Die peinlichsten Gadgets der Welt: Das "Museum of Failure" im schwedischen Helsingborg zeigt die größten Flops der jüngeren Technik- und Produktgeschichte. Kurator Dr. Samuel West sagt: "Wir brauchen wieder eine Kultur, die sich mit Fehlern auseinandersetzt – Fortschritt beruht auf Missgeschicken."
Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Ein quadratisches Spielbrett mit Startfeld, ein Stapel Aktionskarten in der Mitte und jede Menge Preisschilder? Geld anhäufen, Grundstücke kaufen, Hotels bauen – und seine Gegner finanziell ausbluten lassen? Der Titel lautet "Trump – The Game". "Ein schreckliches Spiel, ein schlichter, langweiliger 'Monopoly' Abklatsch. Du musst kein Experte sein, um zu sehen, dass es ein Flop ist", sagt Dr. Samuel West, Leiter des "Museum of Failure" im schwedischen Helsingborg.
60 Exponate, die zum Scheitern verurteilt waren
Seit Juni präsentiert er in seiner Ausstellung die größten Produkt-Fauxpas der jüngeren (Technik-)Geschichte, rund 60 skurril-schöne Exponate, die einem nicht nur ein Schmunzeln, sondern auch ein kräftiges Kopfschütteln entlocken. Für gewöhnlich sind Museen ja wie Ruhmeshallen, wo man Best-of-Werke bestaunen kann. Picasso, Dalí, Giacometti. Wo Schönheit, Genialität und Einzigartigkeit erfahrbar und förmlich greifbar werden. Doch wie viele Bilder hat Leonardo da Vinci wohl insgeheim vermasselt, bevor er die Mona Lisa malte? Wie viele Wutanfälle hatte Edvard Munch, bevor sein berühmtestes Bild "Der Schrei" endlich fertig war?
"Wer Angst vor Fehlern hat, der kann auch nicht innovativ sein", sagt Dr. Samuel West, promovierter Psychologe, während er durch die Räume seines Museums führt. Zur Anschauung setzt er sich die weiße "Rejuvenique"-Maske aus den 90er-Jahren auf, die mit einem kleinen Controller verbunden ist und per Spiralkabel kleine Stromstöße im Milliampere-Bereich aufs Gesicht schickt.
Das Ziel: So makellos auszusehen wie "Denver-Clan"-Darstellerin Linda Evans, die faltenfrei von der Verpackung lächelt. Klappt nur leider nicht wirklich, deshalb floppte die Maske kolossal. Vielleicht lag es auch daran, dass viele Männer den Schreck des Lebens bekamen, als ihre Frauen die "Rejuvenique" aufsetzten – und aussahen wie Jason Voorhees, der Serienkiller aus dem Horrorfilm "Freitag, der 13.".
"Museum of Failure": TwitterPeek bis Itera-Plastikfahrrad
Bis heute ist auch nicht geklärt, was sich die Ingenieure beim TwitterPeek dachten, einem 200 Dollar teuren Gadget im Taschenrechnerformat, mit dem man lediglich, nun ja, twittern konnte. Mehr nicht. Als ob man das nicht auch via Smartphone-App erledigen könnte. Für kollektives Stirnrunzeln sorgt auch das schwedische Itera-Plastikfahrrad aus dem Jahr 1982, das doppelt so teuer war wie ein gewöhnlicher Drahtesel, extrem unstabil und den Fahrern reihenweise unterm Hintern zusammenbrach – es wurde nach kurzer Zeit wieder vom Markt genommen.
Weitere Highlights (oder "Lowlights", je nach Blickwinkel) sind etwa das Amazon-Fire-Smartphone, das mit seinem integrierten "Buy"-Button die Käufer abschreckte, oder Nokias Mini-Konsolenhandy N-Gage, das 2010 vom Markt genommen wurde, weil es viel zu wenig Spiele gab und das Produktdesign für Kopfschmerzen sorgte. Die beruhigende Nachricht: Auch Erfolgsgaranten wie Apple (Apple Newton) oder Google (Google Glass) haben es ins "Museum of Failure" geschafft.
90 Prozent aller Produkte auf dem Markt scheitern
Ebenfalls kultverdächtig sind der pinkfarbene "for Her"-Kugelschreiber von Bic (natürlich nur für Frauen), die Coca-Cola Blak (mit Kaffeegeschmack) oder – kein Witz – eine Lasagne von Zahnpastahersteller Colgate. "Wir lernen bereits als kleine Kinder, dass Fehler etwas Schlechtes sind. Fehler sind störend und ärgerlich. Niemand kommt zu einem Vierjährigen und sagt: 'Toll, du hast es vermasselt und ganz viel über die Welt gelernt!' Leider ist es heute in großen Firmen immer noch so. Wenn ein Produkt nicht den Erwartungen entspricht, wird es sofort aussortiert, statt sich eingehender mit den Fehlern zu beschäftigen", sagt Dr. Samuel West.
Experten schätzen, dass ganze 90 Prozent aller Produkte, die aktuell auf den Markt kommen, scheitern. Und natürlich erfährt man auch nie etwas davon, denn Fehler sind für viele Hersteller immer noch der GAU. "Unsere Gesellschaft ist besessen von Erfolg. Mein Haus, mein Auto, mein Job. Wir haben verlernt, Fehler als etwas Natürliches und Alltägliches anzusehen.
Ohne Fehler kein Fortschritt
Ohne Fehler und unsere Gedanken darüber und Lehren daraus könnte es auch keinen Fortschritt geben." Erste Anzeichen für Änderung gibt es bereits: In Großstädten verabreden sich junge Leute via Social Media zu sogenannten "Fuckup Nights", wo Referenten in Bars präsentieren, mit welcher Geschäftsidee sie voll auf der Schnauze gelandet sind. Oft sind die kleinen Events auch therapeutisch ungemein wertvoll.
Doch was passiert, wenn das "Museum of Failure" auch zu einem Flop wird? Auch darüber kann Dr. Samuel West schmunzeln: "Es ist durchaus möglich, dass wir bald pleite sind, denn es war teuer, die Ausstellungsstücke zu besorgen. Deshalb freuen wir uns, wenn unsere Besucher oder sonst jemand auf der Welt uns neue Ideen liefert. Wir hören uns alle Vorschläge an und freuen uns immer über Post. Ganz ehrlich: Jedes Mal, wenn ich ein neues Paket mit einem gescheiterten Produkt öffne, fühle ich mich wieder wie als Kind an Weihnachten."
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