durchexerziert.
Diese Schauspieler glänzen in "I Am Mother"
Eine große schauspielerische Herausforderung musste in "I Am Mother" die Hollywood-Newcomerin Clara Rugaard ("Good Favour") bewältigen. Ihre Figur "Tochter" dient im Film als Identifikationsfigur für den Zuschauer. Der hat nahezu nie einen Wissensvorsprung und muss die vielen Puzzleteile gemeinsam mit der Filmfigur zusammensetzen.
Eine zentrale Rolle, die hohe Erwartungen mit sich bringt. Rugaard schafft es allerdings mühelos, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Ihre Darbietung kann sich durchaus mit der von Oscar-Preisträgerin Hilary Swank ("The Homesman") messen lassen, die im Film als die fremde Frau zu sehen ist. Zudem stimmt die Chemie zwischen der Jungschauspielerin und dem Hollywoodstar. Das ist auch nötig, um das aufkeimende Vertrauen, das "Tochter" gegenüber der Frau empfindet, glaubhaft herüberzubringen.
Und dann ist da natürlich "Mutter". Der Roboter wurde von der neuseeländischen Effektschmiede Weta Workshop ("Der Herr der Ringe") in Szene gesetzt. Nicht etwa nur virtuell am Computer, sondern auch mithilfe eines realen beweglichen Kostüms. Für die Umsetzung war maßgeblich Project Supervisor Luke Hawker verantwortlich, der im Film auch im Kostüm steckt. Als Sprecherin für das englische Original wurde die australische Schauspielerin Rose Byrne verpflichtet, die mit Blick auf die emotionale Komponente von "Mutter" ganze Arbeit leistet.
Fazit: Atmosphärisch dichter Sci-Fi-Film zum Mitdenken
Mit "I Am Mother" hat Regisseur Grant Sputore ein eindrucksvolles Debüt abgeliefert. Kinogänger erwartet ein atmosphärisch dichter Sci-Fi-Film, der ohne große Action, aber mit umso tiefer schürfenden Fragestellungen daherkommt. Diverse Twists sorgen für immer neue Überraschungen und regen zum beständigen Mitdenken an.
Definitive Antworten auf die aufgeworfenen Fragen liefert die Handlung nicht, dafür schaffen es die Macher, den Zuschauer über den Abspann hinaus zu fesseln. Auch Stunden nach dem Kinobesuch war ich gedanklich noch bei "I Am Mother". Eine schöne Abwechslung zum lauten Effektkino – und eine absolute Empfehlung für alle, die sich nicht vor anspruchsvollen Filmen scheuen.